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Letztendlich war die Erbringung des Olympia-Limits von Fabienne Königstein eine Sensation, von Richard Ringer nicht unbedingt. Der Europameister von München hatte sich gut auf seinen ersten Marathon seit dem Triumph bei den Europameisterschaften 2022 vorbereitet und den nächsten Schritt gemacht. „Es war ein Rennen nach Plan. Vielen Dank an meine Pacemaker, die einen großen Anteil an diesem Erfolg haben“, meinte der 34-Jährige, der bereits im Vorfeld mit einer Halbmarathon-Bestleistung in Barcelona (1:01:09) und dem Halbmarathon-Meistertitel in Freiburg seine gute Frühjahrsverfassung unter Beweis gestellt hat. In Hamburg gelang ein Marathon quasi nach Plan, am Ende unterbot der sechstplatzierte Deutsche in einer Zeit von 2:08:08 Stunden das Olympia-Limit um zwei Sekunden, wofür ein ähnlich schnelles Finale wie jenes des Marathon-Siegers Bernard Koech aus Kenia notwendig war. Die letzten 200 Meter wären besonders hart gewesen im Kampf gegen die Uhr, bemerkte er später. Es ist das zweite Mal nach dem Elitemarathon auf dem Fluggelände von Siena 2021, wo Ringer sich das Ticket für die Spiele in Japan geholt hat, dass der Europameister einen Marathon unter 2:10 Stunden absolvierte – eine Bestleistung um 41 Sekunden.
Damit ist Ringer der zweite deutsche Marathonläufer nach dem nationalen Rekordhalter Amanal Petros, der das Olympia-Limit unterboten hat. Haftom Welday schaffte dies in seinem ersten Marathon als deutscher Staatsbürger nicht. Der in Hamburg ansässige, gebürtige Äthiopier ist nach einer Leistung von 2:09:40 Stunden der fünfte deutsche Läufer im laufenden Wettkampfjahr, der eine Marathonzeit unter 2:10 Stunden erreicht hat. Neben Petros und Ringer sind das außerdem Filimon Abraham und Linz-Sieger Simon Boch. Im Gegensatz zu Ringer hatte sich Welday entschieden in der Spitzengruppe mitzulaufen und brach folglich im letzten Marathon-Viertel dramatisch ein. Selbst bei Kilometer 40 war das Olympia-Limit noch in Reichweite, auch wenn die Kilometer-Splits längst deutlich langsamer waren als auf den ersten 30 Kilometer – doch selbst dafür reichte die Kraft nicht mehr. „Ich hatte leider bereits nach 15 Kilometer Magenprobleme. Es war das härteste Rennen meines Lebens“, so Welday, der im Vorfeld von einer Zeit von 2:06 Stunden geträumt hatte, aber gegenüber der Öffentlichkeit trotzdem nicht von einer Enttäuschung sprach.
Eine größere Überraschung war sicherlich das zweite deutsche Olympia-Limit des Tages durch Fabienne Königstein. In ihrem ersten Marathon seit fast fünf Jahren und insbesondere, nachdem sie erst kürzlich aus einer Mutterschaftspause zurückgekommen ist, lief sie nicht nur erstmals unter 2:32 Stunden, sondern sie knackte auch gleich das Olympia-Limit von 2:26:50 Stunden und das auch nicht zu knapp: Nach 2:25:48 Stunden hielt die Zeitnehmung in Hamburg an, auch dank der idealen Marathon-Bedingungen mit knappen zweistelligen Temperaturen, bedecktem Himmel und wenig Wind katapultierte sich die 30-Jährige auf Platz sechs der ewigen deutschen Bestenliste. „Ich bin das Rennen so mutig wie möglich angegangen, denn das ist mein Stil. Es ist besser gelaufen als ich mir je erträumt hatte“, verriet die Mutter einer neunmonatigen Tochter nach dieser Sensation. Erst wenige Tage vor dem Hamburg Marathon und nach einem Trainingslager in Kenia entschied sich Königstein, in der norddeutschen Metropole nicht den Halbmarathon, sondern den Marathon zu laufen.
Dass Königstein, die nach einer problemlosen Schwangerschaft früh wieder ins konzeptionelle Laufen eingestiegen ist, nun ihren Olympia-Startplatz sicher hat, ist angesichts der starken und breiten deutschen Marathonspitze alles andere als sicher. Obwohl die 30-Jährige nun die Nummer-eins-Position im Qualifikationszeitraum übernommen hat, weil sie vier Sekunden schneller lief als Deborah Schöneborn in Sevilla.
