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Den ersten Rückschlag erlitten russische Leichtathleten bereits durch die Suspendierung des Russischen Leichtathletik-Verbandes ARAF durch den Leichtathletik-Weltverband IAAF und die im Juni in Wien beschlossene Verlängerung dieser Suspendierung. Damit wurden russische Leichtathleten von den Hallen-Weltmeisterschaften und den Europameisterschaften ausgeschlossen, der…
Im ständig mit negativen Erkenntnissen gefütterten Prozess, der das staatlich geförderte Dopingsystem Russlands in den letzten zwei Jahren ans Licht bringt, von neuen Tiefpunkten zu sprechen, ist angesichts der hohen Anzahl von Tiefpunkten fast nicht mehr möglich. Doch der gestern in Toronto von Richard McLaren vorgetragene, 103 Seiten umfassende Bericht öffnete neue Einblicke in die tiefen Abgründe der jüngeren russischen Sportgeschichte und bestätigte sämtliche vorab geäußerten Verdachtsmomente. Der kanadische Anwalt und unabhängige Ermittler im Kampf gegen Doping hat das Wissen und die Aussagen des in die USA geflüchteten, ehemaligen Chefs des Anti Doping Labor in Moskau, Grigory Rodchenkov in die Ermittlungen mit einfließen lassen, die schockierende Details über Manipulationen und Vertuschungen enthüllten – unter anderem systematische Vertuschungen im Anti Doping Labor in Sochi während den Olympischen Winterspielen 2014. Sochi war jedoch nur die Spitze: Nach den enttäuschenden Winterspielen in Vancouver 2010 wurde bei den Sommerspielen in London 2012, den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2013 in Moskau und den Schwimm-Weltmeisterschaften 2015 in Kazan manipuliert, geschwindelt und betrogen, wo es nur ging. Und das alles zielgerichtet gelenkt und kontrolliert vom russischen Sportministerium. In einer Auflistung der verschwundenen Resultate von positiven Dopingtests zwischen 2012 und 2015 – insgesamt 643 aus 30 Sportarten – steht die Leichtathletik mit 139 übrigens an erster Stelle. IAAF-Präsident Sebastian Coe kündigte Ermittlungen an.
Bereits wenige Stunden vor der Präsentation McLarens in der größten kanadischen Stadt hatten die kanadische und US-amerikanische Anti-Doping-Agenturen einen Antrag an das Internationale Olympische Komitee (IOC) gerichtet, das Sportland Russland gänzlich von den Olympischen Spielen auszuschließen. Dieser Wunsch wurde unmittelbar nach der gestrigen Pressekonferenz von der Welt Anti Doping Agentur in Form einer Empfehlung an die Olympische und Paralympische Bewegung unterstützt. IOC-Präsident Thomas Bach sprach in einer ersten Reaktion von einem „schockierenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports“ und kündigte die härtesten Sanktionen an. Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) sprach von einem „sehr finsteren Tag für den Sport“. Am Dienstag will das IOC nach einer ausführlichen Beratung weitere Schritte festlegen.
In den ersten Reaktionen sprach sich die Funktionärswelt nicht geschlossen für einen Olympia-Ausschluss der Russen aus. Die Vereinigung der Olympischen Sommersport-Verbände ASOIF sprach sich gegen eine generelle Sperre aus, pochte auf die Notwendigkeit der individuellen Gerechtigkeit und warnte vor übertrieben schnellen Entscheidungen. Zu den internationalen Verbänden, die einen kompletten Olympia-Ausschluss Russlands nicht befürworten und damit eine gegensätzliche Haltung zur IAAF einnehmen, gehören laut ersten Äußerungen auf Basis unterschiedlicher Motivationen die Sportarten Tischtennis, Volleyball, Turnen, Segeln, Rudern und Basketball.
Gegenwind strömt naturgemäß aus Russland entgegen, obwohl den Russen langsam die Argumente ausgehen. Präsident Vladimir Putin kritisierte, dass McLarens Bericht sich auf die Aussagen eines Mannes „mit skandalösem Ruf“ stützt, womit er Whistleblower Rodchenkov meinte. Außerdem warnte Putin vor einem „gefährlichen Rückfall einer Einmischung der Politik in den Sport“ – Russlands Hauptargument seit den Ermittlungen gegen den russischen Sport.
Für die russische Leichtathletik steht der Stichtag ohnehin am Donnerstag an. Dann verkündet der Internationale Oberste Sportgerichtshof in Lausanne, welche Anträge russischer Leichtathleten auf ein Startrecht bei den Olympischen Spielen 2016 stattgegeben und welche abgewiesen werden. Die neuen Erkenntnisse aus dem Bericht von Richard McLaren dürften dabei keine Hilfe für russische Sportler darstellen.