Nur sieben Tage, nachdem Melat Kejeta und Samuel Fitwi beim Dubai Marathon das Olympia-Limit für Paris 2024 erfüllt haben (siehe RunAustria-Bericht), greifen beim Houston Marathon Deborah Schöneborn, Kristina Hendel und Hendrick Pfeiffer in den Kampf um die Olympia-Tickets des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ein. Bereits jetzt ist gesichert, dass Deutschland sowohl im Olympischen Marathon der Männer als auch der Frauen jeweils drei Startplätze zugesprochen bekommt. Der DLV hat sich entschieden, die Nominierungen bereits am Ende jener Frist auszusprechen, an der der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) die ersten mindestens 64 Startplätze laut Qualifikationssystem an die Verbände reservieren will – Ende Jänner. Daher ist der erste Monat des Jahres nun der Monat der deutschen Elite-Marathonläuferinnen und -läufer, reichlich untypisch, mitten im Winter. Als letzte wird Katharina Steinruck Ende Jänner noch den Osaka Women’s Marathon bestreiten.
Schöneborn und Hendel haben Hottenrotts Zeit im Blick
Für das Trio hängen die Trauben in Houston hoch, auch wenn am Sonntag die Marathon-Bedingungen in der texanischen Metropole gut sein sollen. Bei den Frauen haben Melat Kejeta (2:21:47, Dubai 2024) und Domenika Mayer (2:23:47, Berlin 2023) ihren Startplatz realistischerweise relativ sicher. Und auch die Hürde der drittschnellsten Qualifikationszeit von Laura Hottenrott (2:24:32, Valencia 2023) liegt hoch. Deborah Schöneborn müsste ihre beim Sevilla Marathon 2023 aufgestellte persönliche Bestleistung um 80 Sekunden steigern. „Ich weiß, was ich laufen muss. Und das Ziel ist es, in Houston mindestens Platz drei im Ranking zu erreichen“, will sich die 29-Jährige auf ihre eigene Leistung und nicht andere Konstellationen konzentrieren und gibt sich laut eines Berichts von Jörg Wenig auf der Website des DLV optimistisch. „Ich bin guter Dinge! Meine Form ist sehr gut, das hat auch eine Leistungsdiagnostik gezeigt. Ich habe viel investiert für diese Vorbereitung.“ Dafür verzichtete Schönborn auf ein Weihnachtsfest mit der Familie und trainierte anstatt dessen verletzungsfrei und ohne Erkrankungen in Kenia. „Ich hoffe, dass sich die ganzen Mühen auszahlen werden. Ich bin mächtig aufgeregt.“
Ganz so rund lief es in der Vorbereitung für Kristina Hendel nicht, da sie zuletzt eine Erkältung erwischte und daher Fragezeichen hinter einer Topform steht. Sie müsste für eine Olympia-Qualifikation ihre Bestleistung um drei Minuten steigern und vor Schöneborn ins Ziel kommen. Den Berlin Marathon im September brach sie vorzeitig ab.
Schwierige Mission für Pfeiffer
Im Rennen der Männer versucht Hendrick Pfeiffer das deutsche Ranking noch zu verändern. Nach der Überraschungsleistung von Fitwi letztes Wochenende ist die Richtzeit für ihn jene von Europameister Richard Ringer, 2:07:05 Stunden, aufgestellt beim Valencia Marathon. „Durch Dubai gibt es jetzt eine andere Situation. Es wäre schon eine echte Sensation, wenn ich noch den Sprung nach Paris schaffen würde – aber komplett ausschließen will ich es nicht“, wird der 30-Jährige auf der Website des DLV zitiert. Vor Fitwis Durchbruch hätte eine Zeit von unter 2:08:10 Stunden als Qualifikationsleistung gereicht, nun soll es eine Minute schneller sein.
Pfeiffer hatte zuletzt einen ordentlichen Wettkampfstress: In Berlin lief er einer persönlichen Bestzeit von 2:08:48 Stunden, eine Woche später begleitete er beim Köln Marathon seine Freundin in Unterstützungsfunktion, fünf Wochen später bestritt er den New York City Marathon mit Platz zwölf. Zuletzt startete er beim Silvesterlauf BOclassic, wo er als Sechster in einer Zeit von 29:24 Minuten über zehn Kilometer einen guten Eindruck hinterließ. „Ich habe in letzter Zeit gut trainiert und würde sagen, dass ich in besserer Form bin als vor Berlin. Es wird schwierig, aber ich freue mich sehr auf Houston. Wenn ich einen guten Tag habe und alles auf die Straße bringe, ist dort auch eine sehr gute Platzierung möglich“, so Pfeiffer.
