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Newcomerin vermasselt Reekie-Party – Hoppel siegt

Mit großen Hoffnungen zielte Jemma Reekie auf die Goldmedaille bei der Hallen-WM vor heimischem Publikum in Glasgow ab. Doch sie musste sich einer äthiopischen Newcomerin geschlagen geben.
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23 Jahre alt ist Tsige Duguma zwar bereits, als 800m-Läuferin ist sie erst seit dem letzten Jahr bekannt. Frühestens, denn im vergangenen Sommer gewann sie einen Wettkampf in unter zwei Minuten. Dass sie in der Lage sein würde, Hallen-Weltmeisterin zu werden und das auch noch in einem Frontrun über 800m, das wusste die Welt erst seit Samstag. Ihre Indoor-Saison war gut, sie gewann ihre beiden Wettkämpfe in Gent und Belgrad, fand aber keinen Startplatz bei den wichtigsten Meetings. Aber im Halbfinale von Glasgow haute sie einen Traumlauf in 1:58,35 Minuten raus und verunsicherte damit vielleicht auch die Lokalmatadorin Jemma Reekie etwas, die freilich in ihrem Halbfinallauf noch 0,07 Sekunden schneller lief. Das Duell für den Finallauf am Folgetag war definiert und die junge Äthiopierin legte vor, indem sie gleich an die Spitze ging. Die Taktik der Schottin war, ihr seitlich versetzt und vielleicht zu oft auf Bahn zwei laufend, zu folgen. Ein Plan, der nicht aufgehen sollte.

„Sie war einfach besser!“

So verlief das gesamte Rennen und als Duguma eingangs der letzten Runde noch einmal beschleunigt, hatte Reekie keine Antwort darauf. Die Schlussrunde in 27,91 Sekunden war zu überzeugend und führte am Ende eines Rennens, bei der der Mittelteil nicht in Vollgas absolviert wurde, zu einer Endzeit von 2:01,90 Minuten. „Das war ein hartes Rennen für mich. Ich habe versucht, vorne zu bleiben, um zu gewinnen. Aber ich war selbstsicher, dass ich die Goldmedaille holen kann, weil ich so hart trainiert habe“, sagte der Newcomer nach dem großen Durchbruch. Reekie, die von ihren Fans lautstark angefeuert wurde, blieb mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück: „Sie war einfach besser als ich heute. Ich bin nicht fehlerfrei gelaufen und habe sicher eine Lehre bekommen. Solche Rennen sind immer irgendwie schwer vorherzusehen. Aber das ist meine erste WM-Medaille in der Allgemeinen Klasse, also bin ich nicht zu enttäuscht.“

Ergebnis 800m-Lauf der Frauen, Hallen-WM 2024
Gold: Tsige Duguma (Äthiopien) 2:01,90 Minuten
Silber: Jemma Reekie (Großbritannien) 2:02,72 Minuten
Bronze: Noélie Yarigo (Benin) 2:03,15 Minuten

 
4. Vivian Kiprotich (Kenia) 2:03,76 Minuten
5. Habitam Alemu (Äthiopien) 2:03,89 Minuten
6. Halimah Nakaayi (Uganda) 2:05,53 Minuten
 
aus im Halbfinale (u.a.)
Lore Hoffmann (Schweiz) 2:00,06 Minuten *
Catriona Bisset (Australien) 2:00,13 Minuten
Eloisa Coiro (Italien) 2:00,13 Minuten
Audrey Werro (Schweiz) 2:00,16 Minuten **
Natoya Goule-Toppin (Jamaika) 2:01,41 Minuten
 
* neuer Schweizer Hallenrekord
** neue persönliche Bestleistung (Kurzbahn)

Historische Medaille für den Benin

Die Bronzemedaille ging überraschend an die in Frankreich lebende Noélie Yarigo, die im Alter von 38 Jahren ihre erste internationale Medaille gewann. Sie ist ein gewaltiger Erfolg für ihre Heimat Benin. Das kleine afrikanische Land war bis gestern noch nie in einem Final-Wettkampf bei Hallen-Weltmeisterschaften vertreten. Dass Yarigo dann noch die Kenianerin Vivian Kiprotich, die starke Äthiopierin Habitam Alemu und Hailmah Nakaayi in einem fast rein afrikanischen Finale hinter sich lassen konnte, ist eine große Geschichte.

Hoffmann mit Schweizer Rekord im Halbfinale

Starke Leistungen, die jedoch nicht von einem Finaleinzug belohnt wurden, zeigten die beiden Schweizerinnen im Halbfinale. Lore Hoffmann verbesserte den Schweizer Hallenrekord auf eine Zeit von 2:00,06 Minuten. Als Vierte des ersten Halbfinals fehlten ihr vier Zehntelsekunden auf den Finaleinzug. Wenige Minuten später lief auch ihre Landsfrau Audrey Werro eine persönliche Bestzeit von 2:00,16 Minuten. Bereits in den Vorläufen mussten die beiden US-Vertreterinnen Allie Wilson und Addison Wiley die Segel streichen, der 800m-Lauf der Frauen blieb somit die einzige Laufdisziplin in Glasgow, bei der die USA keine Medaille holte.

