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Mit seinen 13 Teilnahmen bei Crosslauf-Europameisterschaften, die ersten drei davon in der Altersklasse U23, ist Andreas Vojta (team2012.at) der erfahrenste Teilnehmer im gesamten Starterfeld von Turin 2022. In der Historie dieser Titelkämpfe können nur der ukrainische Neunfach-Europameister Serhiy Lebid, der als Teamleiter des ukrainischen Teams in Italien sein wird, und der ebenso nicht mehr aktive Italiener Gabriele De Nard mit 19 bzw. 17 Teilnahmen mehr Crosslauf-EM-Erfahrung nachweisen als der Gerasdorfer. Sein großer Erfahrungsschatz ist nur eine der Kompetenzen, die der 33-Jährige am Sonntag für eine gute Wettkampfleistung einsetzen möchte. „Dazu schnelle Beine und einen intelligenten Kopf. Letzteres könnte wichtiger sein als in den vergangenen Jahren, denn dieser längere, intensive Anstieg wird auf den letzten Runden sicherlich weh tun“, prophezeit Vojta. Daher sei die Einteilung der Energie speziell im zweiten und dritten Rennviertel entscheidend für ein gelingendes Abschneiden.
„Mein Ziel ist es, mich von Jahr zu Jahr zu verbessern. Letztes Jahr habe ich endlich eine Top-30-Platzierung geschafft und das würde ich heuer gerne noch einmal optimieren“, so Vojta. „Das ist eine große Herausforderung, die ich annehme. In erster Linie konzentriere ich mich auf mein Rennen und meine Leistung.“ Dass der wohl recht schwierige Rundkurs mit dem Anstieg hinauf zum Schloss Borgo Castello, durch dessen Schlossareal die Strecke genau am höchsten Punkt führt, ihm als hochgewachsenen Läufer nicht entgegenkommt und die reine Crosslauf-Form möglicherweise nicht ganz die Qualität des letzten Jahres hat, weil Vojta sich nicht auf den 10.000m-Lauf, sondern auf sein Marathon-Debüt als Hauptziel der nächsten Saison fokussiert, ist dem Routinier bewusst: „Aber ich fühle mich gut und habe in letzter Zeit einige positive spezifische Trainingseinheiten im Gelände, auch mit Höhenmetern, absolviert.“ Eine Platzierungsprognose sei bei der Crosslauf-EM ohnehin schwierig, weil im Zusammentreffen der kontinentalen Elite von mehreren Spezialdistanzen auf der Bahn oder auf der Straße einzelne Komponenten wie die Streckentopografie, die Beschaffenheit des Untergrunds, die Wetterbedingungen oder die Renntaktik gleich große Auswirkungen auf die Rangliste haben können.
Der amtierende Staatsmeister im Crosslauf, Sebastian Frey (DSG Wien), und Silbermedaillengewinner Marcel Tobler (ULC Riverside Mödling) starten in den Bewerb der Altersklasse U23. Frey hat im vergangenen Jahr, damals noch in der Altersklasse U20, mit Platz zwölf in Dublin für das beste Crosslauf-Ergebnis eines Österreichers seit den Zeiten von Günther Weidlinger gesorgt. Damals war sein Jahrgang der älteste in der U20, heuer ist er der jüngste in der U23. „In der Theorie mag das ein Nachteil sein, in der Praxis haben wir schon oft gesehen, dass Jüngere die Älteren besiegen“, beschwichtigt der 20-Jährige. Und sein Trainer Karl Sander, der Teil der ÖLV-Delegation für Turin ist, weist darauf hin, dass in diesem Alter längst die Anzahl der guten Trainingsjahre ausschlaggebender sind als das reine biologische Alter.
