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Die Äthiopier Alemu Megertu und Asrar Abderehman nutzten die harmonischen Elitefelder und die optimalen Marathon-Bedingungen in Sevilla zu zwei neuen Streckenrekorden. Die erste Zielankunft von Miriam Dattke in der Traditionsdisziplin hätte kaum besser gelingen können und macht sie nun zur ernsthaften Kandidatin auf einen Start bei der Heim-EM in München.
Alle guten Dinge sind drei – das gilt für Miriam Dattke und ihren Ambitionen, im Marathon Fuß zu fassen. Die ersten beiden Debütversuche sind gescheitert: Das Einladungsrennen vor einem Jahr in Dresden musste sie verletzungsbedingt absagen, vor zweieinhalb Monaten musste sie in Valencia aussteigen. Doch in Sevilla gelang der 23-Jährigen ihr erster Marathon und sie finishte ihn hochklassig. Dank einer Leistung von 2:26:50 Stunden ist sie nun eine ernsthafte Kandidatin für einen EM-Start in München in einem starken, medaillenfähigen deutschen Team und hat außerdem auch das Limit für eine WM-Teilnahme in Eugene locker unterboten. „Endlich bin ich im Ziel eines Marathons“, wird die junge Läuferin auf der Website des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zitiert. „Es lief ingesamt sehr gut für mich und ich freue mich über dieses Rennen.“
Dass das Rennen wirklich gelang, zeigt auch ihr negativer Split in einem insgesamt konstanten Tempo, der sich dadurch ergab, dass Dattke nicht mit zu viel Risiko angehen wollte. Langsam war ihre erste Hälfte ob der perfekten Bedingungen und der guten Gruppe um die beste Spanierin im Feld, MartaGalimany aber nicht. Nach 1:13:36 Stunden ging es auf die zweite Hälfte, die sie auch dank einer starken Leistung im harten Finale um 22 Sekunden schneller absolvieren konnte. Trotz des großen Erfolgs bremste die 23-Jährige die Ambitionen: „Noch sehe ich mich nicht als reine Marathonläuferin.“ Will heißen, sie möchte auch 10.000m-Wettkämpfe bestreiten. Doch wahrscheinlich ist sie in Sevilla auf den Marathon-Geschmack gekommen.
Dattke finishte den Sevilla Marathon 2022 als Elfte und war damit – sehr beachtlich – zweitschnellste Europäerin. Aus ihrer Gruppe entstammten einige hervorragende und erstaunliche Leistungen. Florencia Borelli aus Argentinien, die vor einem halben Jahr ihr Marathon-Debüt in Buenos Aires siegreich gestalten konnte, pulverisierte mit einer Zeit von 2:26:54 Stunden den argentinischen Landesrekord von Marcela Cristina Gomez vom Sevilla Marathon 2020 um über zwei Minuten und schrammte nur haarscharf am alten Südamerikarekord vorbei. Die 29-Jährige, die eine Zwillingsschwester hat, die ebenfalls Läuferin ist, ist amtierende Südamerikameisterin im 5.000m-Lauf. Der spanischen Olympia-Teilnehmerin Galimany blieb nur Rang 14 in einer Zeit von 2:27:53 Stunden, nachdem sie ab Kilometer 30 das Tempo von Dattke und Borelli nicht mehr ganz mitgehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt verlor sie auch den spanischen Rekord (2:26:51) aus den Augen. „Beste Spanierin“ war unter anderer Perspektive Majida Maayouf auf Rang acht (2:24:09), die seit vielen Jahren im Baskenland lebt und laut RFEA kurz vor dem Erhalt der spanischen Staatsbürgerschaft ist. Sie lief über fünf Minuten schneller als bei ihrem bisherigen Bestwert.
Erstmals unter 2:20 in Sevilla
Ein historisches Resultat gab es auch an der Spitze. Alemu Megertu, Zweite beim Frankfurt Marathon 2019, pulverisierte den bisherigen Streckenrekord von 2020-Siegerin Juliet Chekwel um über vier Minuten und markierte die erste sub-2:20-Zeit beim Sevilla Marathon. Auf Megertu zugeschnitten war ein schnelles Rennen, welches nach 1:09:25 Stunden Halbzeit hatte. Die 24-Jährige konnte dieses hohe Tempo halten, ab Kilometer 25 nur noch mit zwei Kontrahentinnen, ab Kilometer 30 nur noch mit der schlussendlich zweitplatzierten Meseret Gola, Zweite beim Barcelona Marathon 2021, an ihren Fersen und ab Kilometer 35 alleine. Gut eine Minute Vorsprung hatte die entfesselt laufende Äthiopierin bei Kilometer 40, im Ziel sollten es fast zwei Minuten sein.
