Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger (ÖTB OÖ LA), 400m-Sprinterin Susanne Gogl-Walli (TGW Zehnkampf Union), Sprinter Markus Fuchs (Union St. Pölten), 400m-Hürdenläuferin Lena Pressler (Union St. Pölten), Speerwerferin Victoria Hudson (SVS Leichtathletik), Marathonläuferin Julia Mayer (DSG Wien) und 1.500m-Läufer Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) – das ist, Stand jetzt, das rot-weiß-rote WM-Aufgebot für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2023 vom 19. bis 27. August in Budapest laut der gestern erfolgten Nominierungen durch die Sportkommission des Österreichischen Leichtathletik-Verbandes (ÖLV). Während Weißhaidinger, Gogl-Walli und Hudson das Direkt-Limit schafften (Weißhaidinger und Hudson sogar in den Top-Ten der Road to Budapest), rutschten Fuchs, Pressler, Mayer und Pallitsch über die Weltrangliste in die Teilnehmerfelder. World Athletics setzt die Direktlimits so scharf an, dass als Zielwert die Hälfte der WM-Starterfelder pro Disziplin sich über Limits und Wildcards qualifiziert, die andere Hälfte über die Weltranglistenpunkte, wobei sich die Wertungen pro Disziplinengruppe etwas unterscheidet.
Dank ÖLV-Rekord beim VCM sicher im WM-Feld
Im Marathonlauf der Frauen gehen 100 Athletinnen an den Start. Julia Mayer unterbot das Direktlimit von 2:28:00 Stunden zwar nicht. Aber ihr Lauf zum ÖLV-Rekord von 2:30:42 Stunden beim Vienna City Marathon inklusive der 45 Bonuspunkte für den Gewinn der Staatsmeisterschaften brachte sie in eine so gute Position in der Weltrangliste, dass eine Qualifikation auch ohne Absagen gesichert war. Als zweites Resultat fiel der Einladungshalbmarathon ihres Ausrüsters und Sponsors ASICS im April 2022 in die Wertung, als sie in Malaga in einer Zeit von 1:11:13 Stunden ebenfalls einen nationalen Rekord aufgestellt hatte. Selbst ohne Bonuspunkte im zweiten Fall erreichte die 30-Jährige einen Durchschnittsscore von 1.138 Punkten, der nach der Bestätigung der Meldungen durch die einzelnen Verbände Rang 65 in der „Road to Budapest“ ergab. In der Weltrangliste liegt Mayer auf Platz 296, der große Unterschied ergibt sich dadurch, dass alleine 106 Äthiopierinnen und 65 Kenianerinnen in der Weltrangliste besser liegen als Österreichs Nummer eins, doch auch diese Nationen bei der WM – exklusive der Wildcard für die Titelverteidigerin – nur drei Startplätze haben.
Neben den beiden ostafrikanischen Laufhochburgen haben die nationale Verbände von Japan, Bahrain, der USA, Uganda, China, Spanien, Marokko, Ecuador, Kanada, Australien, Peru, Israel, Mexiko, Brasilien und Portugal drei Startplätze gebucht, insgesamt werden anstatt der 100 Starterinnen maximal 98 Läuferinnen dabei sein. Bei Weltmeisterschaften ist es nicht unüblich, dass etliche Athletinnen absagen – auch hinblicklich des Qualifikationsdrucks Richtung der Olympischen Spiele 2024 mit den Herbstmarathons als besserer Möglichkeit, wichtige Punkte für die Road to Paris zu erreichen, verständlich. So wird etwa einzig Melat Kejeta die deutschen Farben im WM-Marathon von Budapest vertreten, wenngleich gleich sechs andere deutsche Athletinnen das Direktlimit geschafft hätten. 53 der 98 Läuferinnen, und damit ungefähr die angepeilten 50% der WM-Teilnehmerinnen im Marathon, haben ihre Qualifikation durch Erbringung des Direktlimits oder der Wildcard für Titelverteidigerin Gotytom Gebreslase erlangt.