Frey blickt auf erfolgreiche Auftritte bei den Staatsmeisterschaften und in Tilburg, wo er vor Vojta ins Ziel gekommen ist, sowie auf gute Trainingswochen zurück: „Der Weg Richtung EM stimmt definitiv.“ Mit gesundem Selbstvertrauen hat er die Ambition, in der Spitzengruppe des Rennens mitzumischen und insbesondere bei den selektiven Streckenpassagen smart zu laufen. Einen Hauptaugenmerk legt er auf die Startphase, die bei Crosslauf-Europameisterschaften immer intensiv ist, durch die längere Startgerade dieses Mal vielleicht etwas weniger tückisch sein mag als vor einem Jahr. „Heuer will ich gleich dabei sein, wo die Musik spielt“, erinnert er daran, dass er in Dublin etwas zu passiv ins Rennen kam und in der zweiten Runde erst den Anschluss an die Besten herstellen musste. Als Vorteil sieht ÖLV-Sportkoordinator Hannes Gruber Freys große Fortschritte über 5.000m und vor allem über 10.000m im vergangenen Sommer an. Daher ist die Distanz von 8.000m am Sonntag eine, auf der sich der Athlet wohl fühlt. Frey freut sich auch auf die Streckencharakteristik: „Diese konnte ich hinter Schloss Schönbrunn bestens simulieren und auch die notwendigen Hügelläufe ins Training integrieren.“
Für Tobler ist die Distanz dagegen eine besondere Herausforderung, denn der bis vor kurzem längste Wettkampf war für den 21-Jährigen ein 5.000m-Lauf auf der Bahn. Doch der Mittelstreckenläufer (Staatsmeisterschaftssilber über 800m und 1.500m in diesem Jahr) zeigte bei den Crosslauf-Staatsmeisterschaften in Lorüns über die Distanz von fast 10.000m eine gute (Ausdauer-)Leistung. „Er hat fleißig und viel Grundlagentraining absolviert. Ich traue ihm eine Platzierung in der ersten Hälfte des Feldes auf jeden Fall zu“, schätzt Gruber.
Der Zeitplan der Crosslauf-Europameisterschaften 2022 im La Mandria Park in Turin
Nach Platz acht in der Nationenwertung im Vorjahr, als unter anderem die großen Nachbarn Deutschland und Italien hinter Österreich blieben, hofft das U20-Team auf einen ähnlichen Erfolg auch in der Hauptstadt der Region Piemont. Die Zeichen stehen gut, da sich das Quartett zuletzt nicht nur in guter Form zeigte, sondern auch einen klaren Leistungssprung über die gesamte Saison nachweisen kann. Angeführt wird das Quartett von Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA), der sich eine einstellige Platzierung in der Einzelwertung vornimmt. Seine optimistische Erwartungshaltung begründet er auch in einer guten Vorbereitung, in der es in den letzten Wochen steil bergauf ging. „Vor allem die spezifischen Crosslauf-Einheiten im Gelände geben mir ein sehr gutes Gefühl, am Sonntag ein gutes Ergebnis erzielen zu können“, erklärt der 18-jährige Oberösterreicher.
Sein Trainer Andreas Prem begleitet ihn auf Privatkosten zur EM, wofür sein Schützling ihm ein großes Dankeschön ausrichtet. Außerdem nutzte der Coach vor einigen Wochen einen Italien-Aufenthalt, um bei einem Abstecher auf das Veranstaltungsgelände im La Mandria Park Eindrücke zu gewinnen. Für Kamenschak wichtige Erkenntnisse in Form von Fotos und Videos in der unmittelbaren Vorbereitung. Als besondere Herausforderung gilt für den Mittelstreckenläufer, der im August als erster Österreicher überhaupt das Finale der Junioren-WM im 1.500m-Lauf erreicht hat, die Distanz von 6.000m. „Ich habe eine gute Basis antrainiert und deshalb traue ich mir zu, auch diese Distanz von Start bis ins Ziel gut laufen zu können. Natürlich fehlt mir bei dieser Wettkampflänge etwas die Wettkampfhärte, da haben einige internationale Kontrahenten einen leichten Vorteil gegenüber mir, weil sie von den längeren Bahndistanzen kommen. Aber meine Trainingsleistungen stimmen mich zuversichtlich.“ Auch Hannes Gruber traut ihm wie Frey eine Platzierung unter den besten Zehn Europas in der jeweiligen Altersklasse zu.
