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Es war der größte Erfolg ihrer Karriere, den Jessica Stenson, die unter ihrem Mädchennamen Trengove möglicherweise besser bekannt ist, auf dem hügeligen Marathonkurs in der Innenstadt von Birmingham gefeiert hat: Gold bei den Commonwealth Games und das so kurz vor ihrem 35. Geburtstag. Es war das krönende Resultat eines starken Auftritts des australischen Marathonteams, das sich nicht nur den stärker eingeschätzten Läuferinnen aus Ostafrika widersetzte, sondern das Rennen aktiv mitbestimmte. Fünf Kilometer vor dem Ziel setzte sich die 34-Jährige von der Kenianerin Margaret Wangari und der namibischen Titelverteidigerin Helalia Johannes ab und lief dem Triumph entgegen, den sie in einer Zeit von 2:27:31 Stunden auch fixierte. Kenias einzige Starterin sicherte sich die Silbermedaille vor der bereits 42-jährigen Titelverteidigerin.
In der Stunde ihres Erfolges erinnerte Stenson an ihr Idol Kerryn McCann, die 2002 bei den Commonwealth Games in Manchester und vier Jahre später bei jenen im heimischen Melbourne den Marathon gewonnen hat und nur zwei Jahre später an einer Brustkrebserkrankung verstorben ist. Mit ihrem Triumph, den sie im Ziel gemeinsam mit ihrem zweijährigen Sohn Billy rührend feierte, stellte Stenson einen neuen Rekord auf: Erstmals hat eine Marathonläuferin bei drei Commonwealth Games eine Medaille gewonnen. Bei den Spielen 2014 in Glasgow und 2018 im heimischen Gold Coast war sie noch als Jessica Trengove jeweils als Dritte ins Ziel gekommen.
In den ersten Jahren nach dem Umstieg in den Marathon überzeugte sie als Siegerin des Marathons in Melbourne im Jahr 2015 und als Zehnte des London Marathon 2017, der größte Erfolg war aber Rang neun bei den Weltmeisterschaften in der britischen Hauptstadt ebenfalls im Jahr 2017. 2018 verbesserte sie beim Gold Coast Marathon als Zweite und beim Toronto Marathon als Vierte zweimal ihre persönliche Bestleistung auf eine Zeit von 2:25:59 Stunden. Nach ihrer Schwangerschaftspause gelang der Australierin trotz der extrem strengen COVID-19-Politik in ihrer Heimat ein glänzendes Comeback, als sie im Oktober 2021 den Perth Marathon in einer Zeit von 2:25:15 Stunden gewann. Neuerlich brachte britischer Boden ihr am vergangenen Samstag zur englischen Mittagszeit Glück. Gegenüber dem australischen Fernsehsender ABC sagte sie: „Ich glaube, als Mutter bin ich einfach eine entspanntere Läuferin. Ich genieße alles ein bisschen mehr.“ Mit ihren 34 Jahren war sie im Übrigen das „Küken“ in den Top-Fünf dieses Marathons.
Auf dem schwierigen Marathonkurs in Birmingham entwickelte sich erwartungsgemäß ein gemächliches Rennen. Bei der Zwischenzeit beim Halbmarathon, die in einer Zeit von 1:15:06 Stunden erreicht wurde, lagen noch zwölf der nur 16 Teilnehmerinnen gleich auf. Erst auf den folgenden Kilometern wurde das Rennen schneller und kurz vor der Zwischenzeit bei Kilometer 30 zersplitterte das Feld in Grüppchen. Vorne konnten sich Stenson, Wangari und Johannes, die vor drei Jahren WM-Bronze in Doha gewann, vorentscheidend absetzen. Eloise Wellings und Failuna Matanga folgten mit 14 Sekunden Rückstand, weitere 40 Sekunden dahinter lag Sinead Diver. Die 45-jährige Australierin konnte zwar die Läuferin aus Tansania noch überholen, blieb jedoch hinter ihrer 39-jährigen Landsfrau – die beiden Landsfrauen von Siegerin Stenson finishten den Marathon auf den Rängen vier und fünf und trafen sich für eine innige Jubel-Umarmung mit ihrer Teamkollegin hinter der Ziellinie.
