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Alea iacta est, die Würfel sind gefallen. Der Zuschlag für die Ausrichtung des München Marathon für das laufende und das nächste Jahr geht an die Laufstatt Event gGmbH. Die unerwartete Entscheidung ist das Ende eines temperamentvollen Zweikampfs zwischen dem langjährigen Veranstalter Gernot Weigl und die LG Stadtwerke. Beide gingen nun offiziell leer aus, womit die ein Vierteljahrhundert andauernde Tätigkeit Gernot Weigels als starker Mann und Hauptverantwortlicher hinter der bedeutendsten Laufveranstaltung in der bayerischen Landeshauptstadt endet. Weigl befindet sich seit Monaten im juristischen Angriffsmodus. Er klagt ein weiteres Mal und hofft, den Würfel noch einmal in Bewegung zu bringen. Und ihn noch umzudrehen.
Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München hat entschieden. Nach einer zehn Monate langen Prüfung – eine Ewigkeit, wenn ein Laufevent den Jahresrhythmus hat. Die Laufstatt Event gGmbH ist laut schriftlicher Zusage offiziell mit der Veranstaltung des München Marathon in den Jahren 2025 und 2026 beauftragt, wie bayerische Medien in den letzten Tagen berichteten.
Es ist nicht leicht, das Sprichwort „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“ nach den wochen- und monatelangen Querelen rund um den München Marathon, die in dieser überraschenden Ankündigungen münden, auszusparen. Beide Protagonisten eines wirksam in der Öffentlichkeit ausgetragenen Zwists schauen durch die Finger. Sowohl Renndirektor-Routinier Gernot Weigl als auch die LG Stadtwerke unter dem Vorsitz von Jacob Minah, die den Zuschlag vor einem knappen halben Jahr bereits sicher zu haben schienen. Wogegen Weigl vor Gericht angetreten ist.
„Wir sind sehr dankbar für das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, und freuen uns darauf, den Marathon in München weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es, mit einem durchdachten Konzept nicht nur Läufer*innen zu begeistern, sondern auch einen positiven Beitrag für die Stadt zu leisten“, wird Fabian Schär von der siegreichen dritten Partei, der Laufstatt Event gGmbH, in einer eigenen Presseaussendung zitiert.
Die „Süddeutsche Zeitung“ bewertet: „Für Außenstehende kommt diese Wendung überraschend!“ Wie die bayerische Laufzeitung erwähnt, habe der siegreiche Bewerber seine Bewerbung erst nach den Weihnachtsfeiertagen eingebracht und verfüge über keine Erfahrung in der Leichtathletik. Das sind durchaus interessante Inhalte, die Würze in diese Entscheidung der Behörde bringen. Offizielle und konkrete Gründe, warum der München Marathon als eine kontinuierlich wachsende, internationale Großveranstaltung eine neue Ausrichtung brauche, sind der Öffentlichkeit übrigens nicht bekannt.
Seit der Wiederbelebung im Jahr 2000 wird der München Marathon per Auftrag vom Kreisverwaltungsreferat, eine Verwaltungsbehörde der Stadt München, zweijährlich neu vergeben. Bis im vergangenen Jahr für Gernot Weigl jeweils ein Selbstläufer, der fast an eine Art Gewohnheitsrecht grenzt. Ohne öffentliche Förderung von der Stadt wohlgemerkt. Doch dieses Mal wollte ihn eine neue Initiative, die aus der Münchner Leichtathletik-Vereinsszene heraus entstammt, von der Bühne drängen. Mit einem Konzept, das eine kompakte Veranstaltung mit einem Halbmarathonkurs und eine erheblich reduzierte Verkehrsbelastung für die Stadt vorsah. Das Duell sorgte für chaotische Stimmungen rund um die Veranstaltung, die plötzlich einen neuen Profiteur hervorgebracht hat.
Die Laufstatt Event gGmbH wurde als gemeinnützige Gesellschaft spezifisch mit dem Ziel, den München Marathon durchzuführen, gegründet. In einer Pressemeldung stellt sie sich als dem Laufsport verschrieben vor, will diesen in München ganzjährig sichtbarer machen, den Kinder- und Jugendsport in bayerischen Vereinen fördern. Sie beruft sich auf das notwendige Know-How in diversen wichtigen Bereichen. Erfahrung in der Organisation von Laufevents hat sie per se keine.
Weigl wehrte sich bereits im Herbst mit rechtlichem Beistand gegen den Verlust jener Veranstaltung, die er zur Jahrtausendwende wiederbelebt hatte und die die Geschäftsgrundlage seiner München Marathon GmbH ist. Er tat das mit Gutachten und Klagen, aber auch mit Vorwürfen und leichter Diffamierung des Konkurrenzkonzepts der LG Stadtwerke. Er behalf sich auch mit der Einschätzung des Crowd-Science-Experten Marcel Altenburg, der die Durchführung des München Marathon auf einem Zwei-Runden-Kurs mit dem Veranstaltungszentrum im Englischen Garten als problematisch erachtete.
