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Der amerikanische 800m-Star Athing Mu, Olympiasiegerin 2021 und Weltmeisterin in Eugene 2022, ist die große Abwesende im spannenden vermeintlichen Dreikampf um 800m-Gold in Paris 2024 gegen die amtierende Weltmeisterin Mary Moraa aus Kenia und Europameisterin Keely Hodgkinson aus Großbritannien, der nun als Duell ausgetragen wird. Mu kam bei den US-Olympic-Trials in Eugene zu Sturz und ist laut den traditionellen amerikanischen Regeln damit nicht für die Spiele qualifiziert. Abseits dieses großen Aufregers bestachen die diesjährigen Olympia-Vorausscheidungen mit hoher Qualität in den Laufdisziplinen und einigen Überraschungen.
Es hätte ihr großes Comeback sein sollen. Athing Mu kehrte für die US Olympic Trials 2024 am Hayward Field zurück auf die Wettkampfbühne, nachdem sie dieser im Jahr 2023 weitestgehend fern geblieben war und last-minute doch zu den Weltmeisterschaften nach Budapest angereist war, wo sie sich ein Jahr nach ihrem umjubelten WM-Titel am eben diesen Hayward Field die Bronzemedaille gewann. Medienberichte erzählten von einer motivierten 22-Jährigen, die zehn Monate nach ihrem letzten offiziellen Rennen im Vorlauf wieder Wettkampfluft schnupperte. Nach einigen muskulären Problemen im Frühjahr sah sie sich rechtzeitig für den ersten essentiellen Wettkampf der Saison wieder in guter Verfassung. Die Liebe zum Spitzensport hätte sie auch wieder entdeckt, schrieb etwa die britische Tageszeitung „The Guardian“.
Doch am Montagabend amerikanischer Zeit kam alles anders und Athing Mu muss sich jetzt mit einem gewaltigen Rückschlag auseinandersetzen. Ihr Sturz in der ersten Runde des 800m-Finals zeigt die Brutalität des Trial-Systems auf, welches in den USA große Tradition hat und die nationalen Meisterschaften besonders in Olympischen Jahren zum TV-Ereignis machen.
Die Top-Drei der Trials (im Falle der sportlichen Qualifikation laut Kriterien von World Athletics) qualifizieren sich für den internationalen Höhepunkt, ohne Wenn und Aber. Vorleistungen und realistische Chancen zählen nichts, nur diese singuläre Leistung. Es ist ein heißer Spannungspunkt, aber einer, der Opfer produziert. Nach Überqueren der Ziellinie als Neunte und Letzte brach die 22-Jährige in Tränen aus. Es ist der Albtraum-Moment für US-amerikanische Leichtathletinnen, diese sportlichen Tragödien gehören zur US-Leichtathletik-Historie wie die Triumphe. Ein Protest der Athletin von Starcoach Bob Kersee, die nun noch Restchancen auf eine Olympia-Nominierung für die 4x400m-Staffel hat, wurde abgelehnt, da das Wettkampfgericht einen normalen „Rennunfall“ sah und keinen Sturz, bei dem eine Kontrahentin die Schuld getragen hätte.
Keine im Feld konnte wohl die Gefühlswelt Athing Mus so gut nachvollziehen wie Nia Akins. Die 25-Jährige war vor drei Jahren bei den Trials gestürzt und qualifizierte sich nicht für die Spiele in Tokio. Dieses Mal stürmte Akins zu einer fantastischen persönlichen Bestleistung von 1:57,36 Minuten und wiederholte den US-Titel des Vorjahrs in Souveränität. „Es ist unfair. So ist der Sport. Verrückt und unvorhersehbar“, zeigte Akins Verständnis für Mu (vgl. Let’sRun.com).
Allie Wilson (1:58,32) und die 20-jährige Juliette Whittaker (1:48,45, persönliche Bestleistung) holten sich im Schatten Akins’ die weiteren Olympia-Tickets. Nicht dabei ist die achtplatzierte Kate Grace, die im Halbfinale für einen spektakulären Moment gesorgt hatte: Sie hechtete so vehement ins Ziel, dass sie links von der Innenbahn mit der Zeitnehmungstafel kollidierte. Der wagemutige Einsatz hatte sich zumindest für die erfolgreiche Final-Qualifikation ausgezahlt.
Mus Sturz war der Aufreger schlechthin der zehntägigen Olympic Trials in Eugene. Es gab auf den Laufdistanzen aber auch sportliche Aufreger, zum Beispiel den 800m-Lauf der Männer. Hallen-Weltmeister Bryce Hoppel, der überraschenderweise das Rennen in der ersten Hälfte schnell machte, stürmte mit einem fantastischen Schlussspurt zu einer deutlichen neuen persönlichen Bestleistung von 1:42,77 Minuten. Während der Triumph des 26-Jährigen keine Sensation war, überraschten Hoppels Trainingspartner Hobbs Kessler (1:43,64) und Brandon Miller (1:43,97) mit den Rängen zwei und drei in diesem historisch schnellen 800m-Endlauf bei Trials. Clayton Murphy, der die letzten beiden Trial-Rennen gewonnen hatte, lief eine Zeit von 1:44,80 Minuten und blieb als Siebter chancenlos. Hoppel ist nun der drittschnellste US-amerikanische 800m-Läufer der Geschichte und in Paris wohl im Kreis der Medaillenkandidaten anzusiedeln.