Die beiden Afrikanerinnen konnten die Attacke Stensons etwa fünf Kilometer vor der Ziellinie nicht beantworten. Die 36-jährige Wangari, Siegerin des Honolulu Marathon 2019 und des Los Angeles Marathon 2020, lief in einer Zeit von 2:28:00 Stunden eine persönliche Bestleistung und gewann für Kenia zumindest eine Medaille. Doch das war in Kenia nur eine Randnotiz, denn die beiden weiteren vorgesehenen Athletinnen Stella Barsosio, Siegerin des Rotterdam Marathon 2021, und Purity Chengwony erschienen nicht an der Startlinie. Die kenianische Tageszeitung „Daily Nation“ spekulierte darüber, dass das Duo einen positiven Dopingtest abgegeben hätte – es wäre ein Fiasko für den kenianischen Laufsport, nachdem Philemon Kacheran aus diesem Grund bereits kurzfristig aus dem Team für die Commonwealth Games geflogen ist. Die „Daily Nation“ berichtete, Kenias Verbandspräsident Jackson Tuwei wollte sich zum Thema nicht äußern, von der kenianischen Anti-Doping-Agentur bekam die Zeitung nur die Aussage, dass Weiteres erst kommuniziert würde, sobald Informationen offiziell wären.
Gänzlich anders als das Frauenrennen entwickelte sich in Birmingham der Marathonlauf der Männer. Angeführt vom auf dem Papier besten Australier im Rennen, Liam Adams schlug eine sechsköpfige Spitzengruppe ein flottes Tempo an und absolvierte im zweiten Rennviertel Kilometersplits von drei Minuten. In einer Zeit von 1:04:34 Stunden war die Zwischenzeit beim Halbmarathon erreicht, die besten Briten hatten sich in einer Verfolgergruppe positioniert und zu diesem Zeitpunkt schon drei Minuten Verspätung. Gegenüber ABC sagte der 35-jährige Adams, der einem Vollzeitjob nachgeht, er hätte darauf spekuliert, dass die Ostafrikaner ihn unterschätzten und ziehen ließen.
Adams konnte seine Spitzenposition bis kurz vor der Zwischenzeit bei Kilometer 30 halten, als sich Victor Kiplangat und Alphonce Simbu vom Rest des Feldes absetzen konnten. Die beiden Kenianer im Feld, Michael Githae und Jonathan Korir blieben mit Adams und Hamisi Misai aus Tansania, der etwas „über seinen Verhältnissen lebte“, im Kampf um die Bronzemedaille. An der Spitze legte Kiplangat seine schnellsten Teilzeiten auf den Asphalt und brauchte von der Zwischenzeit bei Kilometer 30 bis zu jener bei Kilometer 35 nur 14:24 Minuten. Der Widerstand von Simbu war gebrochen, der zu diesem Zeitpunkt noch geringe Rückstand von 18 Sekunden wurde minütlich deutlich größer. Als der Abstand bei Kilometer 40 bereits eineinhalb Minuten betrug, war die Entscheidung vermeintlich längst gefallen.
Doch die kurioseste Rennszene folgte noch und ließ auch den Puls des späteren Siegers hochschnellen. Ein Begleitfahrzeug verließ die Strecke und der 22-Jährige folgte ihm. Nach rund 50 Metern bemerkte der Ugander den Irrtum und lief zurück auf die korrekte Marathonstrecke, hatte jedoch genug Vorsprung, um die Goldmedaille abzusichern. „Die Motorradfahrer haben mich verwirrt“, sagte der Sieger in einem Interview nach dem Rennen. Während es für den Athleten bei der Schrecksekunde blieb, muss sich der Veranstalter einen peinlichen Fehler ankreiden lassen.