Kamenschak kann auch auf die Erfahrung des EM-Auftritts vor einem Jahr, als er als einer der Jüngsten im Feld auf Platz 24 ins Ziel kam, verweisen. Das Resultat des letzten Jahres ist ein Indikator dafür, wie außergewöhnlich gut besetzt die Entscheidung in der Altersklasse U20 ist. Die drei Medaillengewinner von 2021 – Junioren-Europameister Axel Vang Christensen aus Dänemark, der Norweger Abdullahi Dahir Rabi und Christensens Landsmann Joel Ibler Lillesö – sind allesamt in diesem Jahr noch in der Altersklasse U20 startberechtigt und auch gemeldet. Alle drei haben auf den längeren Bahndistanzen auch im vergangenen Sommer ihre Klasse nachgewiesen.
„Christensen ist auch heuer der haushohe Favorit“, ist Kamenschak überzeugt. Ein prominentes europäisches Lauftalent, mit dem der Oberösterreicher befreundet ist, fällt für Sonntag krankheitsbedingt als Kontrahent um vordere Positionen allerdings aus: der Holländer Niels Laros, der im Alter von 17 Jahren schnellere Zeiten aufweisen kann als Europas Nummer eins im Laufsport, Jakob Ingebrigtsen im selben Alter gelaufen ist. Der Norweger ist übrigens in Turin der haushohe Favorit auf den Crosslauf-EM-Titel der Allgemeinen Klasse.
Das ÖLV-Quartett im U20-Rennen komplettieren Emil Bezecny (Leichtathletik Akademie Eisenstadt), der in Dublin trotz eines Sturzes als 35. ins Ziel kam und damit als einer der Jüngsten im Feld auch eine tolle Leistung abgeliefert hat, Timo Hinterndorfer (DSG Wien) und Thomas Windischbauer (starlim racing team Wels). Eine ähnlich gute Platzierung wie im Vorjahr traut ÖLV-Sportkoordinator Gruber dem Team auch ohne den aus der Altersklasse U20 entwachsenen Sebastian Frey zu: „Kevin und Emil haben sich in den letzten zwölf Monaten massiv verbessert, daher sind von den beiden im Vergleich zu Dublin stärkere Leistungen zu erwarten. Und auch Timo Hinterndorfer hat im Herbst gezeigt, wie schnell er über zehn Kilometer auf der Straße unterwegs sein kann – auch seine Fortschritte sind sehr positiv.“ Wie Kamenschak kommt auch Bezecny in den Genuss der Begleitung durch seinen Vater und Trainer Andreas, der wie Prem als „personal coach“ privat nach Turin anreist.
Der junge Oberösterreicher Windischbauer, der aus dem Triathlon kommt und von Kamenschak-Coach Prem betreut wird, überzeugte bei den Staatsmeisterschaften in Lorüns als Sechster im Kurzstreckenrennen unmittelbar hinter Bezecny und Hinterndorfer und verdiente sich damit den EM-Start. Für die Nationenwertung fallen die besten drei Platzierungen pro Team in die Wertung, wobei die Platzierung eins zu eins in eine Punktewertung umgemünzt wird. Jene Nation mit der geringsten Punkteanzahl gewinnt die Goldmedaille.
Die bedauerliche Absage von Julia Mayer (DSG Wien), die vor drei Wochen im Montafon den Staatsmeistertitel gewonnen und sich sieben Tage später mit einem Spitzenergebnis beim Crosslauf in Tilburg weiteres Selbstvertrauen geholt hat, ist die ÖLV-Delegation inklusive der offiziellen Begleiter Hannes Gruber und Trainer Karl Sander eine rein männliche. Die 29-Jährige hätte nur allzu gerne an ihre tolle Leistung von den Crosslauf-Europameisterschaften 2019 in Lissabon (22. Platz) angeknüpft. Dafür ist bei diesen Titelkämpfen, bei denen Europas Laufelite von allen Laufdistanzen zwischen dem 800m-Lauf und dem Marathon aufeinandertrifft und sechs Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer pro Nation startberechtigt sind, eine körperliche Top-Verfassung notwendig. Diese sah Mayer aufgrund einer leichten Erkrankung letzte Woche, die ihr Training empfindlich beeinträchtigte, in der Kürze der Zeit nicht mehr erreichbar und entschied sich auch hinblicklich der anstehenden Vorbereitungen auf das Wettkampfjahr 2023, die diesjährige Crosslauf-EM auszulassen.
