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Prinzipientreu

Zur Erreichung sportlicher Ziele sind Erkenntnisse aus Forschung und Trainingspraxis hilfreich. So genannte Trainingsprinzipien bringen oft Orientierung mit einem hohen Grad an Gültigkeit bei der Wahl der Trainingsinhalte – eine kleine Erinnerungslektüre für den Trainingsalltag.

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Zur Erreichung sportlicher Ziele sind Erkenntnisse aus Forschung und Trainingspraxis hilfreich. So genannte Trainingsprinzipien bringen oft Orientierung mit einem hohen Grad an Gültigkeit bei der Wahl der Trainingsinhalte – eine kleine Erinnerungslektüre für den Trainingsalltag.

Wenn es Abend wird in Krems an der Donau, dann starten die Eders und laufen in die Dämmerung. Vater Paul, Mutter Erika und die gerade voll in der Pubertät stehenden Zwillingstöchter Lea und Lisa. Dreimal in der Woche findet die Familie Zeit für diese gemeinsame Stunde, in der sie immer die gleiche Runde im immer gleichen, sehr gemütlichen Tempo laufen. Im April wollen sie im Familienverbund die halbe Distanz beim Vienna City Marathon schaffen.

Richtiges Marathontraining?

Erika sieht diese Aktivität als eine letzte Gelegenheit zum familiären Sport­erlebnis „bevor die Mädchen aus dem Haus sind“. Und Paul ist überzeugt, sich richtig auf den Halbmarathon vorzubereiten, denn „so habe ich es im Langsam-Lauf-Treff erlernt und mit diesen locker-langsamen Läufen bereiten wir uns optimal auf die 21 Kilometer vor“. Das klingt aufmunternd und zunächst irgendwie vernünftig, das Problem ist nur: Es stimmt nicht.

Nämlich die Bemerkung ,optimal‘ in Bezug zum absolvierten Training.  Wenn wir von Training sprechen, meinen wir genau zu wissen was das eigentlich ist. Zumindest versteht man das sportliche Training als einen Prozess um das Bemühen, durch gezielte Maßnahmen auf den gesamten Organismus einzuwirken. Durch Training kann die Leistungsfähigkeit gesteigert, erhalten oder wiedergewonnen werden. Gerade durch Lauftraining kann ein altersbedingter Leistungsabfall hinausgeschoben oder verlangsamt werden. Wer aber gewisse Gesetzmäßigkeiten im Trainingsverlauf nicht beachtet, wird immer wieder vor einer Kluft von eigenem Anspruch und der Wirklichkeit stehen.

Kontinuierliche Belastung

Training verläuft auf jedem Leistungsniveau, bei beiden Geschlechtern und in jedem Alter nach ähnlichen Zyklen von Belastung, Ermüdung, Erholung und Anpassung über das Ausgangsniveau hinaus. Diese Anpassungen bilden sich zurück, falls nicht regelmäßig weiter belastet wird. Um eine allgemeine ­Orientierungsgrundlage zu haben, wurden Trainingsprinzipien entwickelt, die neben wissenschaftlichen Erkenntnissen immer auch trainingspraktische Erfahrungen einfließen lassen.

Die in jüngster Zeit zu beobachtende Tendenz einer Inflation von Trainingsprinzipien geht auf das Bestreben zurück, ein umfassendes System von Trainingsprinzipien zu erstellen. Wollen wir es doch einmal einfach halten, uns auf das Wesentliche konzentrieren und einem gedanklichen „Überbau“ widmen. Was ist bei der Wahl von Trainingsinhalten und langfristig angelegten Entwicklungsmaßnahmen zu berücksichtigen? Im Trainingsalltag bleiben die einzelnen Prinzipien nur selten präsent. Oft wird trainiert, was sich gerade ausgeht. Dieser Beitrag übt daher eine Erinnerungsfunktion aus, wie vor allem die leeren Kilometer weniger werden.

