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Am 22. August rieb sich so mancher Laufsportexperte verwundert die Augen. Nancy Jelagat hatte Joyciline Jepkosgei, Siegerin des New York City Marathon 2019 und eineinhalb Monate später Triumphatorin beim London Marathon, beim Berliner Halbmarathon Paroli geboten und in einer Zeit von 1:05:21 Stunden den zweiten Platz belegt. Nancy wer? Nancy Jelagat! Das Rufzeichen ist durch ihren Triumphzug durch Valencia mehr als berechtigt. Im Alter von 35 Jahren, als Spätzünderin, die erst in den 30er überhaupt mit Laufsport internationaler Güteklasse begann und bis Berlin im 10km-Lauf nie unter 32 Minuten, im Halbmarathon nie unter 1:08 Stunden gelaufen ist und im Marathonlauf über eine Bestleistung on 2:36:22 Stunden verfügte. Fast 17 Minuten schneller war sie in Valencia: 2:19:30 Stunden. Daten einer Weltklasseläuferin. Einer spätberufenen.
Der Valencia Marathon der Frauen hatte so einige Überraschungen parat. Rahma Tusa, dreifache Siegerin des Rom Marathon, lag den größten Teil des Rennens auf Platz eins, hervorragend eingebettet in eine große Gruppe mit männlichen Tempomachern und Mitstreitern. Die favorisierten Guteni Shone, die ausstieg, und Azmera Gebru, am Ende Sechste, spielten nie eine vordergründige Rolle. Auch die Kenianerin Bornes Chepkirui, am Ende nicht einmal in den Top-Ten, nicht. Dafür aber neben Jelagat die jungen, unbeschwerten Debütantinnen aus Äthiopien: Etagegne Woldu, 25 Jahre alt und bisher noch mit keiner einzigen Leistung unabhängig der Distanz positiv aufgefallen, die in einer Zeit von 2:20:16 Stunden eines der schnellsten Marathon-Debüts der Geschichte ablieferte. Oder Beyenu Degefa, 22 Jahre jung, zuletzt Vierte beim Kopenhagen Halbmarathon, als Dritte in 2:23:04 Stunden.
Woldu war die einzige, die in der entscheidenden Phase einigermaßen Schritt halten konnte mit der Siegerin, die wie so oft bei Marathonläufen von ihrem persönlichen, männlichen Tempomacher fast bis auf die Ziellinie begleitet und geleitet wurde. Angesichts der Vorleistungen des Felds war das Tempo der Pacemaker von Beginn an sensationell. Eine Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:09:41 Stunden – zu diesem Zeitpunkt lagen neun Läuferinnen gleichauf (!) – war für Jelagat und Woldu trotz des durchaus beachtlichen Winds bei ansonsten herrlichen Marathonbedingungen in Südostspanien nicht zu schnell. Jelagats Tempo blieb konstant gut, eine leichte Steigerung nach Kilometer 30 inklusive. Genau in dieser Phase, rund neun Kilometer vor dem Ziel, öffnete sich eine Lücke zwischen den beiden Schnellsten, die nicht wieder zu schließen war.
Fionnuala McCormack, jahrelang unter ihrem Mädchennamen Britton aktiv, hat schon so einiges erlebt in ihrem Sportlerleben. Kein Wunder, als 37-Jährige ist sie seit einer gefühlten Ewigkeit im Geschäft. 2007 zeigte sie bei der Crosslauf-WM als 14. erstmals auf, wenige Monate später stand sie im WM-Finale des 3.000m-Hindernislaufs in Osaka. Zwei Crosslauf-EM-Titel folgten, eine EM-Medaille über 10.000m ging sich 2012 in Helsinki knapp nicht aus. Auch der 25. Platz beim Olympischen Marathon von Sapporo war aller Ehren Wert. Aber ihr Auftritt beim Valencia Marathon, eine Woche, bevor sie bei der Crosslauf-EM in Dublin ein Heimspiel feiern will, zählt zu den absoluten Highlights ihrer Karriere.
