Digitale Technik ist heutzutage allgegenwärtig. Wir lassen uns von so genannten Gadgets bereitwillig durch Arbeit, Training und Freizeit führen. Wie es sich anfühlt plötzlich praktisch ahnungslos, also gänzlich ohne technische Hilfsmittel, zu trainieren, habe ich neulich getestet. Prädikat: sehr empfehlenswert!
Als Kind der 90er Jahre bin ich mit digitalen Tools groß geworden. Ich erinnere mich noch gut daran, dass meine Klassenkollegen Nachmittage lang auf dem Sofa saßen und ganz verrückt nach den ersten Gameboys und Playstations waren. Und jedes Jahr kamen neue, noch coolere Tools auf den Markt. Schon damals konnte ich mich für technischen Schnickschnack nicht begeistern und noch heute ist es für mich völlig unverständlich wie man Spaß daran haben kann alles zu „vertechnisieren“.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen, ich liebe Technik! Ich kann Schaltkreise berechnen und Programmieren, wenn es sein muss sogar ein Getriebe konstruieren – aber in meiner Freizeit? Nein, da will ich mich nicht auch noch von 1en und 0en bestimmen lassen! Da spüre ich die Grenzen der Physik lieber mit Leib und Seele als auf einem Computerbildschirm oder Uhrendisplay.
Manchmal komme ich mir mit meiner Einstellung schon ein bisschen „retro“ vor – aber so bin ich nun mal und zum Glück auch nicht ganz alleine. Ob es nun daran liegt, dass ich ganz in der Nähe des Olympiazentrums Rif wohne oder doch daran, dass ich bereits den ein oder anderen Tag bei Laufveranstaltungen verbracht habe – ich darf einige sehr erfolgreiche Sportler zu meinen Freunden und Verwandten zählen: Staatsmeister, Landesmeister, Olympia- und Weltcupteilnehmer. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Das einzige technische Equipment, das sie zum Trainieren verwenden, ist eine schlichte Laufuhr. Keine hochentwickelten Apps, keine komplexen Pulsmessgeräte und schon gar kein technisches Tool, das den Laufstil analysiert und/oder (unqualifizierte) Trainingsempfehlungen abgibt. Ich denke, das liegt daran, dass sie wissen was sie tun. Sich selbst, ihre Grenzen und Trainingsbereiche kennen und im Laufe der Jahre gelernt haben darauf zu vertrauen, dass ihnen ihr Körper die richtigen Signale gibt. Und was mir am allerbesten gefällt, keiner von ihnen hat das Bedürfnis mit seinen Leistungen in den sozialen Medien hausieren zu gehen. Sie wissen, was sie können und posten nicht jeden noch so kleinen Trainigserfolg in den sozialen Medien in der Hoffnung, möglichst viele Likes und Bewunderung zu kassieren.
Das ist ja auch eines dieser Phänomene der heutigen Zeit. Wir haben das Gefühl nur dann etwas geleistet zu haben, wenn wir am Ende des Tages dafür gelobt werden. Sei es von unserer Laufuhr, die uns sagt „Sie haben Ihr Tagesziel erreicht“ oder von unseren „Freunden“ in den sozialen Medien, die unsere online publizierten Trainingsaufzeichungen mit einem fetten „Gefällt mir“ und anerkennenden Worten zur Kenntnis nehmen. Wann haben wir eigentlich verlernt, dass wir für uns selbst Sport betreiben? Für unseren Körper, für unser Wohlbefinden? Ich muss gestehen, manchmal ertappe sogar ich mich selbst dabei eher auf meine Uhr als auf meinen Körper hören zu wollen …
Moderne Laufuhren haben diese mir unsympathische Funktion, ein Aktivitätsprotokoll zu führen – ein Tool, auf das die Menschheit nicht angewiesen ist, uns aber in unserem Tun maßgeblich beeinflusst. Auch mich manchmal, das gebe ich zu. Die Uhr gibt vor, ob wir uns heute schon genug bewegt haben und in welcher Intensität wir heute noch Sport treiben sollen, um unser Tagesziel zu erreichen. Eine gute Idee für Couchpotatos, für die der Weg zum nächsten Supermarkt schon zu weit ist und für jeden noch so kurzen Weg ins Auto steigen. Vielleicht werden einige so tatsächlich zu mehr Bewegung motiviert. Für Bewegungsjunkies wie mich ist dieses Tool aber der pure Stress. Nicht nur, dass ich in regelmäßigen Abständen das Bedürfnis habe, mein bisheriges Aktivitätsmaximum erneut zu überbieten und von 350% auf 400%, vielleicht sogar auf 450% zu steigern. Der Aktivitätstracker wirkt auf derart absurde Weise ein, dass man das Gefühl hat nicht trainieren gehen zu können, wenn der Akku der Uhr einmal nicht aufgeladen ist. Nicht, weil man während des Trainings dann nicht weiß wie schnell oder wie weit man unterwegs ist. Nein! Weil die Uhr die Trainingsaktivität nämlich nicht trackt. Damit fehlt quasi der Beweis eines gelungenen Trainings. Wir vertrauen technischen Geräten mehr als uns selbst.