Auslösung der Anpassung

Das Prinzip des wirksamen Belastungsreizes geht davon aus, dass der Trainingsreiz eine bestimmte Schwelle überschreiten muss, um überhaupt eine Anpassungsreaktion auszulösen, beziehungsweise um trainingswirksam zu sein. Der Schwellenwert des Belastungsreizes hängt vom Leistungszustand des jeweiligen Sportlers ab. Konkret geht es darum, den Organismus so anzusprechen, um neue Adaptierungen in Gang zu bringen.

Dies erfordert von uns Läuferinnen und Läufern einen stärkeren Mix bei unseren Läufen. So kann über mehrere Wochen die Geschwindigkeit bei den Dauerläufen leicht gesteigert werden oder ich versuche durch intervallartige Belastungen kurze und höhere Reize zu setzen. Dies kann in klassischer Form durch ein Fahrtspiel umgesetzt werden. Nicht die Eintönigkeit ist erfolgversprechend, sondern ein immer neues Suchen nach effektiven, abwechslungsreichen, aber nicht zu intensiven Belastungsreizen.

Trainingsbelastung erhöhen

Daraus folgt das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung durch die Steigerung der Belastungsanforderungen. Bei Trainingsbelastungen, die über eine längere Zeitdauer gleich bleiben, hat sich der Organismus so angepasst, dass dieselben Belastungsreize nicht mehr überschwellig wirken und sogar unterschwellig werden. Eine weitere Leistungssteigerung ist dann nur mehr durch besondere mentale Anstrengungen möglich. Die gesamte Trainingsbelastung muss also in gewissen Zeitabständen gesteigert werden. Dies kann allmählich oder sprunghaft erfolgen. Nach anfänglich schnellen Fortschritten sind immer längere Zeitspannen erforderlich, um die Stabilität des dann erhöhten Adaptationszustandes zu erreichen.

Die progressive Belastungssteigerung ist in folgender Reihenfolge sinnvoll: Erhöhung der Trainingshäufigkeit (Einheiten pro Woche), Erhöhung des Trainingsumfangs innerhalb der Trainingseinheit, Verkürzung der Pausen und die Erhöhung der Trainingsintensität bzw. der Laufgeschwindigkeit. Da niemand diese Parameter ins Unendliche steigern kann, folgt das Prinzip der Variation in der Trainingsbelastung.

Nicht stagnieren!

Denn gleichartige Trainingsreize über einen längeren Zeitraum können zu einer Stagnation oder sogar zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit führen. Durch Veränderung des Belastungsreizes kann dies verhindert werden. Variationen der Belastungsreize beziehen sich im Training nicht nur auf Intensitätsänderungen, sondern vor allem auf den Wechsel von Trainingsinhalten, der Bewegungsdynamik, der Pausengestaltung, also auch der angewandten Trainingsmethoden.

Je höher das Leistungsniveau wird, umso mehr spielt das  Prinzip der Variation eine bestimmende Rolle. Nur so werden noch vor Eintreten von Leistungsbarrieren wertvolle Impulse für den Energiestoffwechsel geliefert. Denn der Treibstoff in der Muskulatur verlangt geradezu nach Variationen im Trainingsverlauf. Dieses Auspendeln ist dann im Rahmen eines vorgegebenen Intensitätsbereichs wirksam.

Sicherung der Anpassung

Eines der ganz wesentlichen ist das Prinzip der optimalen Gestaltung von Belastung und Erholung. Nach einer wirkungsvollen Trainingsbelastung ist eine bestimmte Zeit der Wiederherstellung notwendig. Belastung und Erholung sind gewissermaßen als Einheit zu betrachten und machen den Trainingserfolg aus. Die biologische Grundlage ist das Phänomen der Über- oder Superkompensation. Demzufolge kommt es nach einem entsprechend starken Belastungsreiz nicht nur zur Wiederherstellung des Ausgangsniveaus, sondern zu einer Überkompensation  und damit zu einem Fortschritt der Leistungsfähigkeit. In der Trainingspraxis ist es nicht einfach, den jeweiligen optimalen Zeitpunkt der Wiederbelastung zu finden, da außer der vorausgegangenen Belastung auch die individuelle Anpassungsfähigkeit, die Ernährung und sonstige trainingsbegleitende Maßnahmen eine Rolle spielen.

