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Neue Events: Erfindet sich die Leichtathletik neu?

Grand Slam Track, Ultimative Championships, RunGP. Neue Events drängen in den Leichtathletik-Kalender. Erfindet sich die Sportart gerade neu?
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Hat die Leichtathletik ein Beliebtheitsproblem? Und wenn ja, welch drastische Maßnahmen führen zu einer Wende? Zwar gestaltet World Athletics unter der Führung von Sebastian Coe seit Jahren die Olympische Kernsportart in Schritten um. Doch im Jahr 2025 drängen neue Initiativen außerhalb des Verbandes in die Öffentlichkeit und verweisen auf finanzielle Tatkraft und TV-Verträge.

Die Präsentationsattraktivität der Leichtathletik ist ein viel diskutiertes Thema. Eines, dem sich die Leichtathletik-Welt bewusst ist, weshalb es Bestrebungen gibt, die Sportart besonders einem jüngeren Publikum attraktiv zu präsentieren. Vielen geht der Wandel anscheinend nicht schnell genug und sie sorgen sich um die Attraktivität der Olympischen Kernsportart.

Davon überzeugt, dass die Leichtathletik dringend ein Facelifting in ihrer Präsentation benötigt, ist Michael Johnson. Vor drei Jahrzehnten war er noch einer der Superstars der Szene. Viermal gewann er in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts WM-Gold im 400m-Sprint, zwei weitere WM-Goldmedaillen holte er im 200m-Sprint, dazu ein Staffel-Titel. Bei den Olympischen Spielen auf heimischem Terrain in Atlanta 1996 krönte er seine Karriere mit zwei Goldenen. Eine weitere folgte 2000 in Sydney über 400m, dazu das Staffel-Gold von Barcelona 1992. Sieben Jahre lang gewann Johnson alle 400m-Wettkämpfe, an denen er teilgenommen hat.

Grand Slam Track

Nun ist der Superstar von einst unzufrieden mit seiner Sportart: „Wir alle, Athleten, Manager, die den Sport gut kennen. Wir alle beschweren uns seit langem und wollen Veränderung. Hier ist sie!“ Seine Idee: der Grand Slam Track. Johnson bedient sich dem Vorbild aus dem Tennis, mit vier Premium-Meetings eine attraktive Meetingserie umzusetzen. Drei davon werden in den USA (Miami, Philadelphia, Los Angeles) über die Bühne gehen, das Auftaktmeeting in Kingston auf Jamaika. Einen europäischen Austragungsort in die Serie zu integrieren, misslang.

Seine Beweggründe schilderte Johnson in einem Interview mit der BBC im November. „Ich liebe diesen Sport. Aber ich habe erkannt, dass es nicht funktioniert, immer das gleiche zu tun und darauf zu hoffen, dass die Leute diesen Sport lieben.“ Finanziell vom Unternehmen Winners Alliance unterstützt, träumt er davon, die besten Sprinter*innen und Läufer*innen der Welt viermal pro Jahr zusammenzubringen, was sonst nur Olympische Spiele im Vier-Jahres-Rhythmus und Weltmeisterschaften im Zwei-Jahres-Rhythmus schaffen. Also Wettkämpfe, die „es jedem und jeder Wert sind, sie zu bestreiten.“

Der 57-Jährige konzentriert sich rein auf Bewerbe auf der Rundbahn und exkludiert alle technischen Bewerbe der Leichtathletik von seinem Konzept, wodurch er auch die Vielfalt der Olympischen Kernsportart massiv beschneidet. Er könne nur „Track“ retten, nicht „Track & Field“, so Johnson. Dem ehemaligen Supersprinter gelangen auch beachtliche TV-Verträge: Erst mit Peacock in den USA, dazu wird NBC Highlights von den Meetings senden. Dann mit Discovery, womit Leichtathletik-Fans in Europa und Asien die Meetingserie auf Eurosport verfolgen können.

