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Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) hat im wichtigsten Rennen seiner bisherigen Karriere, dem Olympischen Vorlauf in Paris, den elften Platz belegt. Damit konnte er den Traum vom direkten Sprung ins Halbfinale nicht realisieren. Auch, weil ihm heute nicht alles gelang. Der Direktaufstieg wäre laut Papierform freilich eine Überraschung gewesen, die zweite Chance gibt es am Samstag in der Hoffnungsrunde.
Diverse Interviews in den letzten Tagen belegen es klar und deutlich: Raphael Pallitsch ist kein Fan der neuen Hoffnungsläufe und nun trotzdem Protagonist. Der 34-Jährige ist gezwungen, auf die morgige Hoffnungsrunde zu setzen, um doch noch das Olympische Halbfinale am Sonntagabend zu erreichen. „Es ist Nonsense“, schimpfte Pallitsch im Interview mit dem ORF unmittelbar nach seinem Vorlauf, skizzierend, dass es physisch unmöglich sei, an drei Tagen in Folge dreimal mit 100% einen 1.500m-Lauf zu bestreiten. Mit dieser Art der Beschreibung sei er noch diplomatisch, verriet er im Gespräch mit RunUp.eu. In der Szene gebe es noch stärkere Ablehnung gegen die neue Hoffnungsrunde.
Für den Direktaufstieg reichte Pallitschs elfter Platz im dritten Vorlauf am späten Vormittag im unglaublich gut gefüllten Stade de France bei weitem nicht. Auch wenn er die letzten 30 Meter aufgrund der Aussichtslosigkeit nicht mehr alles herausholen wollte, in einer Zeit von 3:38,20 Minuten fehlten deutliche 0,86 Sekunden auf den sechsten Platz des zweifachen Hallen-Weltmeisters Samuel Tefera aus Äthiopien. „Ich bin ungefähr ins Ziel gekommen, wie ich laut Papierform eingeteilt war“, ordnet Pallitsch ein. Er wisse um die hohe Erwartungshaltung von außen, speziell nach den gelungenen Europameisterschaften von Rom. „Letztendlich war die Leistung der Saison entsprechend.“
Taktisch, so wusste der Burgenländer in der Analyse gleich, hätte der Vorlauf besser gelingen können. Erstens verschätzte sich mit der Herangehensweise. Durch seine Startaufstellung in der Kurve außen wollte er mit schnellen ersten 200 Metern gleich an die Spitze gehen, um auf ein schnelles Vorlauf-Rennen vorbereitet zu sein. Ersteres gelang, doch Zweiteres traf nicht ein. Und so endete die Startrunde gemächlich mit Pallitsch an der Spitze.
Als das Feld aber in der zweiten Runde beschleunigte, fand sich der Österreicher am Ende des Feldes – gnadenlos durchgereicht. „Ich bin noch nie in einem Rennen so oft gestoßen und berührt worden wie heute. Jeder war nervös, es war ein unruhiges Rennen von vorne bis hinten. Und letztendlich war das Feld einfach zu stark“, resümierte Pallitsch. So entwickelte sich ein Wettkampf, in dem der 34-Jährige seinen Rhythmus nicht fand und sich im Mittelteil des Rennens an der Konkurrenz aufrieb. Auch das sind Gründe, warum Olympische Rennen besonders sind – der Einsatz ist bei allen maximal.
Unverhofft lief Pallitsch eine Zeit lang hinter Jakob Ingebrigtsen an der letzten Stelle. Ansätze der Positionsverbesserung scheiterten daran, dass der Burgenländer auf Bahn zwei einen längeren Weg durch die Kurven absolvieren hätte müssen. Während der norwegische Ausnahmekönner, der sich unüblich lange aus dem Geschehen heraushielt, auf den letzten 200 Metern auf der Außenbahn spielend nach vorne lief und sogar als Dritter noch auf den Vorlaufsieg verzichtete, gelang Pallitsch weder eine spektakuläre Aufholjagd noch ein Sensationsfinish à la EM in Rom.