Hoppel nutzt die Chance

Der 800m-Lauf der Männer war in diesem Winter jener Bewerb, der, obwohl in der World Indoor Tour mit einer lukrativen Gesamtwertung versehen, die meisten Chancen für Außenseiter bot. Denn er präsentierte sich offen: Von den Top-Ten der letztjährigen Weltjahresbestenliste verzichteten unter anderem die beiden Kenianer Emmanuel Wanyonyi und Wycliffe Kinyamal sowie die beiden algerischen Topläufer Djamel Sedjati und Slimane Moula komplett auf die Hallensaison, Weltmeister Marco Arop lief nur sporadisch Wettkämpfe in Nordamerika. Und so war der Franzose Benjamin Robert der einzige im Finale von Glasgow, der 2023 in den Top-Ten der Weltjahresbestenliste stand. Denn sein Landsmann Yanis Meziane und der spanische Hallen-Europameister Adrian Ben, ebenfalls Top-Ten-Läufer 2023, hatten die Qualifikation für Glasgow nicht geschafft.

Es ging also darum, einzigartige Chancen zu nutzen. Und das tat Bryce Hoppel, der laut „Let’sRun.com“ in den letzten Monaten in Flagstaff trainierte. Der US-Amerikaner präsentierte sich in den Tagen von Glasgow als der stärkste 800m-Läufer und triumphierte folgerichtig im Finale mit einer Weltjahresbestleistung von 1:44,92 Minuten. „Unglaublich, dass ich so einen Moment nutzen konnte. Es wirkt unwirklich, Weltmeister zu sein. Ich könnte nicht dankbarer sein“, jubelte der neuen Hallen-Champ. Er ist nun der zweite US-Hallen-Weltmeister über 800m nach David Krummenacker vor 21 Jahren.

Ergebnis 800m-Lauf der Männer, Hallen-WM 2024
Gold: Bryce Hoppel (USA) 1:44,92 Minuten *
Silber: Andreas Kramer (Schweden) 1:45,27 Minuten **
Bronze: Eliott Crestan (Belgien) 1:45,32 Minuten

 
4. Catalin Tecuceanu (Italien) 1:46,39 Minuten
5. Marino Garcia (Spanien) 1:48,77 Minuten
dq Benjamin Robert (Frankreich)
 
aus im Halbfinale (u.a.)
Tshepiso Masalela (Botswana)
 
* neue Weltjahresbestleistung
** neue Saisonbestleistung

Zwei Jahre, nachdem er in Belgrad mit der Bronzemedaille erstmals internationales Edelmetall gewann, positionierte sich bei der Attacke von Eliott Crestan vor der drittletzten Kurve gegen den bis dato führenden Freiluft-Europameister Mariano Garcia bestens und zog im Windschatten des Belgiers in den letzten Umlauf. Dadurch, dass Garcia, der prinzipiell nach einer enttäuschenden 2023er-Saison wieder erstarkt zurückgekehrt ist, an Geschwindigkeit verlor, entstand im Rücken des Amerikaners eine kleine Lücke, die Andreas Kramer auf der Gegengerade zu schließen versuchte, die aber verhinderte, das endschnelle Leute wie Catalin Tecuceanu und Benjamin Robert, am Ende disqualifiziert, noch eine Chance auf die Medaillen hatten.

Medaillen-Premiere für Schweden und Belgien

Hoppel, der bereits einen pfeilschnellen Halbfinallauf zeitgleich mit Crestan gewonnen hatte, zog aus dem Windschatten seines belgischen Kontrahenten heraus und siegte vor dem Skandinavier, der ebenfalls noch an Crestan vorbeihuschte. Wenig überraschend aufgrund der Ausgangslage, zu der auch dazu gehörte, dass der mutmaßlich stärkste 800m-Läufer des Februars, Tshepiso Masalela bereits im Halbfinale scheiterte, nachdem die Formkurve zuletzt nach unten zeigte, bildeten drei sehr freundliche Gesichter das Siegerfoto. Kramer, vor sechs Jahren Zweiter der Europameisterschaften von Berlin, sagte zum größten Erfolg auf Weltniveau seiner bisherigen Karriere: „Ich fühlte mich gut. Vor zwei Wochen habe ich entschieden, die Hallen-WM zu laufen, weil ich mich so stark gefühlt habe. Ich glaube nicht, dass jemand erwartet hätte, dass ich diese Medaille gewinne.“ Mit einer Schlussrunde von 26,27 Sekunden toppte er sogar die Schlussrunde von Hoppel um 0,02 Sekunden, jene von Crestan um über eine halbe Sekunde. Der Schwede ist kein Vollprofi, sondern geht einem Job bei einer Bank in Göteborg nach. „Das war ein Traum, eine Hallen-WM-Medaille zu gewinnen. Ich bin überglücklich mit allem in diesem Winter, mit den Trainings und den Wettkämpfen“, ergänzte Crestan, der an einem historischen Tag für die belgische Leichtathletik mit Platz zwei im Medaillenspiegel die einzige nicht-goldene der vier belgischen Medaillen beisteuerte. Weder Schweden noch Belgien hatten jemals in dieser Disziplin eine Hallen-WM-Medaille gewonnen.

Hallen-Weltmeisterschaften 2024 in Glasgow

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