Pallitsch bleibt in den Top-56 der Road to Budapest
Während im Marathon zwei Resultate im Qualifikationszeitraum, davon maximal eine Zubringerleistung aus zum Beispiel dem Halbmarathon, die Qualifikationsanforderungen über die Weltrangliste ergeben, sind dafür im 1.500m-Lauf der Männer fünf Leistungen über diese Distanz oder die Meile bzw. dem 2.000m-Lauf notwendig, wobei maximal zwei Leistungen aus der Hallensaison stammen dürfen, was im übrigen seltsamerweise sowohl für Hallen- als auch Freiluft-Titelkämpfe gilt, was für Raphael Pallitsch im Winter ein Nachteil war, da er noch neu in dieser Disziplin ist.
Im Kampf um einen der 56 vorgesehenen Startplätze bei der WM war für den 33-Jährigen das Direktlimit von 3:34,20 Minuten außer Reichweite, er konzentrierte sich von Beginn an auf das Sammeln von wichtigen Punkten bei den richtigen Wettkämpfen. Die Zitterpartie endete mit einem Erfolgserlebnis, Rang 53 unter 56 Startern, wobei Titelverteidiger Jake Wightman mit seiner Wildcard noch wegfallen wird, da er verletzungsbedingt nicht rechtzeitig für die WM fit wird. „Ein Weg – ein erreichtes Ziel“, schrieb Pallitsch auf seiner Facebook-Seite, „viele richtige Entscheidungen, viele gute Freunde und Unterstützer. Ein bisschen Pech, viel Glück. Harte Arbeit, Mut, Entbehrungen…“
Er erzielte einen Durchschnittsscore von 1.200 Punkten. Zweimal halfen ihm die Bonuspunkte von 100 Zählen und zwar beim Gewinn der Staatsmeisterschaften und der Balkanmeisterschaften 2023. Die besten beiden Scores erzielte der Burgenländer im Winter mit seiner Leistung bei der Indoor-Meile in Ostrava und beim Hallenmeeting in Belgrad, wo er jeweils in internationalen Feldern in die Top-Drei lief. Als viertbeste Leistung fiel seine persönliche Freiluft-Bestleistung von 3:38,16 Minuten beim Meeting in Budapest Anfang Juni in die Wertung.
Pallitsch als Profiteur der Weltrangliste
41 der 56 Startplätze gingen über das Direktlimit weg, damit deutlich mehr als die von World Athletics bei der Definition der Limits vorgesehenen 50%. Deshalb wurde das Qualifikationszeit von Pallitsch zu einer Zitterpartie, denn auch Position 53 ist in Wahrheit noch knapper als die statistische Zahl es ausgibt. Denn hinter Pallitsch liegen in der Road to Budapest die Kontinentalmeister aus Asien, der Inder Ajay Kumar Saroj, und aus Südamerika, Diego Javier Lacamoire aus Argentinien, die beide durch diesen Erfolg eine Wildcard haben. Das bedeutet, der Österreicher hat nach hinten nur einen Puffer, nämlich den Finnen Joonas Rinne mit 1.196 Punkten und den Italiener Joao Bussotti Neves, der als drittbester Athlet seines Landes für Wightman nachrutschen könnte. Am vergangenen, letzten Qualifikationswochenende brauchte der Burgenländer daher auch ein bisschen Glück. Hätte Rinne bei den finnischen Meisterschaften Richtung seiner besten Zeiten von 3:37 Minuten laufen können, hätte er mit den 100 Bonuspunkten für den nationalen Meistertitel noch an Pallitsch vorbeiziehen können. Drei der fünf Leistungen Rinnes im Qualifikationszeitraum sind mit schnelleren Zeiten als die Bestleistung von Pallitsch verbunden. Dasselbe gilt für Bussotti-Neves, der über eine Bestleistung verfügt, die um zweieinhalb Sekunden besser ist als jene des Österreichers. Doch bei den italienischen Meisterschaften entwickelte sich kein schnelles 1.500m-Finale, außerdem wurde der 30-Jährige nur Vierter. Dagegen überholten Kieran Lumb aus Kanada und Filip Sasinek aus Tschechien Pallitsch im letzten Augenblick genau deswegen, weil sie ihren nationalen Titelgewinn mit einer schnellen Zeit (3:37,24 bzw. 3:38,71) kombinieren konnten und dadurch viele Punkte sammelten.