Zwar machte der Österreicher auf den letzten 200 Metern plangemäß Zeit zu einigen Kontrahenten im Mittelfeld des Vorlaufs gut. Aber er war einerseits nach 1.300 Metern zu weit hinten platziert und andererseits waren Kontrahenten wie Ignacio Fontes und Adam Spencer auf den Plätzen sieben und acht, also ebenfalls nicht im Halbfinale, auf den finalen 200 Metern schneller als der Österreicher. Geschweige denn Ingebrigtsen oder der Endschnellste, Neil Gourley.
„Rückblickend wäre es besser gewesen, ich hätte mich voller Entschlossenheit gleich ans Ende des Feldes fallen lassen, um auf die letzte Runde zu warten“, wollte Pallitsch im Gespräch mit RunUp.eu nicht mit Selbstkritik sparen. So fiel auch ins Gewicht, dass ihm auf dieser großen Bühne die Wettkampf-Erfahrung fehlt. Diese fehlt auch dem jungen Holländer Stefan Nillessen, der als Vorlaufsieger in 3:36,77 Minuten von vorne glänzte und für eine der Überraschungen des Vormittags sorgte.
Neben dem Aus von Habz im Pallitsch-Vorlauf brachten auch die anderen beiden Vorläufe einige Überraschungen. So scheiterte der Deutsche Marius Probst im zweiten Vorlauf mit einer guten Leistung in 3:35,65 Minuten, nicht weit über seinem persönlichen Bestwert, als Siebter weit weniger deutlich als vielleicht erwartbar. Dagegen finden sich mit Adel Mechaal, George Mills und Stewart McSweyn aus dem zweiten und Oliver Hoare aus dem ersten Vorlauf prominente Namen in der Hoffnungsrunde. Diese vermieden alle Medaillenkandidaten problemlos, auch Jungspunt Niels Laros, Josh Kerr, der den ersten Vorlauf gewann, und der Deutsche Robert Farken, der als Sechster des ersten Vorlaufs den Weg ins Halbfinale fand.
Dieser 2. August 2024 wird Raphael Pallitsch jedenfalls in Erinnerung bleiben. Es ist der Tag, an dem er die größte Bühne seiner Karriere betrat. Berichten zufolge haben 66.500 Zuschauer (!) während der ersten Vormittagssession auf den Tribünen Platz genommen, eine außergewöhnliche Atmosphäre. „Als ich ins Stadion gekommen bin, hab ich mir gedacht: ,Bist du deppert, was ist den hier los?’ Es war ein Wahnsinn, ein grandioses und lautes Publikum!“, berichtete Pallitsch euphorisch. Ihm gelang es trotzdem, in die Wettkampf-Konzentration zu gelangen.
Nach diesem ersten stimmungsvollen, aber auch kräftezehrenden Auftritt geht es für Pallitsch morgen Abend um 19:15 Uhr im Hoffnungslauf weiter – dann vermutlich vor noch größerer Kulisse. Der ein oder andere Kontrahent, am auffälligsten der Italiener Federico Riva, hat auf den letzten 100 Metern heute etwas Kraft gespart. Der Österreicher wurde in den ersten der beiden Hoffnungsläufe gelost. Mit Azzedine Habz hat es ausgerechnet ein Franzose von den großen Namen nicht direkt ins Halbfinale geschafft, er ist morgen Pallitschs Gegner im Bemühen um einen Top-Drei-Platz.
Außerdem läuft der Österreich u.a. gegen den Australier Stewart McSweyn, den belgischen Vize-Europameister Jochem Vermeulen, den Kanadier Kieran Lumb, heute eine Position vor Pallitsch, und den Deutschen Marius Probst. Von der Prominenz her ist auch noch der spanische WM-Vierte Mario Garcia zu nennen, der allerdings bisher keine gute Saison absolviert. In Rom verlor er gegen Pallitsch im Vorlauf den Endspurt um den letzten Finalrang um eine Hundertstelsekunde.
Für Pallitsch stand am heutigen Freitag aber nur eines im Hauptfokus: Essen, schlafen, Massagen und Therapien sowie alles, was einer möglichst guten Regeneration für morgen dienlich war. Denn frische Beine sind bei einem solchen Wettkampfprogramm das A und O.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © ÖLV / @ wolf.amri – Raphael Pallitsch im Vorlauf bei den Europameisterschaften 2024 in Rom