Wiederholung und Dauerhaftigkeit

Ein einmaliges Training löst noch keine erkennbaren Anpassungen aus. Daher folgen wir ab jetzt dem Prinzip der Wiederholung und Dauerhaftigkeit. Zum Erreichen einer optimalen Anpassung ist es notwendig, mehrfach die Belastung zu wiederholen, da der Organismus für eine stabile Anpassung zunächst eine Reihe von akuten Umstellungen einzelner Funktionssysteme durchlaufen muss. Über die Anreicherung von energiereichen Stoffen werden weitere, sehr vielschichtige Funktionssysteme angesprochen und angepasst.

Läuferinnen und Läufer können nicht ganzjährig im individuellen Hochleistungszustand sein. Daher sollte das Ganzjahrestraining so aufgebaut sein, um einen hohen Leistungszuwachs zu erzielen und bei geplanten Wettkämpfen die höchste Leistungsfähigkeit zu erreichen. Diesem Ziel wird das Prinzip der Planmäßigkeit und Systematik  durch Perio­disierung und Zyklisierung gerecht. In der Praxis zählen zur Periodisierung vereinfacht ausgedrückt folgende Phasen eines Trainingsjahres, die sich auch wiederholen können:

  • Allgemeiner Trainingsaufbau – Grundlagen erwerben
  • Grundlegender Trainingsaufbau – Leistung formen
  • Spezieller Trainingsaufbau – Leistung ausprägen
  • Wettkampf – Leistung darstellen
  • Übergangsperiode – Geist und Körper erholen

Will man einen Marathon im Frühling und einen im Herbst absolvieren, spricht man von einer zweigipfeligen Periodisierung, die sich relativ gut steuern lässt.

Spezifische Steuerung der Anpassung

Wer sich auf allgemeine Trainingsprogramme im Internet oder in Büchern verlässt, verdrängt das Prinzip der Individualität und Entwicklungsgemäßheit. Für eine optimale Leistungsentwicklung muss die individuelle Veranlagung und Entwicklung berücksichtigt werden. Individuelle Voraussetzungen erfordern individuelle Trainingspläne.

Wer sich verstärkt bei Wettkämpfen messen will, für den wird das Prinzip der zunehmenden Spezialisierung immer wichtiger. Dies gilt sowohl bei konditionellen und koordinativen wie kognitiven Anforderungen. Eine zunehmende streckenbezogene Ausrichtung gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Bleibt das Prinzip der regulierenden Wechselwirkung der einzelnen Trainingselemente durch die richtige Belastungsfolge. Gemeint ist hierbei der optimale Wechsel zwischen den einzelnen Trainingseinheiten konditioneller und technischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Besonders wichtig ist diese Wechselwirkung in der Sportpraxis im Hinblick auf negative Beeinflussung einzelner Trainingselemente. So macht beispielsweise ein Sprinttraining nach einem sehr langen Lauf überhaupt keinen Sinn.

Machen also diejenigen alles richtig, die diesen Trainingsprinzipien folgen. Ja und Nein! Natürlich ist es gut und sinnvoll, einer gewissen Systematik und damit auch Prinzipien, die sich aus Erfahrungen im Training entwickelt haben, zu folgen. Training darf immer auch ein Prozess sein, der ein Abweichen von der Norm ermöglicht und so ganz neue Reize in das eigene Lauftraining bringt. Mittel- und langfristig gesehen, wird man mit einer gewissen Prinzipientreue aber den meisten Erfolg ernten.

Autor: Johannes Langer
Bilder: © SIP / Johannes Langer

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