Weigl nutzte die Bühne der Austragung des Marathons im Oktober 2024 und sammelte mit der Petition „Rettet den München Marathon“ und ihrer rund 10.000 Signierungen Argumente für den Fortbestand seiner Verantwortlichkeit und seines Veranstaltungskonzepts. Es entstand offenbar ein Rückenwind und es gelang, dass das Kreisverwaltungsreferat das Konzept der LG Stadtwerke ausschloss. Dennoch ist Weigl „seine“ Veranstaltung nun abhanden gekommen. „Es ist wirklich ernüchternd – wir sind doch eine Marke gewesen“, wird er in der „SZ“ zitiert. Der München Marathon ist nichts weniger als das Lebenswerk des 71-Jährigen, der auch gute Beziehungen zum bayerischen Landesverband pflegt.
Minah empfand Weigls Vorgehen als Provokation. Nun steht er auf der gleichen Seite wie Weigl, auf der Verliererseite. Er nennt die Entscheidung in der „SZ“ einen „Schlag ins Gesicht aller Leichtathleten und Ehrenamtlichen, die sich Tag für Tag für den Sport einsetzen“. Die LG Stadtwerke hatten mit einem Zwei-Runden-Kurs irritiert und mit ihm eine perfekte Lösung für die geringe Einschränkung des Verkehrs und des öffentlichen Lebens in der Stadt angepriesen. Ziel des Teams rund um Minah war, mit der Durchführung des München Marathon auch den Verbund der elf Münchner Vereine, die die Leichtathletik-Gemeinschaft (LG) bilden und zu den erfolgreichsten Leichtathletik-Vereinen Deutschlands gehören, finanziell zu stärken. Nachdem deren Hauptsponsor, die Stadtwerke AG, angekündigt hatte, finanzielle Zuwendungen zu kürzen.
Die neuen Ausrichter haben von dieser riskanten Idee, eine derartig große Veranstaltung auf einen Halbmarathonkurs zusammenzupferchen, gleich Abstand genommen. Es wirkt rückblickend von außen so, als hätten sie den Kompromissbereich zwischen den beiden Rivalen gesucht. Mit der neuen Marathonstrecke versprechen sie eine größere Berücksichtigung der Innenstadt, zentral geht es um das Werksviertel, und den Erhalt der Streckenpassagen mit wichtigen Sehenswürdigkeiten sowie das Start-Ziel-Gelände im Olympiapark und den Englischen Garten. Trotzdem war das Verkehrskonzept einer der wichtigsten Punkte, die das Kreisverwaltungsreferat überzeugten. Die Behörde hatte laut „SZ“ schon vorab angekündigt, das Verkehrskonzept in der Evaluierung überbewerten zu wollen.
Weigl stößt sich laut „SZ“ daran, weil er nur geringfügige Unterschiede zu seinem Konzept sieht. Und er stößt sich daran, dass Schär mit seinem Co-Geschäftsführer Anton Martic und Laura Bauer zwei Mitstreitende auf seiner Seite weiß, die einst mit Weigl zusammengearbeitet haben. Bauer sogar als ehemalige Geschäftsführerin bei der München Marathon GmbH.
Zweifelsohne ist deren Wissen nun ein Pfeiler in der gewaltigen Herausforderung, binnen weniger Monate ein Laufevent auf die Beine zu stellen, das letztes Jahr knapp 28.000 Anmeldungen mit 120 unterschiedlichen Nationalitäten verzeichnet hat. Aktuell, so die Laufstatt Event gGmbH, werde unter Hochdruck an allen Kommunikationsmitteln inklusive der Erstellung einer Website gearbeitet, um in Kürze alle wichtigen Informationen zum Event zu veröffentlichen und die Anmeldung zu öffnen.
Minah beklagt, dass er sich nach der Gründung der Munich Athletics GmbH und das Versehen seines Konzepts mit frischen Ideen und weiteren Adaptionen seinem erklärten Ziel, den München Marathon zu übernehmen, bereits im sicheren Hafen wähnte. Schließlich hatte er laut „SZ“ auch schon eine mündliche Absichtserklärung von Seiten des Kreisverwaltungsreferats.
Mit der offiziellen Bekanntgabe sei er hingehalten geworden. Nun fürchtet er, auf einer mittleren fünfstelligen Summe, die er im Rechtskampf und zu ersten Vorbereitungen der Eventorganisation aus eigener Tasche investiert hat, sitzen zu bleiben, und kann sich laut „SZ“ nun eigene juristische Schritte vorstellen. Weigl kündigt an, auf jeden Fall vor das Bayerische Verwaltungsgericht zu gehen. Und hofft damit auf eine Wendung der Wendung. Vielleicht sind die Würfel in München doch noch nicht endgültig gefallen.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © Pixabay
Wichtige Quelle: Süddeutsche Zeitung