RunUp-Lesetipp: Der Grand Slam Track

Lukrative Verträge

Mit eigenen Verträgen bindet Johnson Top-Athlet*innen, insbesondere aus Nordamerika, an die Grand Slam Track. Entsprechende finanzielle Angebote dienten als Hebel, die Preisgelder bei den vier Meetings sollen ziehen. Jeweils die Hälfte der Starterfelder soll aus „Gaststarter*innen“ bestehen. In Nordamerika fand die neue Serie Anklang, denn die US-Leichtathletik hat ein seit langem bekanntes Problem: Abseits des Diamond-League-Meetings in Eugene verfügt sie über fast keine Top-Meetings. Auch jene in den Metropolen Los Angeles oder New York boomen nicht gerade. Die wichtigsten Meetingserien der Welt, die Diamond League und auch die Top-Meetings der World Athletics Continental Tour Meeting, finden hauptsächlich in Europa statt, dazu noch einige in Asien und mittlerweile einzelne in Afrika.

Athlet*innen, die in den USA leben oder trainieren, sehen nun die Chance auf lukrative und prestigeträchtige Wettkampfmöglichkeiten, ohne lästige transkontinentale Reisen auf sich nehmen oder gar wochenlang in Europa residieren zu müssen. Die Auflistung der Läuferinnen und Läufer, die einen Vertrag mit Johnson eingegangen sind, ist prominent: Mit Cole Hocker, Josh Kerr und Yared Nuguse ist das komplette Olympia-Podest im 1.500m-Lauf am Start. Weitere Olympia-Medaillengewinner sind der Kanadier Marco Arop, die Australierin Jessica Hull und die Kenianerin Mary Moraa. Dazu kommt mit Agnes Ngetich die Weltrekordhalterin im 10km-Straßenlauf. Prominent sind auch die Sprints besetzt.

Die Fixteilnehmerinnen und -teilnehmer an dem Grand Slam Track

  • Mittelstrecken: Josh Kerr (GBR), Yared Nuguse (USA), Cole Hocker (USA), Marco Arop (CAN)
  • Mittelstrecken: Nikki Hiltz (USA), Jessica Hull (AUS), Mary Moraa (KEN), Diribe Welteji (ETH)
  • Langstrecken: Grant Fisher (USA), Ronald Kwemoi (KEN), Luis Grijalva (GUA), Hagos Gebrhiwet (ETH)
  • Langstrecken: Agnes Ngetich (KEN), Tsigie Gebreselama (ETH), Elise Cranny (USA), Nozomi Tanaka (JPN)

Europas Stars winken ab

Während die Stars aus Nordamerika und einige aus Afrika mit Begeisterung auf das Angebot eingingen, handelte sich der Grand Slam Track auch einige prominente Absagen ein. Jakob Ingebrigtsen zeigte wenig Interesse an Wettkämpfen auf der anderen Seite des „Großen Teichs“, obwohl der Norweger in den letzten Jahren sich regelmäßig in den USA auf die Saison vorbereitet hat. Sifan Hassan hat auch keinen Vertrag unterschrieben, da sie ihre Vorbereitung auf den London Marathon nicht für ein Meeting in der Karibik unterbrechen wollte. Öffentlich betonte sie aber, wie interessant die Preisgelder wären und ließ einen Einzelstart als Gaststarterin offen. Auch 800m-Star Keely Hodgkinson gab Johnson einen Korb, wie sie in kenianischen Medienberichten zitiert wird: „Es wird ein sehr stressiges Jahr für mich, daher habe ich nicht unterschrieben. Ich glaube, dass die Initiative von Johnson eine große Sache ist, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es das Richtige für mich ist. Vielleicht bin ich bei einem Meeting dabei.“

Johnson ließ sich zu einer Retourkutsche hinreißen und schrieb nach dem Hallen-Meeting „Keely Klassic“, das rund um die Engländerin kreiert wurde und unter ihrer verletzungsbedingten Absage litt, auf „X“: „Die Struktur des Sports funktioniert nicht, wenn man alles um einen Star herum aufbaut.“ Bei Grand Slam Track gebe es auch spannende Wettkämpfe, wenn ein verletzungsbedingter Ausfall zu beklagen wäre. Hodgkinson replizierte, Johnson habe das Projekt missinterpretiert: „Es ging nie einzig und allein um mich. Es ging um eine neue, attraktive Plattform für die britische Leichtathletik. Wir hatten drei britische Rekorde. Also denke ich, das Meeting war ein Erfolg.“

World Athletics bleibt ruhig

Dass die Leichtathletik sich in Fragen am Tennissport orientiert, ist nicht neu. Die Einführung der Weltrangliste ist ein Beispiel. Aber auch die Standardisierung der Meeting-Landschaft mit der Unterteilung in diverse gleichwertige Niveaus (Diamond League, Continental Tour Gold, Silber, Bronze und Challenger) erinnert sehr an den Turnierkalender der ATP und der WTA. Also auch bei World Athletics kursiert ein verwandter Innovationsgeist.