Degefa strebt vierten Sieg an
Das liegt daran, dass der Deutsche in der nach Bestleistungen gereihten Liste die Nummer fünf des Rennens ist. Favorit auf den Sieg ist Tsedat Ayana aus Äthiopien, er ist der einzige im Feld mit einer Bestleistung unter 2:08 Stunden. Ayana verlor im Vergangenheit knapp gegen Dominic Ondoro aus Kenia, der in diesem Jahr wieder der stärkste Kontrahent Ayanas sein sollte. Bei den Frauen ist Ayanas Landsfrau Biruktayit Degefa die Favoritin, die den Marathon in Houston bereits dreimal gewinnen konnte. Immerhin sechs Läuferinnen haben eine Bestleistung unter 2:25 Stunden aufzuweisen. Spannung bringt das Marathon-Debüt der Kenianerin Vicoty Chepngeno, die als Halbmarathon-Siegerin 2022 den beeindruckenden Streckenrekord von 1:05:03 Stunden hält.
Das Olympia-Limit von 2:08:10 Stunden haben in Houston nicht nur die deutschen Läuferinnen und Läufer im Blick, sondern auch andere – zum Beispiel die kanadische Rekordhalterin Natasha Wodak, die 2023 nur einen Marathon bestritt. Sie wurde 15. bei den Weltmeisterschaften in Budapest, wo das Limit allerdings außer Reichweite war. Ihr nationaler Leistungsdruck ist geringer als bei Schöneborn und Hendel, bisher hat mit Malindi Elmore nur eine Kanadierin das Limit erzielt. Auch Leslie Sexton und Lanni Marchant sind im Elitefeld, die beiden Kanadierinnen haben aber geringere Chancen auf das Olympia-Limit als ihre routinierte Landsfrau.
Obiri Star im Halbmarathon
Das stärker besetzte Teilnehmerfeld hat beim Chevron Houston Marathon traditionell der Aramco Houston Halbmarathon, für viele amerikanische und auch internationale Top-Athletinnen und -Athleten ein Sprungbrett Richtung kommender Ziele. Im Halbmarathon der Frauen ist mit Hellen Obiri eine der besten Läuferin des Planeten am Start, sie hat im vergangenen Jahr als erste Läuferin seit über drei Jahrzehnten den Boston und New York City Marathon gewonnen. Mit Stephanie Twell, Calli Thackery und Rose Harvey sind auch drei starke Britinnen am Start. Bei den Männern wird das Feld vom äthiopischen Top-Duo Jemal Yimer und Milkesa Mengesha angeführt, beide sind in ihrer Karriere bereits unter 59 Minuten gelaufen.
Der kanadische Olympia-Silbermedaillengewinner im 5.000m-Lauf, Mohammed Ahmed hat sein geplantes Halbmarathon-Debüt kurzfristig abgesagt. Im Abschlusstraining erlitt er eine leichte Verletzung an der hinteren Oberschenkelmuskulatur. So sind die Augen der kanadischen Fans auf Rory Linkletter gerichtet, der seine Standortbestimmung für den Sevilla Marathon, wo er das Olympia-Limit knacken möchte, abliefert.
2024 ist der Halbmarathon in Houston für einige amerikanische Größen die Generalprobe für die drei Wochen später stattfindenden Olympia-Trials im Marathon. Altstar Galen Rupp, Sieger der Olympia-Vorausscheidung im Jahr 2020 und folglich Olympia-Achter 2021, testet seine Form. Außerdem interessiert aus amerikanischer Sicht besonders das Halbmarathon-Debüt von Weini Kelati, während Routinier Sara Hall kurzfristig absagte. Deutsche Teilnehmer im Halbmarathon sind Aaron Bienenfeld und Deborahs Zwillingsschwester Rabea Schöneborn.
Chevron Houston Marathon