Unfassbar schnell war auch das 1.500m-Finale der Frauen, welches keine Charakteristiken eines Meisterschaftsrennen, sondern eher eines Zeitlaufs aufwies. Gleich acht Läuferinnen blieben unter vier Minuten. Nikki Hiltz siegte in einer Zeit von 3:55,33 Minuten, eine spektakuläre Verbesserung ihrer persönlichen Bestleistung um über vier Sekunden. Emily Mackey steigerte sich ebenfalls um fast vier Sekunden und wurde in 3:55,90 Minuten Zweite, einen Hauch später überquerte 3.000m-Hallen-Weltmeisterin Elle St. Pierre die Ziellinie. Sinclaire Johnson reichte eine Zeit von 3:56,75 Minuten nicht. Die 29-jährige St. Pierre wird damit ein Olympisches Doppel wagen, denn davor gewann sie das Trailrennen im 5.000m-Lauf in einer Trial-Rekordzeit von 14:40,34 Minuten mit einem Hauch Vorsprung auf Elise Cranny. Karissa Schweizer wurde, wie Tage später über die doppelte Distanz, Dritte.
Im 1.500m-Lauf der Männer erzielte Cole Hocker, Olympia-Sechster 2021 und WM-Siebter 2023, in einer Spitzenzeit von 3:30,59 Minuten einen neuen Trial-Rekord und verwies den favorisierten Yared Nuguse auf den zweiten Platz. Hobbs Kessler verdiente sich als Dritter sein erstes Olympia-Ticket, ehe er im 800m-Lauf ein zweites nachlegen sollte. Eine Zeit von 3:31,78 Minuten reichte Vincent Ciattei nicht zur Olympia-Qualifikation. Matt Centrowitz, Olympiasieger von 2016, verzichtete aufgrund einer Verletzung auf die Trials.
Nachdem Grant Fisher im Vorjahr die Qualifikation für die Weltmeisterschaften von Budapest verpasste, weil er aufgrund einer Verletzung nicht in bester Form in die Trials gehen musste, klappte in diesem Jahr für den WM-Vierten von 2022 und Olympia-Fünften von 2021 (beides im 10.000m-Lauf) alles nach Plan. Der 37-Jährige gewann sowohl den 10.000m- als auch den 5.000m-Lauf. Bei den Frauen holte Weini Kelati den Titel auf der längsten Bahndistanz. Zu Jahresbeginn hat die 27-Jährige, die seit drei Jahren in Besitz der US-Staatsbürgerschaft ist, den amerikanischen Halbmarathon-Rekord verbessert.
Angesichts der Tatsache, dass mit den Olympia-Medaillengewinnerinnen Emma Coburn (Rio 2016) und Courtney Frerichs (Tokio 2021) die beiden Topstars im 3.000m-Hindernislauf verletzungsbedingt fehlten, war kaum zu erwarten, dass dieser Event eine der Topleistungen der Trials produzieren würde. Valerie Constien, die bereits 2021 in Tokio als Zwölfte dabei war, stürmte zu einer Zeit von 9:03,22 Minuten und katapultierte sich mit der Steigerung der persönlichen Bestleistung um elf Sekunden auf Platz drei der US-Allzeit-Bestenliste hinter den beiden genannten. Auch Courntey Wayment, WM-Starterin in den letzten beiden Jahren, und Marissa Howard verdienten sich das Olympia-Ticket mit klaren Bestleistungen von 9:06,50 bzw. 9:07,14 Minuten. Howard war als völlige Außenseiterin angetreten, verbesserte ihren „Hausrekord“ aber gleich um 15 Sekunden.
Den 3.000m-Hindernislauf der Männer gewann Kenneth Rooks in einer Zeit von 8:21,92 Minuten vor Matthew Wilkinson und James Corrigan, der wenige Tage später in Philadelphia auch das Olympia-Limit erfüllte. Denn der Olympia-Qualifikationszeitraum endete am gestrigen Sonntag und dieser Fall zeigt die Tücken der Trials im Falle von Überraschungen. Damit verpasst der viertplatzierte Evan Jager die Spiele von Paris.
Corrigan hat mit seiner Steigerung auf eine Zeit von 8:13,87 Minuten übrigens die beste Leistung der Top-Drei der Trials, Rooks und Wilkinson sind jedoch über die Weltrangliste für die Olympischen Spiele qualifiziert (womit sie laut komplizierten System zwei der drei US-Fix-Tickets, die Hillary Bor und Anthony Rotich mit unterbotenen Limits herausgelaufen haben, übernehmen, Anm. d. Red.).
Neben den bereits angemerkten verletzungsbedingten Absenzen von Coburn und Frerichs konnten auch Joe Klecker und Alicia Monson aus physischen Gründen nicht an den Olympia-Vorausscheidungen teilnehmen und verpassen damit den Saison-Höhepunkt. Monson, die schnellste US-Amerikanerin im 5.000m- und 10.000m-Lauf, musste sich am Meniskus operieren lassen, wie „Runner’s World“ berichtete.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © OpenClipArtVector / Pixabay