Pallitsch musste auch deshalb noch zittern, weil am letzten Qualifikationstag im luxemburgischen Schifflange ein 1.500m-Lauf auf dem Programm stand, mit dem Ziel einer schnellen Zeit für eine Verbesserung in der Weltrangliste. Im Teilnehmerfeld befanden sich auch Rob Napolitano aus Puerto Rico und Abu Mayanja aus Uganda, die mit 1.192 bzw. 1.191 Punkten in der Road to Budapest direkt hinter Bussotti-Neves liegen. Keiner der beiden konnte dort die notwendige Superleistung realisieren. Der Fall von Mayanja zeigt im Direktvergleich mit Pallitsch, wie wichtig es für Athleten aus einem kleineren Leichtathletik-Land ist, die richtigen Wettkämpfe zu bestreiten (siehe Auflistung unten).
Die fünf Qualifikationsleistungen von Raphael Pallitsch und Abu Mayanja im Vergleich
Raphael Pallitsch (1.200 Punkte, WM-Teilnehmer)
- 2.2.2023, Platz zwei bei der Czech Indoor Gala *, 3:57,22 Minuten (Meile) plus 80 Bonuspunkte
- 15.2.2023, Platz drei beim Indoor-Meeting in Belgrad *, 3:41,01 Minuten plus 70 Bonuspunkte
- 9.7.2023, Platz eins bei den ÖLV-Staatsmeisterschaften, 3:40,74 Minuten plus 100 Bonuspunkte
- 8.6.2023, Platz eins beim Meeting in Budapest **, 3:38,16 Minuten plus 60 Bonuspunkte
- 22.7.2023, Platz eins bei den Balkanmeisterschaften, 3:43,74 Minuten plus 100 Bonuspunkte
Abu Mayanja (1.191 Punkte, (vorerst) nicht qualifiziert)
- 18.6.2023, Platz zwei beim Meeting in Posen *, 3:34,51 Minuten plus 80 Bonuspunkte
- 1.7.2023, Platz drei beim Meeting in Troyes ***, 3:36,21 Minuten plus 30 Bonuspunkte
- 24.6.2023, Platz eins beim Meeting in Carquefou ***, 3:35,95 Minuten plus 25 Bonuspunkte
- 16.6.2023, Platz zwei beim Meeting in Straßburg ***, 3:36,91 Minuten plus 21 Bonuspunkte
- 17.7.2023, Platz neun beim Meeting in Marseille **, 3:36,52 Minuten, keine Bonuspunkte
* Meeting der World Athletics Continental Tour / World Indoor Tour Silber
** Meeting der World Athletics Continental Tour Bronze
*** nationales Meeting
Nationale Verbände müssen Startplätze bestätigen
Bis 5. August könnten noch einige Startplätze frei werden, denn nach einem organisatorischen Fiasko bei den Weltmeisterschaften von Oregon hat der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) die Regeln geändert und alle nationalen Verbände müssen binnen einer Woche nach Beendigung des Qualifikationszeitraums die WM-Teilnehmer bestätigen – ansonsten verfallen Startplätze bzw. gehen an die Athletinnen und Athleten, die in der Weltrangliste auf den nächsten Plätzen liegen. Drei ÖLV-Athletinnen und -Athleten, davon keine aus dem Laufbereich, haben noch Hoffnungen, davon profitieren zu können.
Road to Budapest
Österreichischer Leichtathletik-Verband