Mit einer Endzeit von 2:18:51 Stunden ist Megertu, die ihre persönliche Bestleistung um 2:19 Minuten verbesserte, nun die Nummer 20 der ewigen Bestenliste des Leichtathletik-Weltverbandes (die Nummer neun Äthiopiens vor Olympiasiegerin Tiki Gelana (2012)), wobei dieser die Leistungen aus Sevilla 24 Stunden nach Beendigung des Wettkampfs noch nicht in den Rekordlisten führt – was ein verdächtiges Signal einer möglichen Überprüfung sein könnte, denn üblicherweise hat man bei World Athletics schnelle Finger, was statistische Einträge betrifft. Gola folgte in 2:20:50 Stunden – eine individuelle Bestleistung um über drei Minuten. Yeshi Chekole (PB um drei Minuten) und Chaltu Chimdesa (erstmals unter 2:30) komplettierten den äthiopischen Vierfachsieg mit überragenden individuellen Leistungen.
Piasecki zweitschnellste Britin
Beste Europäerin im Rennen war erwartungsgemäß Jessica Piasecki, die ihren fantastischen Halbmarathon von vor vier Wochen in ihren besten Marathon vergolden konnte. Die 30-Jährige lief 35 Kilometer lang ein konstantes Tempo etwas hinter der Spitzengruppe und finishte in einer Zeit von 2:22:27 Stunden auf Rang fünf. Damit ist Piasecki ab sofort die zweitschnellste Marathonläuferin Großbritanniens hinter Paula Radcliffe, mit einer persönlichen Bestleistung von gut drei Minuten hat sie Charlotte Purdue und Mara Yamauchi überholt und ist nun Teil der Top-Ten der ewigen europäischen Bestenliste im Marathonlauf.
Einen neuen Kontinentalrekord für Südamerika stellte die neuntplatzierte Gladys Pucuhuaranga (ehemals Tejeda) auf, die eine Zeit von 2:25:57 Stunden erreichte und damit 51 Sekunden unter der Marke ihrer peruanischen Landsfrau Inés Melchor blieb. Deren bisherigen peruanischen Rekord hatte Pucuharanga vor zwei Jahren in Sevilla noch knapp verpasst. Gemeinsam mit der Peruanerin gelaufen ist Citlali Moscote aus Mexiko, bisher international völlig unbekannt, aber nun die drittschnellste mexikanische Marathonläuferin der Geschichte (2:26:13). Nach ihrem Debüt.
17 Läuferinnen blieben in Sevilla unter 2:30 Stunden, 16 unter dem WM-Limit für Eugene (2:29:30). Bemerkenswert ist auch der 18. Platz von Alisa Vainio, die vor sieben Jahren in den Schlagzeilen war, als sie als 17-Jährige das Olympia-Limit für Rio knackte, aber dort aufgrund ihrer fehlenden Volljährigkeit nicht startberechtigt war. Sie lief in Sevilla ihren zweiten Marathon seither, den ersten seit den Weltmeisterschaften in Doha, und erzielte eine persönliche Bestleistung von 2:30:18 Stunden.
Sensationsduo bestimmt Marathon
Einen Sensationssieger produzierte das Männerrennen mit dem Äthiopier Asrar Abderehman. In seinem zweiten Marathon in Europa nach dem Amsterdam Marathon 2021 (12.) stürmte der Läufer, von dem selbst der Leichtathletik-Weltverband kein genaues Alter kennt, zu einer Zeit von 2:04:43 Stunden und war damit um drei Sekunden schneller als Mekuant Ayenew vor zwei Jahren. Abderehman löste sich auf den letzten beiden Kilometern von seinem Landsmann Adeledelew Mamo, vor dem Rennen genau so maximal Insidern bekannt, der sein Debüt in einer Zeit von 2:05:12 Stunden abschloss. Genau auf diesen 2,195 Kilometern, die der Sieger in rasanten 6:00 Minuten zurücklegte, fiel auch die Entscheidung, dass der bereits verloren geglaubte Streckenrekord doch noch unterboten werden konnte und Abderehman am Ende einen Negativ-Split aufwies. Auch Megertu war eine sensationelle Schlussphase ab Kilometer 40 gelungen.
Ein kräftiges Lebenszeichen konnte Ghirmay Ghebreslassie aus Eritrea, im Alter von 19 Jahren Weltmeister von Peking, mit Platz drei aussenden. Er steigerte seine persönliche Bestleistung um über eineinhalb Minuten und ist nun der viertschnellste Eritreer in der Marathon-Geschichte.
