Enter your email address below and subscribe to our newsletter

Rio 2016: 10.000m-Lauf der Herren, Vorschau: Kenianer offensiv gegen Farah

Die Liste der zweifachen Olympiasieger im 10.000m-Lauf liest sich wie ein „Who is Who“ des Laufsports: Die finnische Legende Paavo Nurmi (1920 und 1928), die tschechische Lokomotive Emil Zatopek (1948 und 1952), der unvergessene Finne Lasse Viren (1972 und 1976)…

Weiterlesen

Share your love

Die Liste der zweifachen Olympiasieger im 10.000m-Lauf liest sich wie ein „Who is Who“ des Laufsports: Die finnische Legende Paavo Nurmi (1920 und 1928), die tschechische Lokomotive Emil Zatopek (1948 und 1952), der unvergessene Finne Lasse Viren (1972 und 1976) sowie die beiden äthiopischen Helden Haile Gebrselassie (1996 und 2000) und Kenenisa Bekele (2004 und 2008). In dieser Aufzählung könnte sich mit Mo Farah bald ein weiterer großer Läufer befinden. Keiner würde es mehr verdienen als der 33-jährige Brite. Doch die Kenianer haben offensiv angekündigt, den Unschlagbaren der letzten Jahre zu besiegen.
Bewerb: 10.000m-Lauf der Herren
Startzeit: Samstag, 13. August um 21:27 Uhr Ortszeit / Sonntag, 14. August um 02:27 Uhr MEZ
Olympiasieger 2012: Mo Farah (Großbritannien)
Rekord-Olympiasieger: Paavo Nurmi (Finnland), Emil Zatopek (Tschechoslowakei), Lasse Viren (Finnland), Haile Gebrselassie (Äthiopien) und Kenenisa Bekele (Äthiopien) mit je zwei Siegen
Erfolgreichste Nation: Finnland mit sieben Olympiasiegen
Olympischer Rekord: Kenenisa Bekele (Äthiopien) in 27:01,17 Minuten (Peking 2008)
Favoriten: Mo Farah (Großbritannien), Geoffrey Kamworor (Kenia)

Mo Farah feiert WM-Titel Nummer fünf in Peking. © Getty Images for IAAF / Lintao Zhang
Mo Farah feiert WM-Titel Nummer fünf in Peking. © Getty Images for IAAF / Lintao Zhang
Mo Farah ist mit allen Wassern gewaschen. Er hat Gegner kommen sehen und Gegner gehen sehen. Egal welche Herausforderung ihn seit den Weltmeisterschaften 2011 vor die Füße getreten ist, er hat sie alle bewältigt. Der Brite kennt das Geschäft und er weiß, was es zu erledigen gilt, um best mögliche Voraussetzungen für einen weiteren Olympiasieg zu schaffen. Genau das ist sein großes Ziel, zwei Olympische Goldmedaillen sollen es in Rio werden. Genau wie in London. „Ich bin überglücklich, wenn ich jetzt schon auf meine Karriere zurückblicken. Das hier in Rio soll der große Olympia-Abschluss auf der Bahn sein. Aber: Das Erlebnis vor dem Heimpublikum vor vier Jahren kann Rio sicherlich nicht überflügeln“, philosophiert Farah. Diese Worte klingen wie ein vorangekündigter und vorbereiteter Abschied von Olympia. Bei den Weltmeisterschaften in London 2017 will er noch einmal am Start stehen, in Tokio 2020 maximal als Marathonläufer. Doch wer vor-entschuldigende Töne erkennen will oder glaubt, Farah dreht in Rio Ehrenrunden, hat sich getäuscht. Zumindest nicht während der beiden Rennen, danach im Siegesrausch würde er es nur allzu gerne tun. Die wenigen Auftritte, die er in diesem Jahr zeigte, waren hoffnungsvoll. Farah, der Meister der Schlussrunde, ist der Mann, den es zu schlagen gilt. Und er wird sich der neuen Herausforderung stellen, mit der ihn die afrikanische Konkurrenz überraschen will.