Die ÖLV-Sportkommission hat von allen Athletinnen und Athleten, die sich über ihre Wettkampfleistungen auf anderen Distanzen für die Crosslauf-EM qualifiziert hatten, einen aktuellen Leistungsnachweis entweder bei den Staatsmeisterschaften oder beim Warandecross in Tilburg gefordert, beides Crossläufe in der zweiten November-Hälfte. Als Nominierungsgrundlage für die EM in Turin galt eine auf Basis dieser Leistungen realistische Erwartungshaltung einer Platzierung in der vorderen Hälfte des Teilnehmerfeldes, außerdem lautete die Ambition, ein Team für die Altersklasse U20 mit vier Läufern zu bilden.
Das italienische Organisationsteam hat den Europäischen Leichtathletik-Verband (European Athletics) bei der Vergabe mit einem innovativen und modernen Konzept einer Durchführung der Crosslauf-EM in einem geschützten Naturgebiet in einer Metropolregion überzeugt. Hannes Gruber lobt die Event-Organisatoren für einer hervorragende Arbeit, auch in der Kommunikation mit den nationalen Verbänden, die sich mitunter auch auf der Detailebene als sehr zufriedenstellend äußerte.
Ausgetragen wird die Crosslauf-EM im Parco La Mandria, einer riesigen Grünanlage vor den Toren der norditalienischen Millionenstadt, die mit „realer Natur“ wirbt und sowohl Wildtieren als auch der regionalen Vegetation Heimat und Schutz bietet. Mit einer Fläche von rund 3.000 Hektar handelt es sich um den zweitgrößten geschlossenen Park Europas, der von einer rund 30 Kilometer langen Mauer umgeben ist. Im Schloss Borgo Castello logierte einst im 19. Jahrhundert Vittorio Emmanuele II., König von Sardinien-Piemont und später König von Italien. Die Passage durch das Schlossareal auf der 1.500m-Runde wird die spektakulärste der Strecke, der Hügel hinauf zum Schloss ist allerdings anspruchsvoll. „Ich bin überzeugt, dass das eine sehr stimmungsvolle und tolle Crosslauf-EM wird“, prophezeit Gruber.
Bereits zum vierten Mal ist der italienische Verband Gastgeber der jährlich am zweiten Dezember-Wochenende ausgetragenen Crosslauf-Europameisterschaften. Erstmals fanden die Titelkämpfe im Jahr 1998 bei unserem südlichen Nachbarn statt, als Günther Weidlinger in Ferrara als Vierter in der Allgemeinen Klasse nur um einen Hauch an einer Medaille vorbeigeschrammt ist. Es folgten die Ausgaben in San Giorgio su Legnano 2006 und jene in Chia auf Sardinien 2016. Die 28. Auflage der Crosslauf-Europameisterschaften von Turin hätte bereits im Jahr 2021 stattfinden sollen. Durch die Pandemie bedingte Verschiebung der Vorgänger-Ausgabe von Dublin von 2020 auf 2021 rückte sie um ein Jahr nach hinten.
Laut den Final Entries haben sich 555 Aktive (303 Läufer und 252 Läuferinnen) aus 40 Nationen für den letzten europäischen Meisterschaftshöhepunkt des Jahres qualifiziert und gemeldet. Alle sechs Titelverteidiger sind dabei, darunter auch die beiden Norweger Jakob Ingebrigtsen und Karoline Bjerkeli Grövdal (beide Allgemeine Klasse), die im selben Hotel einquartiert sind wie das österreichische Nationalteam, sowie die Titelverteidiger in den Altersklassen U20 (Axel Vang Christensen aus Dänemark) und U23 (Charles Hicks aus Großbritannien). Die hervorragende sportliche Besetzung ist ein wichtiger Reiz dieser Veranstaltung, darauf weist auch Gruber hin: „Man muss die Leistungen bei der Crosslauf-EM wirklich speziell bewerten und darf sie nicht mit anderen Disziplinen vergleichen. Denn hier trifft, egal in welcher Altersklasse, die Europaklasse – und oft sogar die Weltklasse – von allen Laufdisziplinen zwischen den Mittelstrecken und dem Marathon aufeinander.“