Neuer spanischer Rekord durch Lamdassem
Spaniens von Hamid Ben Daoud beim Valencia Marathon 2021 egalisierter Rekordhalter AyadLamdassem ist wieder alleinig an der Spitze der spanischen Bestenliste im Marathonlauf. Der 40-Jährige ging das auf den Streckenrekord ausgelegte Tempo der Spitze lediglich die ersten paar Kilometer mit, danach entwickelte sich eine leistungsstarke zweite Gruppe, die exakt die Pace für den spanischen Rekord vorgab. Dank einer minimalen Steigerung auf der zweiten Streckenhälfte gelang dem Olympia-Fünften von Tokio 2021 eine Steigerung um zehn Sekunden auf eine neue spanische Rekordzeit von 2:06:25 Stunden. Es ist gleichzeitig auch ein neuer Masters-Weltrekord, seit Jahresbeginn ist der aus Marokko stammende Routinier in der Altersklasse M40 startberechtigt. Gut für ihn, der eigentlich am kommenden Wochenende den Osaka Marathon laufen wollte, was wegen der bis Ende Februar in Japan gültigen Einreisebeschränkungen nicht in Japan Wohnhafter nicht realisierbar wurde. „Ich wollte die Früchte der guten Arbeit im Training unbedingt ernten. Als ich nicht nach Japan reisen konnte, habe ich auf den Sevilla Marathon gesetzt“, wird Lamdassem auf der Website des Spanischen Leichtathletik-Verbandes (RFEA) zitiert.
Den zweiten Landesrekord des Tages knackte Maru Teferi, der seine eigene israelische Bestmarke, gelaufen vor zwei Jahren auf dieser Strecke, um 22 Sekunden auf eine Zeit von 2:06:58 Stunden steigerte. Der 29-jährige gebürtige Äthiopier führte ein beeindruckend starkes israelisches Team mit äthiopischen Wurzeln an, das sechs Monate vor dem EM-Marathon in München zu den Medaillenkandidaten in der Nationenwertung aufstieg. Girmaw Amare verfehlte seine bisherige Bestleistung um sieben Sekunden und wurde in 2:07:35 Stunden als nach wie vor zweitschnellster israelischer Marathonläufer Neunter vor seinem Landsmann Haimro Almaya, der eine gute halbe Minute über seiner Bestleistung blieb.
Neuerungen gibt es auch in der ewigen französischen Bestenliste: Hassan Chahdi steigerte sich um knapp eine Minute auf eine Zeit von 2:08:19 Stunden und ist nun die Nummer fünf Frankreichs. Es war der schnellste Marathon eines französischen Läufers seit zehn Jahren. Nicolas Navarro folgt ihm mit neuer persönlicher Bestleistung von 2:08:30 Stunden auf Rang sechs der ewigen französischen Bestenliste.
Bestleistung für Meucci, WM-Limit für Moen
Eine unpräzise Einschätzung, wozu Peter Herzog (Union Salzburg LA) ohne Probleme am Oberschenkel an diesem Tag zu leisten imstande gewesen wäre (siehe RunAustria-Bericht), bietet ein Vergleich der Leistungen jener Läufer an, mit denen der Salzburger in einer großen Gruppe gelaufen ist, die den Halbmarathon in einer Zeit von rund 1:04:40 Stunden überquert hat. Aus dieser Gruppe heraus lief etwa der ehemalige Europameister Daniele Meucci ein konstantes Tempo durch und blieb in einer Zeit von 2:09:25 Stunden erstmals unter 2:10 Stunden. Es ist Rang elf in der ewigen italienischen Bestenliste. „Der Wein, der älter wird, schmeckt immer besser“, wird der 36-Jährige auf der Website des Italienischen Leichtathletik-Verbandes (FIDAL) zitiert.
Der ebenfalls erfahrene Sondre NordstadMoen lief in der ersten Gruppe der Europäer, musste aber gleich anfangs der zweiten Marathon-Hälfte zurückstecken. Sein reduziertes Tempo brachte ihm aber das Minimalziel: EM- und WM-Limit in einer Zeit von 2:10:48 Stunden. Es war sein erster schneller Marathon seit dem London Marathon 2020, als er im strömenden Regen eine Zeit von 2:09:01 Stunden schaffte. Der Deutsche Konstantin Wedel steigerte sich auf eine Zeit von 2:13:02 Stunden und blieb damit deutlich unter der EM-Norm von 2:14:30 Stunden.
Sage und schreibe 19 Läufer blieben in Sevilla unter 2:10 Stunden, wer nicht unter 2:20 Stunden lief, hatte keine Chance auf einen Top-70-Platz. Rund 8.500 Läuferinnen und Läufer finishten den Sevilla Marathon 2022 insgesamt.
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