Kein leichter Sommer

Leicht ist die Zeit für Farah wahrlich nicht. Zwar brachte die angebliche Verbindung zu Starcoach Jama Aden, der in Spanien bei einer Dopingrazzia kurzzeitig inhaftiert wurde, keine derartig konkreten Doping-Anschuldigungen wie jene gegen seinen Vertrauenscoach Alberto Salazar im vergangenen Jahr, die er gemeinsam mit dem Amerikaner mühsam abwehren konnte. Auf diese lästigen Störgeräusche hätte er aber gut und gerne verzichten können. Ein historisches Ereignis in seinem Heimatland hat ihn aber mehr aufgebracht. Die Entscheidung für einen Austritt der EU hat ihn in einen Schockzustand versetzt. Farah ist für viele Briten ein Vorbild, seine Meinung zählt, auch in Bereichen, die nicht mit dem Sport zu tun haben. Der Star hat im Gegensatz zu Millionen Landsleuten nicht gewählt, weil er in den französischen Pyrenäen trainierte, er hätte klar für einen EU-Verbleib gestimmt. Führende Politiker, die ihm die emotionalen Höhepunkte bei den Olympischen Spielen 2012 ermöglicht hatten, machten Werbung für den Brexit – eine Art Gewissenskonflikt für den Sportstar, der in solchen Situationen Diplomatie in die Aussagen fließen lässt.

Kenianer optimistisch
Umgekehrte Voraussetzungen im Halbmarathon: Dort ist Geoffrey Kamworor der Mann, den es zu schlagen gibt, und Mo Farah der Herausforderer © Getty Images for IAAF / Jordan Mansfield
Umgekehrte Voraussetzungen im Halbmarathon: Dort ist Geoffrey Kamworor der Mann, den es zu schlagen gibt, und Mo Farah der Herausforderer © Getty Images for IAAF / Jordan Mansfield
How to beat Mo Farah? Seit Jahren suchen die Kenianer fieberhaft nach einer Formel, die zu einer Essenz führt, die das scheinbar Unmögliche möglich macht: Mo Farah zu schlagen. Immer wieder versuchten sie es, immer wieder scheiterten sie an der Machtdemonstration des Briten in der Schlussphase. Kann man Farah überhaupt schlagen? Ja! Dieser Meinung sind die Kenianer. „Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Sein Schlusssprint ist überwältigend, daher habe ich mich in diesem Bereich verbessert“, sagt Geoffrey Kamworor. Bei der WM 2015 haben Kamworor und seine beiden Landsleute Paul Tanui und Bedan Karoki abwechslungsreich das Tempo hochgehalten, um Farah müde zu laufen – vergeblich. Das Trio hat nun in gleicher Besetzung die nächste Chance. Von einer geplanten Teamtaktik will Kamworor nichts wissen, das ergebe sich maximal in einer bestimmten Rennsituation. Es ist wohl am ehesten dem Multitalent, der bereits zweimal WM-Gold im Halbmarathon gewonnen hat, zuzutrauen, Farah das Wasser reichen zu können.
„Wir kämpfen sehr hart im Training. Ich bin überzeugt, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo wir Mo Farah besiegen. Ich kann nicht sagen, wann dieser Augenblick kommt. Vielleicht bei Olympia“, ließ WM-Bronzemedaillengewinner Paul Tanui wissen und unterstreicht auch seine Ambitionen. „Wir haben keine Angst vor ihm. Er will den zweiten Titel, also liegt der Druck bei ihm.“ Das Selbstbewusstsein scheint hoch im kenianischen Team.
Der dritte Kenianer im Bunde ist der in Japan lebenede Bedan Karoki, Vize-Weltmeister im Crosslauf und Halbmarathon. Wenn er in Rio eine Medaille anstrebt, dann tut er es auch für seinen Schwager Johana Maina. Der Marathonläufer, der ebenfalls in Japan lebte, ist vor wenigen Wochen im Alter von 26 Jahren zusammengebrochen und weniger später im Krankenhaus verstorben.

