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Bei meinem letzten Besuch in der Läufer-Hochburg Iten im Nordwesten Kenias, wurde mir von meinem belgischen Gastgeber Jean Paul Fourier ein ganz besonderer Mensch vorgestellt. Pater Colm O’Connel, eine Trainerlegende, ein irischer Seelsorger und sehr beeindruckender Pädagoge in der St-…
Bei meinem letzten Besuch in der Läufer-Hochburg Iten im Nordwesten Kenias, wurde mir von meinem belgischen Gastgeber Jean Paul Fourier ein ganz besonderer Mensch vorgestellt. Pater Colm O’Connel, eine Trainerlegende, ein irischer Seelsorger und sehr beeindruckender Pädagoge in der St- Patrick’s School, aus der unzähligen Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordler hervorgingen. Colm bot mir die Gelegenheit, ihn bei einigen Trainings in seinem damals ganz neuen SUV, den er von sein Schützling, 800m Olympiasieger und Weltrekordler David Rudisha geschenkt bekommen hatte, zu begleiten.
Dabei erfuhr ich nicht nur enorm viel über seine Trainerphilosophie, sondern bekam die Gelegenheit, einige der besten kenianischen Läufer bei der Arbeit zu beobachten. Von einem dieser Trainingserlebnisse will ich Euch erzählen, um auf eine der wichtigsten Trainingsmaßnahmen in der Vorbereitung auf die ganz langen leichtathletischen Disziplinen einzugehen – den LongJog, Long Training Run oder longrun. Es ist ganz gleich, wie man ihn bezeichnet.
Während meiner Trainerausbildung hatte ich beim italienischen Nationaltrainer für Marathon, Gianpaolo Lenzi in Ferrara hospitiert, von dem die folgende Erkenntnis stammt: „Eine Abnahme der Leistungsfähigkeit während eines Marathonwettkampfes ist auf die kontinuierliche Erschöpfung der Kohlenhydratvorräte zurückzuführen. Aus diesem Grunde ist die richtige Auswahl solcher Trainingsmethoden und -formen, die es ermöglichen eine relativ hohe Laufgeschwindigkeit bei minimalen Glykogenverbrauch aufrechtzuerhalten ein entscheidendes Problem der Trainingsgestaltung. Dazu zählen Trainingsformen, die einen höheren prozentualen Abbau der Fettsäuren hervorrufen. Langandauernde Läufe mit geringer bis mittlerer Geschwindigkeit, gleichmäßigen bzw. gleichmäßig ansteigenden Tempo sind die am besten geeigneten Mittel zur Lösung dieses Problems. Einheiten mit progressiv ansteigender Geschwindigkeit entwickeln auf Grund der so gennanten Trägheit der physiologischen Mechanismen eine Tendenz zum weiteren Fettverbrauch“.
Diesen Überlegungen folgend, ergaben sich über die Jahrzehnte meiner Zusammenarbeit mit einigen Läuferinnen und Läufern der heimischen Spitze verschiedene Varianten des LongJog, die auch von Hobbyläufern entsprechend ihres Leistungsvermögens ihn das Aufbautraining eingesetzt werden können:
LongJog Basic
Bei dieser Art des langen, ruhigen Laufs geht es in erster Linie darum, sich langsam an die langen Herausforderungen bei Halbmarathon oder Marathon zu gewöhnen. Das Tempo wird dabei über die gesamte Dauer konstant gehalten. Positive Nebeneffekte sind eine Ökonomisierung im Energiestoffwechsel und viel Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem unter anderem bei der Kapillarisierung anzuregen. Wesentlich ist jedoch, langsam auch den Kopf auf diese langen Herausforderungen zu fokussieren.
LongJog Rhythmic
Das Anfangstempo ist gleich wie in der Basisversion, aber im letzten Drittel des Laufs kommt es zu einer Schulung der Rhythmusfähigkeit. Als einfaches Beispiel: 70 Minuten ruhig, dann für ca. 30 Minuten im Wechsel 3 Minuten nahe am voraussichtlichen Wettkampftempo (MPR) und 3 Minuten langsam. Abschließend folgt ein kurzes, sehr lockeres Auslaufen.
Longjog Crescendo
Auch hier ist das Anfangstempo gleich wie in der Basisversion Wie es der Name schon sagt, wird der LongJog immer schneller. In Etappen wird das Tempo leicht erhöht. Zum Schluss läuft man in der Marathonvorbereitung die Zielgeschwindigkeit. Dabei steht der Laufrhythmus wieder im Mittelpunkt und schult neben den physiologischen Parametern vor allem die richtige Lauftechnik unter Ermüdung. Ich bezeichne diesen Bereich daher als „Marathon Paced Rhythm“ (MPR), der einen später im Wettkampf viel Sicherheit für das eigene Tempo bringen soll.
Das erste Drittel läuft wie in der Basisversion ab. Dann heißt es aber, „ab ins Gebirge!“ Ideal finde ich für diese Abwechslung eine hügelige Landschaft, in der die Bergaufpassagen dann etwas forciert bis hin zu einem mittleren Tempo gelaufen werden, bergab und flach wieder ruhig. Abschließen soll diesen variantenreichen Ausflug aber wieder ein ruhiges LJ-Tempo.
Der Phantasie sind wie bei allen Trainingsformen natürlich keine Grenzen gesetzt. Aber eigentlich wollte ich ja die Geschichte aus Iten erzählen. Na dann! Ich saß bei Bruder Colm im Begleitfahrzeug. Wir folgten zunächst der Gruppe von rund 30 Läuferinnen und Läufer, von denen sich schon einige recht ordentliche Meriten bei internationalen Rennen und Meisterschaften verdient hatten. Zunächst fiel mir das gemächliche Tempo auf, mit dem die Gruppe gestartet war. Gleichzeitig war ich ins Gespräch mit dem irischen Pater vertieft, dem es immer lohnt zuzuhören. Er strahlt enorme Ernsthaftigkeit in seiner Aufgabe aus, hat jedoch einen gewaltigen Humor. Seine echt guten Witze sind weit und breit bekannt.
Doch schon bald löste sich die Gruppe auf und es bildeten sich einige Kleingruppen, in denen immer wieder das Tempo gewechselt wurde. Die hügelige Landschaft tat ihr übriges. Als wir etwas weiter nach vorne fuhren, konnte ich erkennen, dass einige Burschen bereits „das Messer zwischen den Zähnen“ hatten – eine Attacke folgte der nächsten. Egal, ob es gerade bergauf ging oder der Weg schlecht war. So ergeben sich innerhalb der nicht ganz zwei Stunden Lauftraining ein Mix, den ich als typische Mischform kenianischer Leidenschaft für das Laufen einschätze. Daher fand ich einen zusätzlichen Begriff für einen LongJog, der dem ursprünglich oft gelehrten ruhigen langen Lauf nur mehr in Ansätzen entspricht:
LongJog KenyanStyle
Einige allgemeine Gedanken zum LongJog und zum Training: