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Raphael Pallitsch mit Superspurt auf Platz sechs

Mit einem starken Endspurt stürmte Raphael Pallitsch im EM-Finale über 1.500m auf den sechsten Platz. Der Titel ging wie erwartet an Superstar Jakob Ingebrigtsen.
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Mit einem energiegeladenen Endspurt stürmte Raphael Pallitsch in seinem ersten EM-Finale auf Platz sechs und erzielte damit ein unerwartet starkes Resultat. Selbst zur Medaille fehlte nicht viel, auf das Olympia-Limit für Paris ein Wimpernschlag und auf seinen eigenen ÖLV-Rekord die Marginalität von 0,01 Sekunden. Die Freude über dieses bemerkenswerte Abschneiden überwiegt natürlich.

„Auf der Zielgerade sind meine Haxen geflogen. Ich war selbst überrascht, wie hoch mein Tempo die letzten 150 Meter war und wie weit es plötzlich nach vorne ging“, schilderte Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) am Tag nach seinem größten Wettkampferfolg die entscheidende Phase. Platz sechs im EM-Finale von Rom, zweieinhalb Tage nach denkbar enger Qualifikation für eben dieses Finale – ein riesiges Ergebnis allemal und auch etwas überraschend. Es ist das beste österreichische EM-Resultat in dieser Disziplin hinter dem vierten Platz von Robert Nemeth in Athen 1982.

Nur eben weil er so dermaßen gut performte, musste er im Nachhinein auch damit Vorlieb nehmen, festzustellen wie nah die Medaille, wie nah das Direktlimit für Paris, wie nah der österreichische Rekord waren. Diese Wermutstropfen hatten gegen die Euphorie kein „Leiberl“. „Die großartigen Emotionen über diesen sechsten Platz, die Erkenntnis, die letzten Monate vieles genau richtig gemacht zu haben, was zu einer stabilen Entwicklung geführt hat, die Konstanz auf hohem Niveau zu haben und die Sicherheit, auch weiterhin so starke Leistungen abliefern zu können. Das überwiegt klar“, unterstreicht Pallitsch. Was genau ihm da am gestrigen späten Abend im Stadio Olimpico gelungen ist und welche Bedeutung das hat, im Detail konnte der 34-Jährige das auch am Tag darauf nicht einordnen.

© ÖLV / @ wolf.amri

Acht Überholmanöver auf 100 Meter

Bei idealen Laufbedingungen – klarer Nachthimmel und 21°C. Lufttemperaturen – entwickelte sich für den Österreicher ein sehr guter, aber nicht perfekter Wettkampf. „Es ist natürlich unglücklich, dass so viele Leute in einem Rennen war. Mein Impuls war, mich der Gefahr der Positionskämpfe und Rangeleien zu entziehen. Es war trotzdem ein gutes Tempo, weshalb mir der Extramut gefehlt hat, noch aktiver eine bessere Position zu investieren. Somit war ich vor dem Endspurt weit hinten.“ Daher setze er sich bei aller überwiegender Euphorie über den sechsten Platz auch mit dem Gedanken auseinander, dass es möglicherweise sogar für eine Medaille gereicht hätte, wäre er in der letzten Kurve weiter vorne platziert gewesen. Dieser hypothetischen Situation wolle er sich auch bewusst nicht entziehen. Dass die Sensation einer Medaille am Ende außer Reichweite blieb, lag auch daran, dass das Feld nicht nur bereits ohnehin ein hohes Niveau aufwies, sondern „viele auch an diesem einen Tag X dieses Niveau voll abrufen haben können und in der Nähe ihrer Bestleistungen geblieben sind“.

© ÖLV / @ wolf.amri

Im Wissen, seine Stärken im Endspurt zu haben, ordnete sich der Burgenländer hinten ein und verbesserte sich just in jener Phase, als das Rennen unter Ingebrigtsens Kontrolle etwas schneller wurde, um einzelne Positionen nach vorne. Die Schlussrunde nahm er auf Position 14 in Angriff, diese Position hatte er auch ausgangs der letzten Kurve inne, aber das Feld war mit Ausnahme des Goldmedaillengewinners angesichts des doch guten Gesamttempos bemerkenswert dicht beieinander. Pallitsch zog einen spektakulären und sensationellen Endspurt. 13,02 Sekunden benötigte er für die letzten 100 Meter, nur Sieger Ingebrigtsen brauchte weniger.

Wie gut das ist, zeigt der Vergleich zu anderen. Der achtplatzierte Deutsche Robert Farken, Adel Mechaal und Azzedine Habz brauchten für dieselbe Teilstrecke allesamt fast eine Sekunde mehr. Dank dieses fulminanten Finals überholte Pallitsch gleich acht Kontrahenten – und wer weiß, was passiert wäre, wäre die Zielgerade noch 20 Meter länger gewesen…

RunUp-Lesetipp: Kurzinterview mit Raphael Pallitsch vor der EM

Chancen auf Olympia sind nun groß

2015 hatte Raphael Pallitsch seinen Leidensweg beendet und die Konsequenz aus chronischen Fußbeschwerden gezogen. Er war Leistungssportpensionist und Lehrer, aber es war ein vorläufiges Ende. Der sechste Platz bei den Europameisterschaften in Rom ist der vorläufige Höhepunkt eines Comebacks, das von Beginn an nach oben führte und nun vor seiner Krönung steht. Zwar verpasste Raphael Pallitsch das Olympia-Limit von 3:33,50 Minuten, mit dem a priori aufgrund der Charakteristik von Meisterschaftsrennen nicht unbedingt kalkuliert werden konnte, wie schon in Ostrava haarscharf, dieses Mal um eine Zehntelsekunde.

Doch die Kontinentalmeisterschaftsbewerbe werden mit reichlich Bonuspunkten versehen, so dass die Leistung von 3:33,60 Minuten inklusive der 100 Bonuspunkte für Position sechs 1.294 Punkte für die Weltrangliste bringt. Damit springt Raphael Pallitsch in der „Road to Paris“ auf Position 31, die erste Position hinter den 30 Fix-Qualifizierten für 45 Startplätze. Er hat gegenwärtig im Schnitt der besten fünf Leistungen (1.281) 70 Punkte Vorsprung auf den 46. der „Road to Paris“, kurioserweise der beste Äthiopier. Es ist also eine Position, aus der eine Nicht-Qualifikation für Paris 2024 unter Einbeziehung realistischer Szenarios äußerst unwahrscheinlich ist. Sie hätte eine hohe symbolische Strahlkraft durch seine Vorgeschichte. 2012 verpasste der Burgenländer die Qualifikation für die Olympischen Spiele von London als junger 800m-Läufer knapp.

Ergebnis 1.500m-Lauf der Männer, EM 2024
Gold: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen) 3:31,95 Minuten (EM-Rekord)
Silber: Jochem Vermeulen (Belgien) 3:33,30 Minuten (persönliche Bestleistung)
Bronze: Pietro Arese (Italien) 3:33,34 Minuten

 
4. Ruben Verheyden (Belgien) 3:33,40 Minuten (persönliche Bestleistung)
5. Adel Mechaal (Spanien) 3:33,58 Minuten
6. Raphael Pallitsch (Österreich) 3:33,60 Minuten
7. Azzedine Habz (Frankreich) 3:33,70 Minuten
8. Robert Farken (Deutschland) 3:33,98 Minuten
9. Neil Gourley (Großbritannien) 3:34,11 Minuten
10. Isaac Nader (Portugal) 3:34,22 Minuten

Zweifel sind beseitigt

Nun hat Raphael Pallitsch endgültig die Gewissheit, wozu er aktuell zu leisten imstande ist. Es ist Teil der Europaspitze, wenn man den überlegenen Jakob Ingebrigtsen und den abwesenden Weltmeister Josh Kerr ausklammert. „Alle Zweifel sind weg, dieser sechste Platz gibt mir eine Menge Selbstvertrauen.“ Dadurch, dass er die noch fehlende, fünfte hochqualitative Leistung für die Weltrangliste bedeutet, stellt sich nun die Frage, ob es sich überhaupt rentiert, noch einmal das Olympia-Limit anzugreifen. Alternativ wäre eine Trainingsphase mit sechs Wochen maßgeschneiderter Vorbereitungszeit auf die Olympischen Spiele möglich – im Fall, dass er in entsprechender Weltranglistenposition bleibt und keine Wunderanhäufung von Limits in den nächsten Wochen daher kommt. So viele hochkarätige Meetings sind in den nächsten Wochen übrigens nicht geplant…

RunAustria-Lesetipp: Der Bericht über den 1.500m-Vorlauf

Ingebrigtsen holt zweites Gold

An der Spitze des Rennens wurde Jakob Ingebrigtsen seiner Favoritenrolle gerecht und holte in einer dominierenden Art und Weise in einer Zeit von 3:31,95 Minuten die zweite Goldmedaille in den Tagen von Rom nach dem Sieg im 5.000m-Lauf am Samstag. Der Norweger, der 2018 im Alter von 17 Jahren als erster Läufer der Geschichte dieses schwierige Double bei Europameisterschaften schaffte, wiederholte den Doppelschlag 1.500m-5.000m nun zum zweiten Mal. „Ich bin zweifelsohne überglücklich mit diesen Europameisterschaften. Ich habe hier viele Antworten für mich bekommen und ich habe mich gut gefühlt. Ich tue in jedem Wettkampf mein Bestes und damit bin ich heute zufrieden“, gab der Norweger zu Protokoll.

Als klarer Favorit an der Startlinie verharrte Ingebrigtsen dort einen Augenblick, um sich gleich an Ende des mit 16 Läufern prall gefüllten Feldes einzusortieren – der Schwede Samuel Pilhlström verzichtete nach dem heftigen Sturz im Vorlauf. Nach einer Runde in recht ordentlichem Tempo orientierte er sich nach vorne und übernahm nach 600 Metern die Führung. Er hielt das Tempo relativ konstant bis zur Zwischenzeit bei 1.000m (2:24,63) und erhöhte es dann sukzessive, um eingangs der letzten Kurve den Turbo zu zünden und letztendlich einen klaren Sieg mit 1,35 Sekunden herauszulaufen. Die Zeit von 3:31,95 Minuten ist eine Verbesserung seines eigenen Meisterschaftsrekords von München 2022 um acht Zehntelsekunden. Die Teilzeiten von 13,25 bzw. 12,86 Sekunden auf den letzten beiden 100m-Abschnitten waren jeweils die schnellsten im Feld. Auch die Schlussrunde von 53,34 Sekunden wird der große Kontrahent Josh Kerr aus der Ferne zur Kenntnis genommen haben.

Medaillen für Vermeulen und Arese

Hinter Ingebrigtsen schien das Feld offen für die Medaillenplätze und genau so abwechslungsreich gestaltete sich das Rennen. Der erste Anwärter, Azzedine Habz aus Frankreich, der kurioserweise ursprünglich vom nationalen Verband bei der Nominierung vergessen wurde, lag in der letzten Runde an der zweiten Position, konnte aber im Finale nicht zusetzen und wurde nur Siebter. Auch Neil Gourley, eingangs der letzten Zielgerade in der Verfolgerrolle von Ingebrigtsen, verpasste die Top-Drei als Neunter deutlich, hinter ihm lief mit Isaac Nader ebenfalls ein Medaillenkandidat abgeschlagen ins Ziel.

So schlug die Stunde des Italieners Pietro Arese und des Belgiers Jochem Vermeulen. Arese übernahm auf der letzten Gerade Platz zwei, konnte sein Tempo gerade noch halten um die Bronzemedaille für den dritten Platz von 3:33,34 Minuten vor Ruben Verheyden zu retten. Als die Medaille feststand, sank der 24-jährige Student der Umwelttechnologie an der Universität in Varese mit Jubelpose auf die Knie – vor den Augen des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella. „Aufgrund meiner formalen Art nennen sie mich im Team ,il presidente‘. Ich habe das unserem Staatspräsident erzählt – er hat gelacht“, berichtete Arese im Interview mit European Athletics. Arese, der Ende Mai in Oslo den langjährigen italienischen Rekord von Gennaro Di Napoli verbessert hat, feierte bereits zum zweiten Mal vor heimischem Publikum einen großen Erfolg. 2022 war er bei den Crosslauf-Europameisterschaften Teil der siegreichen italienischen Mixed-Staffel.

Silber ging an Verheydens Landsmann Jochem Vermeulen, der sich mit dem drittschnellsten Endspurt im Feld hinter Ingebrigtsen und Pallitsch auf den letzten 100 Metern von Platz acht auf Platz zwei schob. Seine Zeit: 3:33,30 Minuten, persönlicher Bestwert wie sonst im Feld nur noch für Verheyden. „Ich habe noch nicht realisiert, was mir da gelungen ist. Die Schlussphase war perfekt, ich hatte unglaubliche Power in den Beinen für meinen Kick. Diese Medaille ist fantastisch!“, jubelte der 25-Jährige nach dem Rennen.

Autor: Thomas Kofler
Bild: © ÖLV / @ wolf.amri

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