Vor einigen Monaten habe ich ein Experiment gewagt. Der Akku meiner Laufuhr war wieder einmal leer, just in dem Moment, als ich an jenem Morgen zum Training aufbrechen wollte. Nun hatte ich die Wahl: die Einheit verschieben, die Uhr aufzuladen und mein Training zu tracken oder die Uhr zu Hause zu lassen, loszulaufen und auf mein Gefühl zu hören. Letztlich entschied ich mich für zweiteres und wurde mit einem völlig neuen Lauferlebnis überrascht.
Wie so viele Menschen heutzutage, bin ich im alltäglichen Dauerstress. Mein Leben ist von 05:30 bis 21:00 Uhr strikt durchgeplant und lässt nur wenig Spielraum für Variationen im Tagesplan. Ich liebe diesen Lebensstil. Aber manchmal würde ich mir wünschen etwas mehr Zeit für die Dinge zu haben, die ein gelungenes Training neben dem Abspulen der Kilometer ausmachen. Das langsame Einlaufen, Gymnastik vor der Einheit, ein entspanntes Auslaufen. Wenn die Zeit begrenzt ist, fallen diese so essentiellen Dinge, die ein gutes Training ausmachen, oft weg. Außerdem drücken sie den Kilometer-Schnitt – und das gefällt dem Ehrgeiz gar nicht gut …
An jenem Tag habe ich mich ganz langsam in meinen Lauf fallen lassen. Schließlich hatte ich ja keine Uhr dabei, die mir von Beginn an eingetrichtert hat: schneller! Ich bin einfach gelaufen – so wie ich mich gefühlt habe. Erst sehr langsam, es war ja noch zeitig in der Früh und meine Muskeln noch müde. Dann immer flotter und lockerer. Ich merkte wie befreiend es sich anfühlte. Ohne das regelmäßige Piepsen am Handgelenk, wenn wieder ein Kilometer in der gewünschten Zielzeit erledigt war. Als ich schon gut in meinen Rhythmus gefunden hatte, blieb ich an einer Parkbank stehen und nutzte sie als Trainingsgerät. Baute Liegestütz, Sit-ups und andere Kräftigungsübungen in mein Training ein, bevor ich locker aber zügig weiter lief. Als ich das Gefühl hatte, mich angenehm angestrengt zu haben, drosselte ich mein Tempo und joggte gemütlich nach Hause.
An diesem Tag zeigte meine Uhr einen Aktivitätslevel von Null Prozent an. Ich selbst wusste es besser. Ich habe den Morgen mit einem entspannten Lauf inklusive Kräftigung begonnen, bin mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, war in der Mittagspause mit unserem Hund spazieren und habe auf dem Heimweg mit dem Fahrrad noch einen Abstecher zu meinem Pferd in den Stall gemacht. Ich war müde, als ich am Abend nach Hause kam. Müde und zufrieden. Auf meiner Uhr ist dieser Tag als unproduktiv notiert. Aber die hat ja keine Ahnung …
Autorin: Marie Stelzhammer
Bilder: ©SIP
#Mehr Artikel
Training | Equipment | Ernährung | Gesundheit
Vorteile durch Laufen – kurzfristige Effekte
In unserer vierteiligen RunUp-Serie schildern wir dir, worauf du dich als Läufer/in freuen darfst. Teil zwei: kurzfristige Effekte.
Vorteile durch Laufen – sofortige Effekte
In unserer vierteiligen RunUp-Serie schildern wir dir, worauf du dich als Läufer/in freuen darfst. Teil eins: sofortige Effekte.
Neujahrsvorsatz: Ich werde Läufer/in
Du möchtest ins Laufen einsteigen? Du hast dir vorgenommen, regelmäßig die Laufschuhe zu schnüren? Etwas Gutes für dich und deine Gesundheit zu tun? Gratuliere, du hast absolut richtig gewählt. Schön, dass deine Motivation so hoch ist, diese symbolische Verpflichtung auch tatsächlich einzulösen. Auf geht’s ins Laufjahr 2021!
Den Pulsschlag im Blick
Beim Großteil der Freizeitläuferinnen und Freizeitläufer sitzt der Trainer heutzutage am Handgelenk und liefert präzise Daten für die Analyse. Vor allem mit der Auswertung der Herzfrequenz lässt sich das Training präzise regulieren. Doch das subjektive Gefühl soll der Pulsmesser nie überstimmen.
Gestärkter Rumpf, besseres Laufen
Planst du regelmäßig Kräftigungsübungen in dein Lauftraining ein, verbesserst du nicht nur deinen Trainingseffekt sondern du hebst auch dein Laufen auf ein neues Level.
WarmUp & CoolDown
Zu einer gelungenen Laufrunde gehört nicht nur die Laufeinheit selbst, sondern ein kurzes, gezieltes WarmUp- und CoolDown-Programm. In wenigen Minuten schaffst du es mit einigen Übungen deinen Organismus gut für die anstehende sportliche Betätigung vorzubereiten und nach dem Laufen mit ausklingender Aktivierung eine gute Regeneration von der Anstrengung auf Schiene zu bringen.
