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„Olympia war das Ziel – das hab ich geschafft“

Nach dem Aus in der Hoffnungsrunde betont Raphael Pallitsch gegenüber RunUp.eu den Stolz, sein Ziel der Olympia-Teilnahme geschafft zu haben. Nun ist er viele Erfahrungen reicher.
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32 Stunden, nachdem er im Vorlauf den Aufstieg ins Halbfinale nicht geschafft hat, war Raphael Pallitsch in seinem Hoffnungslauf chancenlos auf die Halbfinal-Qualifikation über den neuen Umweg. Emotional und in der Bewertung überwiegt der sportlich erfolgreiche Weg für den Burgenländer. Der 34-Jährige verlässt Paris als Olympionike. Es sind die Früchte der harten Arbeit in den letzten Monaten und Jahren. Und die Belohnung für seinen Mut des Comebacks. In einem ausführlichen Telefonat mit RunUp.eu analysierte er Sportliches und gab Einblick in seine Gefühlswelt.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass Spitzenläufer in Zyklen denken. Daher liegt es auch in der Natur der Dinge, dass das erste August-Wochenende für Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) in all seinem Denken seit der Comeback-Entscheidung den Hauptfokus verdient hat. Tag für Tag, Einheit für Einheit, war sein Leben auf diesen Auftritt ausgerichtet. Der 34-Jährige hat es zu den Olympischen Spielen von Paris 2024 geschafft, als einziger männlicher österreichischer Läufer übrigens. Dank gewaltiger Leistungssprünge in den letzten Jahren, dank eines enormen Aufwands und dank einer intelligenten und erfolgreich gewählten Wettkampfplanung, die ihn in der Weltrangliste so weit nach vorne gespült hat, dass ein Antreten Seite an Seite mit den Stars wie Jakob Ingebrigtsen und all den anderen weltbesten Mittelstreckenläufern gesichert war.

Klares Aus in der Hoffnungsrunde

Den Traum von Olympia, Sehnsuchtsort eines jeden Sportlers, hat sich Raphael Pallitsch erfüllt. Der Zusatzwunsch vom Halbfinaleinzug ist in zwei Akten nicht geglückt. Nach dem Aus im Vorlauf am Freitagmittag war der Österreicher am Samstagabend im vollbesetzten Stade de France chancenlos. In einer Zeit von 3:39,32 Minuten blieb ein Top-Drei-Platz mit Position 13 von ebenso vielen Teilnehmern deutlich außer Reichweite. Gestandene Profis wie Mario Garcia aus Spanien, im Vorjahr WM-Vierter, und der Australier Stewart McSweyn, bereits viermal Sieger eines Diamond-League-Meetings, teilten sein Schicksal – sie überquerten unmittelbar vor dem Oggauer die Ziellinie.

Weshalb er bei seinem zweiten Auftritt, den ihm das neue Reglement ermöglichte, nicht an das Niveau des ersten und das Niveau diverser Wettkämpfe des bisherigen Jahres herankam, kann der Burgenländer nicht erklären. Er kann nur mutmaßen. Zum Beispiel, dass die trotz seines Alters geringe Wettkampferfahrung mit back-to-back-Rennen auf diesem intensiven internationalen Niveau, ein Nachteil gegenüber vielen Kontrahenten gewesen ist.

Ergebnis Hoffnungslauf 1, 1.500m der Männer
1. Cathal Doyle (Irland) 3:34,92 Minuten
2. Azzedine Habz (Frankreich) 3:35,10 Minuten
3. Ossama Meslek (Italien) 3:35,32 Minuten
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4. Tsehpo Tshitie (Südafrika) 3:35,35 Minuten
5. Kieran Lumb (Kanada) 3:35,76 Minuten
6. Jochem Vermeulen (Belgien) 3:36,14 Minuten
7. Luke McCann (Irland) 3:36,50 Minuten
8. Marius Probst (Deutschland) 3:36,54 Minuten

13. Raphael Pallitsch (Österreich) 3:39,32 Minuten

Mit dem „Who is Who“ des Laufsports per Du

Und er kann beschreiben: „Es hat sich vor dem Vorlauf eine echte Olympia-Anspannung aufgebaut. Die hat mein Gefühl eingefärbt, aber ich war voller Selbstbewusstsein. Ich wusste vorher, dass der Umgang mit der ganzen Atmosphäre hier im Olympischen Dorf und im Stadion nicht einfach sein würde. Insgesamt ist es mir gut gelungen, leider war mein taktisches Verhalten im Vorlauf nicht optimal. In meinen Entscheidungen lag zu wenig Entschlossenheit“, analysierte er den Vorlauf.