Kiplangats Triumph war der erste für Uganda bei einem Marathon bei den Commonwealth Games. „Ich bin so glücklich. Die Leute haben mich angefeuert und das hat mich ermutigt. Ich schätze, Uganda ist heute stolz auf mich.“ Der 22-Jährige kam erstmals beim Marathon auf dem Flugfeld in Enschede im Frühjahr 2021 in Kontakt mit der Traditionsdistanz, im November feierte er bei seiner ersten Marathon-Zielankunft in Istanbul gleich einen Sieg. Im April glänzte er beim Hamburg Marathon mit einer deutlichen persönlichen Bestleistung von 2:05:09 Stunden, stand als Viertplatzierter allerdings im Schatten seines Landsmanns Stephen Kissa, der bei dessen Debüt noch 21 Sekunden schneller war. Mit seinem Triumph in Birmingham knüpfte er an die Commonwealth-Games-Goldmedaillen seines großen Landsmanns Joshua Cheptegei an, der 2018 in Gold Coast den 5.000m- und 10.000m-Lauf gewonnen hat.
Kiplangat erreichte die Ziellinie in einer Zeit von 2:10:55 Stunden und lag trotz des Umwegs über eineinhalb Minuten vor Simbu. Der WM-Bronzemedaillengewinner von London 2017, der bei Olympischen Spielen bereits zweimal unter die besten Sieben gelaufen ist, ist ein anerkannter Spezialist für Meisterschaftsrennen, konnte das in Birmingham aber nur teilweise unter Beweis stellen. Er gewann auf dem selektiven Kurs die Silbermedaille vor Michael Githae aus Kenia. Der Sieger des letztjährigen Fukuoka Marathon war aufgrund der Suspendierung seines Landsmanns Philemon Kacheran, der unter dringendem Dopingverdacht steht, erst kurzfristig ins Aufgebot gerückt und feierte seinen größten internationalen Erfolg. In einer Zeit von 2:13:16 Stunden ließ er den unglücklichen Australier Liam Adams knapp hinter sich. Der zweite Kenianer im Feld, Jonathan Korir wurde Fünfter, mit Jonathan Mellor aus England erreichte der schnellste Europäer das Ziel in 2:15:31 Stunden auf Rang sechs.
Skurril ist der Grund, warum der dritte Kenianer Eric Kiptanui das Rennen nicht auf der Strecke, sondern am Streckenrand miterlebte. Er konnte laut Informationen der kenianischen Tageszeitung „Daily Nation“ nicht an den Start gehen, weil nicht er, sondern Erick Sang für eine Teilnahme registriert war. Während Sang aber gar nicht angereist ist, weilte der nominierte Kiptanui bereits eine Woche in England und niemand sei aufgefallen, dass ein mutmaßlicher Änderungsantrag des kenianischen Olympischen Komitees nicht durchgegangen ist. „Es ist so schmerzvoll, einfach schrecklich“, sagte der Marathonläufer und forderte von den Verantwortlichen eine Erklärung: „Menschen müssen ihre Aufgaben ernst nehmen!“ Wie die „Daily Nation“ berichtet, könnte ein ähnliches Problem nun auch bei 800m-Läufer Cornelius Tuwei und 3.000m-Hindernisläufer Amos Kirui auftreten, die kurzfristig Emmanuel Wanyonyi und Abraham Kibiwot im Team ersetzen sollten.
Männer
Gold: Victor Kiplangat (Uganda) 2:10:55 Stunden
Silber: Alphonce Simbu (Tansania) 2:12:29 Stunden
Bronze: Michael Githae (Kenia) 2:13:16 Stunden
Frauen
Gold: Jessica Stenson (Australien) 2:27:31 Stunden
Silber: Margaret Wangari (Kenia) 2:28:00 Stunden *
Bronze: Helalia Johannes (Namibia) 2:28:39 Stunden
* neue persönliche Bestleistung