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Es war ein ungläubiger Blick von Matthew Centrowitz auf die riesige Anzeigetafel des Olympiastadions von Rio de Janeiro. Als ob er es nicht für möglich halten konnte, was die Minuten davor passiert ist. Dabei dürften ihm seine Sinne unmissverständliche Signale…
Es war ein ungläubiger Blick von Matthew Centrowitz auf die riesige Anzeigetafel des Olympiastadions von Rio de Janeiro. Als ob er es nicht für möglich halten konnte, was die Minuten davor passiert ist. Dabei dürften ihm seine Sinne unmissverständliche Signale gegeben haben. Denn wer als Erster losläuft und bei einem Olympischen Rennen nicht überholt wird, wird mit Gold dekoriert. Klingt logisch, ist es auch. Und nach Sekunden der inneren Freude setzten sich die Mechanismen in Gang. Eine US-amerikanische Flagge wurde ihm von der Tribüne aus gereicht und die wohlverdiente Ehrenrunde stellte einen einzigen Genuss dar. Eine große Ehre war es für ihn auch, dass der zweifache Olympiasieger und jetzige IAAF-Präsident Sebastian Coe die wohlverdiente Goldmedaille überreichte.
Es war ein eigenes Rennen, das 1.500m-Finale der Herren. Irgendwie ein typisches Meisterschaftsrennen. Als der Startschuss fiel, setzte sich Matthew Centrowitz eher unwillkürlich an die Spitze des Feldes, während Favorit Asbel Kiprop demonstrativ die letzte Position einnahm. Und wenn Centrowitz, dessen Stärke im Schlussspurt liegt, führt, wird das Rennen langsam. Dementsprechend war das Tempo 800 Meter lang überschaubar. Nur kurz übernahm Ayanleh Souleiman 500 Meter vor dem Ziel die Führung, die ihm Centrowitz nur Augenblicke später wieder abjagte. Jetzt war das Tempo sehr hoch, doch Centrowitz gab den Platz an der Sonne nicht mehr ab, bis die Zeit bei exakt 3:50 Minuten stoppte. Keiner konnte den Hallen-Weltmeister auf der Zielgerade gefährden. Und es hatte den Eindruck, als würde sich der 26-Jährige selbst darüber wundern. Aber wer eine Schlussrunde von knapp über 50 Sekunden produzieren kann, ist immer verdächtig, als Schnellster ins Ziel zu kommen. Nach zwei WM-Medaillen und dem Titel in Portlands Convention Center erklomm der fleißige US-Amerikaner, der im Nike Oregon Project unter Starcoach Alberto Salazar trainiert, den Olymp und zelebrierte den größten Erfolg seiner Karriere.
Matthew Centrowitz Triumph, der zwar als kleine Überraschung einzuordnen ist, aber aufgrund seiner Fähigkeiten in den Schlussphasen von Meisterschaftsrennen nicht gänzlich unerwartet kommt, ist der erste für das in Rio unfassbar starke US-Team auf den Laufdistanzen. Doch dieser Olympiasieg hat für sein Heimatland eine ganz besondere Bedeutung. 1908 bei den Olympischen Spielen in London – vor sage und schreibe 108 Jahren – stand zuletzt ein US-Amerikaner ganz oben auf dem Podest eines Olympischem 1.500m-Laufs, Mel Sheppard. Es ist der vierte US-amerikanische Olympiasieg über diese Distanz insgesamt. Eine Olympische Medaille gab es zuletzt allerdings bereits vor vier Jahren, als Centrowitz Vierter war, aber sein Landsmann Leonel Manzano Silber gewann – als erster US-Läufer seit 1968.
Eine halbe Stunde vor dem Finale über 5.000m, wo die Kenianer in den Vorläufen für ein historisches Debakel gesorgt hatten, ging auch im Finale über 1.500m so ziemlich alles daneben, was sich der Pessimist mit den negativsten Gedanken so vorstellen kann. Das Rennen zeigte knallhart auf, wo die Gefahren von Meisterschaftsrennen liegen, in denen kein hohes Tempo angegangen wird. Als Kiprop gegen Ende der zweiten Runde sich vom Ende des Feldes nach vorne bewegte, wurde es eng. Sein junger Landsmann Ronald Kwemoi touchierte den Favoriten und ging zu Boden. Der Junioren-Weltrekordhalter raffte sich auf und spurtete zurück in die Gruppe, doch der Energieverlust wurde mit der Quittung auf der Ziellinie beglichen – Rang 13. Viel besser lief es für Kiprop auch nicht. Als er gegen Ende der dritten Runde aufholen wollte, kam auch er ins Straucheln, blieb auf den Beinen, verlor den Rhythmus. Aber der 27-Jährige, der austrainierter und schlanker denn je – das Gesicht eingefallen – wirkte, musste erneut viel Kraft aufwenden, um auf der Gegengerade außen vorbei zu laufen. Zwar platzierte sich Kiprop ausgangs der letzten Kurve im Windschatten Centrowitz, doch er hatte auf der Zielgerade nichts mehr zu bieten und belegte einen enttäuschenden sechsten Platz. Angesichts seiner hohen Favoritenrolle ein Resultat zum Abschminken.
Rang drei sicherte sich der beste Spurter im Feld, Nick Willis aus Neuseeland. Der Routinier kämpfte sich auf der Zielgerade noch von Rang sechs aus auf den Bronze-Platz. Sein Zieleinlauf erinnerte an das Olympische Finale von vor acht Jahren, als er mit einem noch sensationelleren Finish ebenfalls auf Rang drei spurtete und am Ende sogar Silber erhielt, nachdem der ursprüngliche Olympiasieger Rashid Ramzi des Dopings überführt wurde.
Unglücklich verlief das Rennen für Ayanleh Souleiman, der einen starken Auftritt auf Rang vier beendete. Winzige 0,05 Sekunden fehlten ihm auf das Stockerl. Abdalaati Iguider platzierte sich auf Position fünf, ebenfalls noch vor dem Weltjahresschnellsten Asbel Kiprop. Einen starken siebten Platz verzeichnete der Spanier David Bustos.