Der Vorteil des finalen Kicks

Natürlich haben sich nicht nur die Kenianer Gedanken gemacht, wie Mo Farah schlagbar wird, sondern auch Experten. Die große Stärke des Briten ist seine Lockerheit: Während seine Konkurrenz verbissen nach Möglichkeiten sucht, ihn zu gefährden, geht er mit klaren Kopf, viel Selbstbewusstsein und einer gewissen Portion Lockerheit ins Rennen. Auch weil seine Schlussphase unantastbar ist und er sich darauf verlassen kann. Daher erfolgt der Umkehrschluss: Wer Farah schlagen will, muss Mut zum Risiko zeigen und in der Frühphase attackieren. Denn wenn der große Farah eine winzige Schwäche hat, ist es jene, dass er keine absoluten Weltklassezeiten laufen kann. Aber wer kann das sonst in diesem Feld? Und wer geht dieses Risiko ein, in einem Wettkampf, der nur alle vier Jahre wiederkehrt und die größte Bedeutung im Sport genießt? Denn Risiko bedeutet auch eine große Gefahr des totalen Scheiterns. Und wer will mit leeren Händen da stehen, besonders, wenn es neben Farah noch zwei weitere Plätze am Stockerl zu vergeben gibt?

Jugend forscht

Wer über Olympische Entscheidungen im 10.000m-Lauf spricht, muss sich mit den Äthiopiern beschäftigen. Vier Goldmedaille bei den letzten fünf Olympischen Spielen sind eine unheimliche Erfolgsbilanz. Das Aufgebot der Äthiopier in Rio ist höchst interessant, weil keine großen Namen am Start sind. Die „No Names“ sind jung und unbekümmert und haben den Vorteil der Unberechenbarkeit. Nach dem Abtreten der großen Idole Gebrselassie und Bekele entstand ein leerer Raum und die lukrativen Straßenrennen zog viele äthiopische Lauftalente aus rein wirtschaftlichen Gründen von der Bahn weg. In diese Lücke ist nun ein junger Mann gestoßen, der vor vier Jahren bereits Junioren-Weltmeister geworden ist und viel Talent mitbringt: Yigrem Demelash ist äthiopischer Meister und in dieser Saison schneller gelaufen als Mo Farah. Doch die drei Äthiopier sind lediglich Außenseiter im Rennen, das gilt für Tamirat Tola und Ababi Hadis erst recht.

Große Fragezeichen hinter Rupp

Mit dabei ist auch der Olympia-Silbermedaillengewinner von London, Galen Rupp. Der US-Amerikaner hat sich in erster Linie aber für den Marathon qualifiziert, bei den US-Trials versuchte er sich dann auch über 10.000m und holte den Titel. Damit stehen aber Fragezeichen hinter der Leistungsfähigkeit des US-Amerikaners auf der Bahn, nachdem er im Herbst und Winter extrem viel Marathon-Ausdauer trainierte. Zuletzt übte 30-Jährige gemeinsam mit 1.500m-Läufer Matthew Centrowitz in Portland Intervalle, um an seiner Grundschnelligkeit zu schrauben, und hatte großen Spaß daran. „Ich habe eine Woche Regeneration und ein Doppelstart ist nun wirklich nichts Neues für mich“, zeigt sich der Amerikaner zuversichtlich, wollte sich aber nicht in die Karten blicken lassen, was den ersten Bewerb betrifft.
34 Läufer haben gemeldet, darunter befinden sich sechs Europäer. Was aber für ein Olympisches Finale bedenklich ist, ist die Anzahl der europäischen Nationen. Neben drei Briten ist der Belgier Bashir Abdi dabei und dazu noch die beiden kenianischen Türken Polat Kemboi Arikan, ein zweifacher Europameister, und Ali Kaya.
Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro

Share your love