„Ich finde es spannend, nach so vielen Jahren etwas Neues und vielleicht Überraschendes zu erleben und darauf freue ich mich“, kündigt Andreas Vojta (team2012.at) nach seiner Ankunft in der belgischen Hauptstadt an. Für konkrete Erwartungen an diesem Wettkampf, an dem exakt 60 Minuten lang auf der Rundbahn des Koning Boudewijn Stadions von Brüssel, eine der Leichtathletik-Hochburgen des Kontinenten, gelaufen werden und die Distanz registriert, fehlen ihm Erfahrungswerte. „Klar, die Distanz kenne ich vom Halbmarathon. Aber es ist etwas Spezielles so lange Zeit im Stadion zu laufen. Es ist aber ein tolles Stadion“, so Vojta.
Kandie setzt Schwerpunkt auf den 10.000m-Lauf
Dass der Wettkampf eintönig wird, darüber macht sich der 33-Jährige keine Sorgen: „Man unterschätzt oft die Fokussierung. Meistens vergeht so ein Wettkampf viel schneller als man meinen würde. Das Drumherum hilft dabei natürlich.“ Das Starterfeld ist zurzeit nur zehn Mann stark und deren Leistungsfähigkeit variiert enorm. Vojta hofft, eine Zeitlang zumindest in einer kleinen Gruppe mitlaufen zu können. An der Spitze werden die Kenianer rund um den ehemaligen Weltrekordhalter Kibiwott Kandie ein anderes Tempo vorlegen. Der 26-Jährige hat zuletzt mit einer interessanten Ankündigung überrascht: Er fokussiert sich vorerst auf die Bahn. Kandie hatte bisher hauptsächlich im Halbmarathon überzeugt, sein Marathon-Debüt in New York 2021 gelang nicht nach Wunsch. Daraus scheint er nun seine Erkenntnisse gezogen zu haben. Die WM 2023 im 10.000m-Lauf sei nun sein nächstes großes Ziel, wie er der kenianischen Tageszeitung „The Star“ sagte: „Paul Tergat hat mich als Idol immer ermuntert, auf der Bahn zu laufen. Ich werde mich ordentlich hineinknien bis zur WM in Budapest“, so der Dritte der Commonwealth Games, der als kenianischer Meister nicht an den Weltmeisterschaften von Eugene teilnehmen durfte, weil er das WM-Limit nicht erbracht hatte. Die Höhe Nairobis bei den Trials erwies sich als klarer Nachteil. „Die Leistungen 2022 waren Beweis genug für mich, dass ich auf der Bahn einiges erreichen kann.“
Kleines Feld, große Unterschiede
Dass die Leistungsunterschiede kein homogenes Rennen befürchten lassen, quittiert Vojta mit einem Grinsen: „Im Gegensatz zu München habe ich dieses Mal Überrundungen eingeplant.“ Die EM-Enttäuschung hat der Niederösterreicher mittlerweile hinter sich gelassen, die Ratlosigkeit ob des Einbruchs damals ist nach wie vor aktuell. „Mein Körper hat mir keine Signale gegeben. Sicherlich habe ich seither keine Wettkampfbelastung mehr gehabt, aber ich fühle mich gut und gehe morgen ganz normal ins Rennen.“
Ankündigung eines Weltrekordangriffs
Die Äthiopierin Werkuha Getachew, die bei den Weltmeisterschaften zu einer überragenden Silbermedaille in einer Zeit von 8:54,61 Minuten gelaufen ist, hat für den 3.000m-Hindernislauf der Frauen eine Attacke auf den Weltrekord angekündigt, womit dieser Bewerb eines der Highlights des Abends beim traditionsreichen Memorial Van Damme werden könnte. Die 26-jährige amtierende Afrikameisterin ist allerdings in der Hauptrolle neuer Diskussionen um hyperandrogene Athletinnen im Laufsport.
Sie trifft in Abwesenheit der Weltmeisterin Norah Jeruto, die in letzter Zeit die Szene dominiert hat, auf ein leistungsstarkes Feld, in dem eine Reihe von ehemaligen und aktuellen Medaillengewinnerinnen bei internationalen Großevents am Start sind: so zum Beispiel die beiden Amerikanerinnen Emma Coburn und Courtney Frerichs, Europameisterin Luiza Gega, deren Stellvertreterin Lea Meyer sowie die ehemalige Weltmeisterin Beatrice Chepkoech. Die 31-jährige Kenianerin, die in den letzten beiden Jahren fast nur Enttäuschungen erlebt hat, kehrt nach fast vier monatiger Wettkampfpause zurück auf die Wettkampfbühne und feiert ihr Saisondebüt in ihrer Spezialdistanz auf internationalem Parkett. Zu den Kandidatinnen auf vordere Plätze gehören in Brüssel natürlich auch Winfred Yavi, die nach dem vierten Platz bei den Weltmeisterschaften eine Rechnung offen haben dürfte, sowie die drei Landsleute Getachews: Zerfe Wondemagegn, Sembo Almayew und Mekides Abebe, die in Eugene WM-Bronze gewonnen hat, sowie die kenianische Junioren-Weltmeisterin Faith Cherotich.