Gut gerüstet gegen die Kälte
Es gibt keinen Grund, deine regelmäßigen Laufaktivitäten zu unterbrechen, weil es draußen kalt ist. Deine Laufrunde im Winter ist auch keine lästige Pflicht, sie macht genauso viel Spaß und ist genauso effektiv wie in den anderen Jahreszeiten.
Drei Trainingstipps für den Alltag
Zeit ist Geld. Und häufig genau so knapp. Regelmäßiges Lauftraining erfordert nicht selten eine penible und durchdachte Organisation, um Beruf, Familie und alltägliche Pflichten gemeinsam mit dem Sport unter einen Hut zu bekommen. Daher kann es vorkommen, dass sich das Zeitfenster für Lauftraining nicht weit genug öffnet und der ausgereifte Plan B zum Einsatz kommt.
Natürlich. Laufen. Training. Einfach.
Der Weg ist das Ziel? Nicht nur. Aber jede Läuferin und jeder Läufer fängt bei Kilometer 1 an, um auf neuen Pfaden zu wandeln. Schon mit der Umsetzung ganz einfacher Tipps steigern Sie auf natürliche Art und Weise die Effizienz auf jedem Meter.
Laufen baut psychischen Stress ab
Es ist ein November in düsterer Stimmung. Eine Pandemie diktiert unser gesellschaftliches Leben. Sie ruft Angstgefühle hervor oder bedroht auf anderen Wegen unser mentales Wohlbefinden. Laufen war noch nie eine bessere Empfehlung, zu mentaler Entspannung zu kommen und Stress zu vertreiben.
„Eine Frage der Notwendigkeit!“
Die Definition „natürlich laufen“ gestaltet sich bei Profiläufern nach anderen Kriterien als bei uns Freizeitsportlern. Im RunUp-Interview gibt Peter Herzog Einblick in seinen Trainingsalltag, in dem viel „Unnatürliches“ natürlicher Bestandteil seines Läuferlebens geworden ist.
Physische Aktivität gegen psychische Belastungen
Auch wenn ihre Befürchtungen die Nachrichtenlage aktuell nicht dominieren: Weltweit warnen Psychologen vor den schwerwiegenden Folgen der gesellschaftlichen Einschränkungen zur Eindämmung des Sars-Cov-2-Virus für die mentale Gesundheit der Menschen.
„Bewegung ist keine verlorene Zeit“
Die WHO empfiehlt Kindern eine Stunde moderate bis stark körperliche Bewegung pro Tag. Das sei das empfohlene Mindestmaß, hält der Salzburger Kinder- und Sportarzt Dr. Holger Förster fest und untermalt, dass österreichische Kinder und Jugendliche diesen Richtwert spätestens ab dem Volksschulalter weit verfehlen. Außerdem erklärt er im RunUp-Kurzinterview, worauf es bei Bewegung in jungen Jahren besonders ankommt und warum sie wichtig für einen nachhaltig gesunden Lebensstil ist.
9 Tipps um ausreichend zu trinken
Mit unseren 9 Tipps fällt Ihnen das ausreichende Trinken nicht mehr schwer.
Effektiv schlanker
Abzunehmen und dem Wunschgewicht näher zu kommen, ist eine der Top-Motivationen, regelmäßig die Laufschuhe zu schnüren. Intensive Intervalleinheiten bilden laut neuesten Erkenntnissen den effizientesten Weg.
Ich bin Läuferin – Ich bin Läufer
Jede Läuferin und jeder Läufer wird von einem Motiv angetrieben. Manche Motive sind klassisch, effizient und gesundheitsfördernd, andere aussagekräftig, emotional und lebensverändernd. Zwei Salzburger Laufbegeisterte erzählen von ihrem persönlichen inneren Antrieb.
„Ich laufe für mein Gehirn“
Mit ihrem Buch „Beweg dich und dein Gehirn sagt danke“ legt Dr. Manuela Macedonia, Leitende Wissenschaftlerin an der JKU Linz, ein überzeugendes Plädoyer für regelmäßige moderate körperliche Aktivität für die geistige Gesundheit hin. Im RunUp-Interview spricht die Neurowissenschaftlerin über die positiven Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn.
Mehr Wirkung, mehr Spaß
Erhöhen Erkenntnisse der Trainingswissenschaft die Wirkung auf unser Laufen? Vermutlich Ja. Aber bringt das auch mehr Spaß in unser Tun? Mit unseren Anregungen geben wir Ihnen den einen oder anderen Impuls.
Neues Körpergefühl auf Rezept
Warum müssen wir Medikamente einnehmen, warum Pillen oder Tropfen schlucken, wenn es zum Gesundwerden eine viel angenehmere und verträglichere Therapieform gibt? Bewegung und sportliche Aktivität stehen bei Medizinern ganz oben auf der Liste der Empfehlungen.
Spieglein, Spieglein an der Wand…
Laufen fürs gute Aussehen ist vor allem bei Frauen voll im Trend. Warum die Vorstellung vom Traumkörper nicht nur motiviert, sondern auch hemmen kann.