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Rio 2016: 800m-Lauf der Herren, Vorschau: Rudisha gegen seine Kritiker

Der Lauffan wurde verwöhnt! Mit einer Fabel-Leistung holte David Rudisha 2012 im Olympiastadion von London seinen größten Sieg – in der Weltrekordzeit von 1:40,91 Minuten. Das Problem derartiger, einzigartiger Leistungen ist, dass die Erwartungshaltung gestiegen ist. Heute ist Rudisha längst…

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Der Lauffan wurde verwöhnt! Mit einer Fabel-Leistung holte David Rudisha 2012 im Olympiastadion von London seinen größten Sieg – in der Weltrekordzeit von 1:40,91 Minuten. Das Problem derartiger, einzigartiger Leistungen ist, dass die Erwartungshaltung gestiegen ist. Heute ist Rudisha längst nicht mehr so stark wie damals, sein Charakter und sein Auftreten haben dennoch Eigenschaften eines Superstars. Ganz Kenia fordert Gold von ihm, die ganze Welt erwartet es und für ihn ist die Olympische Goldmedaille „die einzige Option.“ Ein Problem ist: Rudisha selbst wird es überleben, wenn er in Rio nicht triumphiert. Bei der kenianischen Nation, die seine Laufstars verherrlicht, darf man da nicht ganz so sicher sein. Das zweite: Die Konkurrenz ist stark genug, dass sie ihm die Goldmedaille nicht auf dem Silbertablett serviert.
Bewerb: 800m-Lauf der Herren
Startzeit: Montag, 15. August 22:25 Uhr Ortszeit / Dienstag, 16. August um 03:25 Uhr MEZ
Olympiasieger 2012: David Rudisha (Kenia)
Rekord-Olympiasieger: Douglas Lowe (Großbritannien), Mal Whitfield (USA) und Peter Snell (Neuseeland) mit je zwei Olympiasiegen
Erfolgreichste Nation: USA mit neun Olympiasiegen
Olympischer Rekord: David Rudisha (Kenia) in 1:40,91 Minuten (London 2012) (= Weltrekord)
Favorit: David Rudisha (Kenia)

Wie hier in Peking will David Rudisha in Rio sich nach dem Rennen in Feierlaune zeigen. © Getty Images / Alexander Hassenstein
Wie hier in Peking will David Rudisha in Rio sich nach dem Rennen in Feierlaune zeigen. © Getty Images for IAAF / Alexander Hassenstein
David Rudisha ist der Chef im Ring! Noch deutlicher merkt man das, wenn man die Zeitmessung ausblendet. Sein Auftreten auf der Laufbahn schreit nach Ausnahmestellung, seine Konzentration und Zuversicht sind ungebrochen und mittlerweile ist er zwar nicht mehr zu schnell um von der Konkurrenz nicht geschnappt zu werden, aber er ist ihr mental und taktisch überlegen. Im vergangenen Jahr machte Rudisha einen sichtbaren Wandel durch: vom dominierenden Läufer zum Taktikfuchs, der die Rennen nun am Reißbrett designed und sie auf seine Weise in die Realität umsetzt.
Nach wie vor ist er der Frontman, der Mann, der das Rennen von vorne anzieht. Nach 400 Metern das Tempo forciert. Er drängt der Konkurrenz sein Tempodiktat auf, doch sein breites Kreuz verleiht ihr keinen Vorteil durch Windschatten. Wenn Rudisha auf die Zielgerade einbiegt, ist die Konkurrenz schon zu müde für Konter. Auf diese Weise hat er unzählige Rennen dominiert und gewonnen, doch Rudisha kann mittlerweile auch anders. Tempo verschleppen, Rhythmus wechseln und trotzdem im entscheidenden Augenblick zubeißen. Beim WM-Halbfinale in Peking brachte er mit einem Bummelrennen seinen größten Konkurrenten, Nijel Amos aus der Fassung, um im Finale wieder eine ganz andere Strategie vorzuführen. Die Unberechenbarkeit ist die neue Waffe des 28-Jährigen.