Nach vier von fünf Qualifikationswettkämpfen hat nur Yavi ihren Startplatz beim Diamond-League-Finale in Zürich sicher, Meyer liegt mit ihren vier Punkten vom fünften Platz in Stockholm gerade noch im aktuellen Finalfeld. Die in Brüssel abwesende Schweizerin Chiara Scherrer hat gute Chancen, dass ihre zehn Punkte für eine Teilnahme in Zürich auch ohne etwaige Wildcard reichen werden.
Offenes Feld über 5.000m
Offen ist das Feld über die längste Laufdistanz des Abends, dem 5.000m-Lauf. Ein halbes Dutzend Teilnehmer kommt mindestens für eine Stockerlplatzierung, wenn nicht den Sieg in Frage. Favorisiert sind bei einem gepacten Rennen die beiden Kenianer Nicholas Kipkorir, Weltjahresschnellster, und Jacob Krop, Vize-Weltmeister hinter Jacob Ingebrigtsen. Der dritte starke Kenianer im Feld ist Stanley Waithaka, in Eugene Silbermedaillengewinner im 10.000m-Lauf. Äthiopien und Uganda haben mit Yomif Kejelcha und WM-Bronzemedaillengewinner Oscar Chelimo je einen prominenten Läufer im Rennen. Dazu kommen der US-Amerikaner Grant Fisher, bei der WM knapp nicht unter den Medaillengewinnern, sowie sein Landsmann William Kincaid, der wieder erstarkte Australier Stewart McSweyn, Thierry Ndikumwenayo aus Burundi, der zuletzt in Monaco überraschend den 3.000m-Lauf mit Weltjahresbestleistung gewonnen hat, und der in der Schweiz lebende und für das Athlete Refugee Team startende Dominic Lobalu, der in Stockholm bereits einen Diamond-League-Sieg über 3.000m geschafft hat. Es kündigt sich demnach ein spannendes und voraussichtlich auch richtig schnelles Rennen an.
Muir gegen Welteji auf der Mittelstrecke
Im 1.500m-Lauf der Frauen winkt ein spannendes Duell zwischen Europameisterin und Commonwealth-Champion Laura Muir sowie Diribe Welteji, die auf beiden Mittelstrecken in ähnlich guter Verfassung ist wie die Britin. Zuletzt gewann die 20-jährige Äthiopierin in einer überzeugenden Zeit von 3:56,91 Minuten den 1.500m-Lauf beim Diamond-League-Meeting in Schlesien. Bei Muir wird die Frage sein, wie sehr sie nach einem intensiven Wettkampfsommer mit ihren Kräften schon gen Ende marschiert und die Antwort darauf wird entscheidend sein, ob die Britin den Wettkampf gewinnen kann.
Obwohl diese beiden Läuferinnen das Feld anführen, verspricht das Rennen ein spannendes zu sein. Denn etliche Läuferinnen waren zuletzt in guter Form: Ayal Dagnachew aus Äthiopien, die Irin Ciara Mageean, die hinter Muir EM- und Commonwealth-Games-Silber holte, sowie ein Trio aus den USA mit Sinclaire Johnson, Heather MacLean und Cory Ann McGee. Dazu kommt das australische Duo Jessica Hull und Georgia Griffith, das zuletzt aber etwas wetterwendisch agierte.
Medaillenflut im 800m-Starterfeld
Im 800m-Lauf der Männer, dem chronologisch letzten Bewerb des Abends, sind alle großen Meisterschaftsgewinner des Sommers am Start: Weltmeister Emmanuel Korir, Commonwealth Champion Wyclife Kinyamal sowie Europameister Mariano Garcia. Dazu kommen noch EM-Silbermedaillengewinner und 1.500m-Weltmeister Jake Wightman sowie die beiden weiteren WM-Medaillengewinner Djamel Sedjati und Marco Arop. Spannender kann ein 800m-Feld in der Gegenwart kaum sein. Im gleich zwölf Namen umfassenden Feld sind mit Lokalmatador Eliott Crestan und den beiden Franzosen Benjamin Robert und Gabriel Tual drei weitere Europäer am Start.
Kenias 800m-Star bei den Frauen, Commonwealth-Champion und WM-Bronzemedaille Mary Moraa schreibt sich am heutigen Abend in die kenianischen Geschichtsbücher der Leichtathletik ein: Sie ist die erste Kenianerin, die je an einem 400m-Lauf im Rahmen eines Diamond League Meetings teilnimmt, wie die kenianische Tageszeitung „Daily Nation“ festhält.
Memorial van Damme
Wanda Diamond League