Olympische Spiele sind mindestens eine Stufe höher als alles andere. Dessen Bedeutung verstehen alle erst im vollen Ausmaß, nachdem sie es einmal erfahren haben. Dazu gehört ein Plausch mit Olympiasieger Jakob Ingebrigtsen auf der Fahrt ins Stadion, der überraschend gut über den Karrieregang des Österreichers Bescheid wusste. Der ohrenbetäubende Lärm im ausverkauften Stade de France. Und all die Begegnungen im Olympischen Dorf: Alleine in der Gesprächszeit mit RunUp.eu grüßte Pallitsch mehrere Olympia-Medaillengewinner und Größen des Laufsports.

Der Hoffnungslauf wartete unter anderen Voraussetzungen auf ihn: „Kaum war der Vorlauf vorbei, war diese Anspannung weg. Den Hoffnungslauf habe ich wie jeden anderen Wettkampf auch anvisiert. Ich war mental völlig klar, aber physisch nicht bereit. Bereits nach einer Runde waren meine Beine schwer.“ Trotz des äußerst schlechten Gefühls habe er bis zum Schluss durchgezogen und ein Niveau abgerufen, das er sich nicht schlecht reden lassen möchte, betonte Pallitsch. Unter dem Strich bleibt: „Die Olympia-Teilnahme war das große Ziel. Das habe ich geschafft!“

RunUp-Lesetipp: Der Bericht des 1.500m-Vorlaufs

Emotionen eines ganzen Jahres

Es war ein bedeutendes Ziel, das sich unmittelbar nach dem zweiten Auftritt auch in den Emotionen äußerte. So etwa im ORF-Interview, als er unter Tränen daran erinnerte, vor Jahren die Entscheidung getroffen zu haben, alles aufzugeben und noch einmal in den Leistungssport zurückzukehren. An diesem Tag endete sein persönlicher Zyklus und viele Eindrücke summierten sich zum Schmelztiegel der emotionalen Regungen. Das Positive sollte bald die Überhand gewinnen. Gegen die Feststellung, keine Ausnahmeleistungen auf die Pariser Laufbahn bekommen zu haben.

Es ist der richtige Zeitpunkt, um den großen Rahmen über den Moment zu setzen. Von der überraschenden WM-Qualifikation 2023 in Budapest weg erklomm Pallitsch in allen Bereichen seinen Trainingsalltags ein neues Niveau. Es führte zur zweimaligen Verbesserung des ÖLV-Rekords und zu drei Leistungen im 3:33er-Zeitbereich – drei Sekunden schneller als die Bestzeit vor Saisonbeginn. Es waren gelungene Monate, wenn auch nicht makellose, wie der 34-Jährige schilderte. Nach einem exzellenten Einstieg in die Hallensaison durchkreuzte eine Erkältung den Plan, ein zweites gutes Winterergebnis für die Weltrangliste anzuschreiben. So entstand ein großer Druck, jeden Wettkampf gut laufen zu müssen. Das gelang, inklusive dem sportlichen Höhepunkt: Platz sechs bei den Europameisterschaften von Rom, mit all den damit verbundenen Emotionen.

„Nach Paris bin ich alleine gekommen“

Zwischen Hallen- und Freiluftsaison arbeitete Pallitsch im Trainingslager in Südafrika an sich, unmittelbar nach der EM begann die Vorbereitung auf Olympia inklusive des wochenlangen Aufenthalts in St. Moritz. Eine leichte Verletzung, die eine kurze Rückkehr nach Wien zur Folge hatte, störte. Dennoch war der Österreicher mit Vorbereitung und Form zufrieden. Aber: „Es waren extrem intensive Woche. Ich hatte ,Tausende‘ Aufgaben rund herum, enorm viel zu organisieren. Ich habe die Zeit, die dafür da war, gut genutzt, um mich in Form zu bringen. Was vielleicht im Stress etwas auf der Strecke geblieben ist, ist die mentale Vorbereitung darauf, was mich in Paris rund die Wettkämpfe erwarten würde.“ Das ist auch das Los des Einzelkämpfers, der klar sagt – und in der Aussage den Vergleich mit internationalen Mitstreitern inkludiert: „Hier in Paris hat mich der Verband sehr gut unterstützt. Aber hierher gekommen bin ich alleine!“