Kritiker nörgeln, Rudisha kontert
Viele zweifeln an der Verfassung des Olympiasiegers von London. © Getty Images / Alexander Hassenstein
Viele zweifeln an der Verfassung des Olympiasiegers von London. © Getty Images for IAAF / Alexander Hassenstein
Dennoch gibt es Kritik an David Rudisha, auch aus seiner Heimat. Die Harmonie zwischen ihm und seinem Entdecker, Förderer und Trainer Colm O’Connell soll eine Schaffenskrise durchleben, die laut Gerüchten sogar eine Trennung zur Folge hatte. Eine Neuigkeit, die Interpretationsspielraum bietet. Die Ergebnisse in diesem Jahr waren auch bescheiden: Einem Sieg in Szekesfehervar in Weltjahresbestleistung gesellen sich drei Niederlagen dazu, wobei er in der Diamond League in Shanghai und Stockholm nicht einmal unter die besten Drei kam. Und bei den Kenya Trials waren Alfred Kipketer und Ferguson Rotich schneller, ein Alarmsignal für viele seiner Fans. Nicht für Rudisha, der darauf verweist, auch im vergangenen Jahr die Trails nicht gewonnen zu haben und in Peking trotzdem souverän zum WM-Titel gelaufen zu sein. „In Rio wird alles anders sein als in der Saison davor. Versprochen!“ Die Zuversicht ist ungebrochen, der Star ist überzeugt, bestmöglich vorbereitet in das Olympische Finale am Montagabend brasilianischer Zeit zu gehen. „Ich bin in der besten Form seit drei Jahren (bevor die Verletzungsprobleme kamen, Anm. d. Red.)“, kontert er alle Zweifelsäußerungen. Ein neues Paar Laufschuhe seines Ausrüsters adidas mit auf der Innenseite eingenähter, kenianischer Flagge soll in Rio Flügel verleihen. Der rechte Schuh ist übrigens eine halbe Nummer größer als der linke, so will es der natürliche Körperbau des Kenianers.

Konkurrenz in Lauerstellung

Wenn im Estadio Olimpico Joao Havelange der Startschuss zur Jagd über zwei Stadionrennen fällt, ist für David Rudisha der Zeitpunkt gekommen, Geschichte zu schreiben. Zuletzt gelangen dem Neuseeländer Peter Snell zwei Olympiasiege in Folge in dieser Disziplin, ein gutes halbes Jahrhundert ist dies nun her. Doch Rudisha trifft in Rio auf harte Konkurrenz, aus der zwei Läufer herausstechen. Der Franzose Pierre Ambroise Bosse und der Algerier Taoufik Makhloufi hinterließen einen bärenstarken Eindruck in den Halbfinals.

Boris Berian versucht, die erste 800m-Medaille für die USA seit 24 Jahren zu gewinnen. © Getty Images for IAAF / Christian Petersen
Boris Berian versucht, die erste 800m-Medaille für die USA seit 24 Jahren zu gewinnen. © Getty Images for IAAF / Christian Petersen
Eine Frage der Taktik

Bosse, der einen Negativsplit lief, hat eine ähnliche Herangehensweise wie Rudisha, übernimmt gerne in der ersten Hälfte der zweiten Runde die Initiative und agiert liebend gerne von vorne. Oft hat er sich dabei schon die Finger verbrannt – siehe EM 2014 in Zürich – aber in diesem Jahr gestaltete er seine Rennen konstant auf hohem Niveau, nur das Podest bei den Europameisterschaften verpasste er erneut. Es wird spannend zu sehen sein, ob sich der 24-Jährige traut, Rudishas Rennplan bereits frühzeitig zu durchkreuzen und dem großen Kenianer sein Tempo aufzuzwingen. Ganz anders wird Makhloufi, in London Olympiasieger über 1.500m, das Rennen anlegen. Er wird von hinten kommen und auf seinen starken Schlusssprint die Zielgerade entlang hoffen.

Gefährliche Amerikaner

Mit Marcin Lewandowski aus Polen befindet sich ein zweiter Europäer im achtköpfigen Finalfeld. Der Europameister von 2012 hat jedoch bestenfalls Außenseiterchancen. Der kenianische Leichtathletik-Verband hat alle drei seiner Läufer ins Finale gebracht. Während Ferguson Rotich etwas müde wirkt, hat Alfred Kipketer seine Chance auf eine Medaille. Schwierig einzuschätzen sind die beiden US-Amerikaner Boris Berian und Clayton Murphy, die zu allem fähig scheinen. Berian hat heuer den ersten großen Wettkampf des Jahres im Rahmen der Hallen-Weltmeisterschaften in Abwesenheit Rudishas für sich entscheiden können, US-Meister Murphy glänzte im Halbfinallauf mit einer persönlichen Bestleistung von 1:44,30 Minuten. Beide sind in absoluter Topform und strotzen vor Selbstvertrauen.
Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro

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