An der Spitze des Hamburg Marathon 2023 war der Kenianer Bernard Koech der gefeierte Star. Der 35-Jährige setzte sich nach einer ersten Marathon-Hälfte in 1:02:32 Stunden aus einer dreiköpfigen Spitzengruppe ab und beschleunigte ab Kilometer 30 so drastisch, dass er einen deutlichen negativen Split produzierte. In einer Zeit von 2:04:09 Stunden blieb er um 38 Sekunden unter dem Streckenrekord aus dem Vorjahr, was ihm eine Extraprämie von 20.000 Euro einbrachte. Kurioserweise stellte er seine Bestleistung vom Amsterdam Marathon 2021 auf die Sekunde genau ein. Es war der dritte sub-2:05-Stunden-Marathon seiner Karriere, den ersten fabrizierte er bereits vor zehn Jahren in Dubai. „Es war ein gutes Rennen und ich habe gemerkt, dass eine Zeit rund um meine Bestleistung drin sein könnte“, meinte er.
Als Zweiter kam sein Landsmann Joshua Belet ins Ziel, der ein beachtliches Marathon-Debüt in einer Zeit von 2:04:33 Stunden finishte und den Kontakt zu Koech erst verlor, als er bei einer Verpflegungsstation seine Flasche nicht erwischte. Erst zweimal ist der 25-Jährige bisher im Halbmarathon unter einer Stunde gelaufen: jeweils im Frühjahr 2022 in Neapel und Berlin. Das Stockerl komplettierte der dritte Kenianer Martin Kosgey, ehemals Sieger des Salzburg Marathon, der im Alter von 34 Jahren als sehr routinierter Marathonläufer eine Bestleistung erzielte: 2:06:18 Stunden.
Keine Chance auf einen Stockerlplatz hatte Daniel do Nascimento. Der brasilianische Südamerikarekordhalter kam nach 2:07:06 Stunden ins Ziel und wurde Vierter, schaffte aber damit immerhin das Olympia-Limit.
Den dramatischsten Augenblick des Hamburg Marathon gab es auf dem letzten Kilometer des Frauenrennens. Die haushohe Favoritin Tiruye Mesfin, die sich früh von ihren Kontrahentinnen gelöst hatte, lange Zeit einen überschaubaren Vorsprung auf eine größere Verfolgergruppe hatte, erarbeitete sich nach der Zwischenzeit bei Kilometer 30 einen vermeintlich beruhigenden Vorsprung von einer Minute. Doch auf den letzten Passagen brach die junge Äthiopierin ein und verlor sogar die Kontrolle über ihre Beine, womit sie stürzte und den sicher geglaubten Sieg noch an die Kenianerin Dorcas Tuitoek abgeben musste. Die 25-Jährige feierte damit in ihrem erst zweiten Marathon den ersten Sieg und verbesserte ihre Bestleistung um fast fünf Minuten auf eine Zeit von 2:20:09 Stunden. „Es war natürlich eine Riesenüberraschung, dass ich gewonnen habe. Ich habe den Sturz von Tiruye gar nicht mitbekommen, weil ich mit mir selbst beschäftigt war. Aber ich hatte noch genügend Energie“, kommentierte die Siegerin. Mesfin rappelte sich auf und rettete gerade noch den zweiten Platz vor Marathon-Debütantin Stella Chesang, die in einer Zeit von 2:20:23 Stunden den Marathonrekord für Uganda um fast zweieinhalb Minuten verbesserte.
Ebenfalls eine dramatische Schlussphase ergab sich für Giovanna Epis, ihr Umfeld und die italienischen Marathonfans. Die EM-Fünfte lag mit einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:11:21 Stunden nämlich lange Zeit deutlich und bis kurz vor Rennende unter dem italienischen Marathonrekord, den Valeria Straneo seit 2012 in einer Zeit von 2:23:44 Stunden hält. Doch die letzten Schritte waren schwer und die 34-Jährige finishte in einer Zeit von 2:23:46 Stunden, ein Fortschritt um acht Sekunden gegenüber dem Valencia Marathon 2022. „Mein erster Gedanke im Ziel war: Ich bin glücklich. Wenn man sich verbessert, kann man sich nicht beklagen. Auch wenn ich so knapp am Rekord vorbeigelaufen bin. Aber natürlich war das Ziel etwas schneller zu laufen. Ich fühle mich aber von Mal zu Mal reifer und solider im Marathon. Letztendlich habe ich alles gegeben“, wird Epis auf der Website des Italienischen Verbandes (FIDAL) zitiert.
Über 30.000 Laufbegeisterte beteiligten sich bei idealen Laufbedingungen an der 37. Auflage des Hamburg Marathon. Der Marathon zählte 8.664 Finisherinnen und Finisher.
Männer
Frauen
* neuer Streckenrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** Marathon-Debüt
**** neuer Landesrekord für Uganda
***** neuer Landesrekord für Ecuador