Ein Alltag am Limit

Selbst organisierte Trainingslager, Reisen und Termine – der Kalender war vollgepackt. Weswegen Pallitsch öfters sagte, ein solches Programm könne er nicht noch einmal fahren. Was auch mit den hohen Qualifikationsanforderungen für die Spiele zu tun hatte. Der Druck auf den Sportler, sich schnell weit verbessern zu müssen, hatte Auswirkungen. Die Natur des Sportlers, sich an die Grenzen heranzukämpfen, ein neues Niveau zu etablieren, sich wieder an die Grenzen heranzukämpfen, ein neues Niveau zu etablieren und so weiter – Pallitsch hielt diese Zyklen kurz, um seinen Traum von Olympia erfüllen zu können.

Nun steht er mit all seinen Emotionen und seinem großen Stolz auch vor der Erkenntnis: „Was das Sportliche betrifft, war ich zwar dabei. Aber ich stehe bei Null.“ Er habe sämtliche Förderungen gezielt ins Training investiert, um Paris 2024 zu erreichen. „Ich bin physisch hohes Risiko gegangen. Für mich war es ein Erfolg. Aber ich weiß, dass ich das nicht noch einmal auf diese Weise machen kann!“ Über Paris 2024 hinausgedacht, hat Pallitsch nicht konkret. Auch das ist Teil der Natur des Spitzensports.

Wenn die Weltklasse läuft

Das Geschäft im 1.500m-Lauf ist ein hartes, das internationale Niveau auch im Vergleich der leichtathletischen Disziplinen nachweislich enorm hoch, die Anforderungen an der Disziplin mit hohen Anstrengungen im Sportleralltag verbunden. Pallitsch wies in den letzten Tagen vielfach darauf hin, auch im Gespräch mit RunUp.eu.

Es ist nur gerecht, dass dieser Fakt Teil der Leistungsbeurteilung ist. Pallitsch: „Wenn ich mir das Feld hier anschaue, wäre eine Halbfinal-Qualifikation bei optimalem Verlauf sicher möglich gewesen. Was man hier liefern muss, um ins Finale zu kommen – da braucht man schon ein enorm hohes Niveau!“

Gleichzeitig spüre er, dass er physisch noch einige Schritte gehen könnte. Von seinem angereicherten Wissen könnte nicht nur er selbst profitieren, sondern bald auch einige der österreichischen Lauftalente. Etwa die jungen 800m-Läufer Elias Lachkovics (SVS Leichtathletik) und Katharina Stöger (Union Salzburg), die unter Pallitsch trainieren – entsprechende Ausbildungen hat der Burgenländer, der jahrelang auch als Lehrer arbeitete, in den Jahren nach dem Ende seiner ersten Karriere absolviert.

Siegertipp: Josh Kerr

Konkretere Gedanken will er sich in den nächsten Tagen und Wochen machen. Davor genießt er das Olympische Flair in der französischen Hauptstadt, auch wenn er selbst nicht mehr aktiver Teil des Wettkampfprogramms ist. Morgen Abend ist er ein Sportfan, wenn seine leistungsstärksten Kontrahenten im Olympischen Finale des 1.500m-Laufs antreten – einem der Highlights der Spiele.

Müsste er einen Tipp abgehen, würde er Josh Kerr auf den ersten Platz setzen. „Sein Schritt in Vor- und Halbfinallauf war extrem locker, dafür wie schnell gelaufen wurde“, begründete er die Erwartung eines Überholmanövers des Schotten gegen Jakob Ingebrigtsen auf der Zielgerade. Würde sein Herz entscheiden dürfen, wäre ihm ein amerikanischer Sieg recht.

Die spannendste Frage, die sich stellt, teilt er mit fast allen internationalen Beobachtern: Nämlich, wie im Detail genau Ingebrigtsen Kerrs finalen Kick ausstechen will. Am Dienstag um 20:50 Uhr plus knapp dreieinhalb Minuten wird es die Laufwelt erfahren.

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Olaf Brockmann

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