Sebastian Coe, der seit Beginn seiner Präsidentschaft, manchmal erfolgreich, manchmal weniger, stets bemüht versucht hat, das Produkt Leichtathletik zu verbessern, reagierte betont gelassen auf Johnsons Ankündigungen. Trotz der offensichtlichen Konkurrenzstellung des Grand Slam Track zur Diamond League, dem Premium-Meetingprodukt von World Athletics. Er freue sich über externe Investments, er habe nichts gegen neue Ideen auf dem freien Markt und freue sich prinzipiell über innovative, frische Ideen. Andererseits betont er gerne, wie erfolgreich die Saison 2024 für die internationale Leichtathletik gewesen sei. Der Grand Slam Track ist auch Teil des Global Calendars von World Athletics, die Leistungen werden also anerkannt – wobei sie aber in keiner Meetingkategorie aufscheinen und es daher keine Bonuspunkte für Weltranglisten gibt.

World Athletics Ultimate Championship

Die Gelassenheit des Briten ist möglicherweise auch dadurch erklärbar, dass ihm die Problematik des schweren Standes, den Leichtathletik-Meetings in den USA wenige Jahre vor den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles haben, bewusst und selbst ein Dorn im Auge ist. Ansonsten ist Coe in den letzten Jahren oft durch kompromissloser Entschlossenheit aufgefallen, etwa in der Russland-Frage oder bei Transgender-Regelungen.

Interessant ist, dass bei World Athletics offenbar eine ähnliche Idee gebar. Und die könnte sich nun parallel und in Konkurrenz zum Grand Slam Track entwickeln, nämlich das „World Athletics Ultimate Championship“. Dieser Event soll zweijährlich die besten Athlet*innen in fast allen leichtathletischen Disziplinen an einem Ort versammeln, zur Premiere 2026 in Budapest. „Drei Stunden, drei Nächte. Dies ist ein Event, designed für das Fernsehen“, so der 68-jährige, zweifache Olympiasieger im 1.500m-Lauf und aktueller Aspirant auf die Präsidentschaft beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC).

Farah lanciert die RunGPs

Seit neuem gibt es eine weitere Idee, die Global Running League und die RunGP. Dieses Mal den Straßenlauf und nicht die Meetingszene betreffend. Hinter dieser Initiative, über die das kanadische Leichtathletik-Magazin „Athletics Illustrated“ vor wenigen Tagen berichtete, stehen der US-amerikanische Unternehmen Marcel Münster und die britische Lauflegende Mo Farah. Die beiden stellen sich eine neue Straßenlaufserie vor, die an Motorsportserien wie die Formel 1 erinnern soll und auf Rennstrecken über die Bühne gehen soll. Der geplante Start ist am 9. und 10. Mai auf dem Lusail International Circuit im Katar, mit der Streamingplattform DAZN soll auch schon ein Vertrag unterzeichnet sein.

RunGP soll ein Teamevent sein, verschiedene Distanzen werden auf dem Rundkurs gelaufen. Angeboten sollen Kurzdistanzen als Gegenpol zu Marathon-, Halbmarathon- und 10km-Straßenläufen. Die Idee mutet durchaus abenteuerlich an, schließlich befinden sich Rennstrecken nicht selten außerhalb von urbanem Gebiet und konterkarieren damit eine Stärke des Straßenlaufs und der Marathonszene, nämlich das Laufen im Zentrum von Metropolen.

Spannend sind auch Aussagen von Mo Farah gegenüber „The Independent“: „Wenn ich mir die Leichtathletik anschaue, finde ich es nicht so spannend, wie es einmal war. Daher: Wie können wir sie aufregender machen? Wie können wir das Laufen aufregender machen? Wie können wir es in einer globalen Eventserie darstellen?“ Der Brite äußerte sich zudem als Fan von Johnsons Grand Slam Track. „Laufen ist der einfachste und zugänglichste Sport der Welt. Aber es fehlt eine kompetitive Eventstruktur. RunGP nutzt diese Nische für aufregende Events für Teilnehmer*innen und Zuschauer*innen.“

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Pexels / Pixabay

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