Denn McCormack finishte in einer Zeit von 2:23:57 Stunden, war damit um fast drei Minuten schneller als bei ihrem bisher schnellsten Marathon 2019 in Chicago und schob sich auf Rang zwei der ewigen irischen Bestenliste hinter Catherina McKiernan, die Ende des vergangenen Jahrhunderts zweimal schneller war als ihre Landsfrau gestern. McKiernan war auch McCormacks irische Vorgängerin als Crosslauf-Europameisterin. Beeindruckend war aber die Art und Weise. Voller Selbstbewusstsein hielt sich die erfahrene Läuferin nicht zurück und legte die erste Marathon-Hälfte in einer Zeit von 1:11:33 Stunden zurück, womit sie nicht einmal zwei Minuten hinter der Spitzengruppe lag. Aus dieser sammelte sie auf dem Weg zum Ziel einige Läuferinnen ein und machte Position um Position gut, auch wenn sie zwischen Kilometer 25 und Kilometer 35 ihr Tempo etwas reduzieren musste. Ein starkes Finale sicherte die Zeit unter 2:24 Stunden. In der europäischen Bestenliste liegen nur Lonah Chemtai Salpeter (2:18:54) und Charlotte Purdue (2:23:26), beide Leistungen aus London, vor McCormack.
Es war am Ende ein guter Marathon für die europäischen Teilnehmerinnen. Ihre Emotionen kaum mehr in den Griff bekam die Italienerin Giovanna Epis, die wenige Meter hinter ihrem treuen Begleiter und Landsmann Rene Cuneaz die Ziellinie in einer Zeit von 2:25:20 Stunden als Zehnte überquerte und ihre persönliche Bestleistung um knapp drei Minuten steigerte. Zuletzt hatte sich die 33-Jährige, die den Olympischen Marathon in Sapporo auf Position 32 beendet hatte, mit einer Halbmarathon-Bestleistung von 1:11:01 Stunden in Rom „aufgewärmt“. In einer Vorschau auf der Website des Italienischen Leichtathletik-Verband (FIDAL) erklärte sie, die Wahl auf den Valencia Marathon fiel mit dem Hintergedanken, zu ergründen, wo ihr aktuelles Leistungslimit liegt. Das ist ihr mehr als gelungen – im Ziel konnte sie kaum glauben, welch beeindruckender negativer Split ihr gelungen war.
Neben Epis überzeugten aus europäischer Sicht auch die Kroatin Bojana Bjeljac, die sich um eineinhalb Minuten auf eine Zeit von 2:26:07 Stunden steigerte und den kroatischen Rekrod von Lisa Christina Nemec lediglich um 23 Sekunden verpasste. Und ganz besonders die Holländerin Nienke Brinkman, die ihren ersten Marathon zu Ende lief und ihn sensationell in einer Zeit von 2:26:34 Stunden beendete. Wie ungewöhnlich diese Leistung ist, zeigt ein Blick in die Historie des holländischen Marathonlaufs. Brinkman ist in der Bestenliste die Nummer drei hinter Hilde Kibet und Lornak Kiplagat, seit neun Jahren ist keine Holländerin mehr einen so schnellen Marathon gelaufen. Holländische Medien schreiben von einer Sensation, schließlich liefe die in der Schweiz lebende Brinkman, selbst nationalen Medien offensichtlich kein großer Begriff, erst seit zwei Jahren und träume von den Olympischen Spielen 2024. Diesem Traum ist sie in Valencia einen kräftigen Schritt näher gerückt.
Im Gegensatz zum Männerrennen produzierte jenes der Frauen keine Erfolge für den deutschen Laufsport. Debütantin Miriam Dattke lag lange Zeit gut im Rennen, musste jedoch rund acht Kilometer vor dem Ziel mit Magenproblemen aussteigen. Laura Hottenrott kämpfte sich durch, brach aber in der Schlussphase ein und fiel weit zurück.
* neue persönliche Bestleistung
** Marathon-Debüt
*** neuer ecuadorianischer Landesrekord