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10. August 2012, kurz vor 21 Uhr britischer Zeit, Olympiastadion von London. Es fällt der Startschuss zum Finallauf über 1.500m der Damen. Es entwickelt sich ein langsamer, von abwartender Taktik geprägter Lauf, der in einem Schlusssprint gipfelt. Es kommt zur…
Die Auflistung der Betrug aufdeckenden Erkenntnisse und dementsprechend rechtlich folgenden Konsequenzen drücken sauberen Läuferinnen die Tränen in die Augen. Die ursprüngliche Siegerin Asli Cakir Alptekin wurde vergangenen Sommer als Wiederholungstäterin für acht Jahre gesperrt. Im Zuge des Korruptionsskandals der IAAF kam ans Tageslicht, dass der türkische Verband und die Athletin Schmiergeldzahlungen an den Leichtahtletik-Weltverband getätigt haben, um den positiven Dopingbefund zu verschleiern. Kaum blieben weitere Zahlungen aus, platzte die Bombe. Die ursprünglich zweitplatzierte Gamze Bulut, die außer dem herausragenden Wettkampfsommer 2012 sportlich nichts zustande brachte und alleine deswegen höchst verdächtig war, erbte in der Zwischenzeit von ihrer Landsfrau EM- und Olympia-Gold – vorläufig. Denn Bulut ist der neueste positive Dopingfall, ihre Resultate aus dem Wettkampfsommer 2012 dürften daher gestrichen werden.
Die ursprünglich drittplatzierte Maryam Yussuf Jamal ist damit neue Anwärterin auf Olympia-Gold 2012. Die gebürtige Äthiopierin suchte anfangs des Jahrtausends in der Schweiz politisches Asyl an und wollte für Swiss Athletics laufen, die Schweizer Politik blockte ab und Jamal ist seither Vertreterin des bahrainischen Leichtathletikverbandes – als zweifache Weltmeisterin und (vielleicht) bald Olympiasiegerin, die bisher nicht über eine positive Dopingprobe gestolpert ist. Ganz im Gegensatz zur Russin Tatyana Tomashova, eine zweifache Weltmeisterin, die bereits einmal zwei Jahre pausieren musste und deren Ergebnisse nach neuesten Erkenntnissen rückwirkend gestrichen werden – auch der ursprünglich vierte Platz bei den Olympischen Spielen 2012. Oder Abeba Aregawi, in London Fünfte, später Weltmeisterin und seit einer Woche eine gedopte Athletin, sofern die B-Probe die Analyse der A-Probe erwartungsgemäß bestätigt. Oder Natallia Kareiva, ursprünglich Siebte in London. Die Weißrussin wurde 2014 nach Unregelmäßigkeiten in ihrem biologischen Pass aus dem Verkehr gezogen. Oder Ekaterina Kostetskaya, in London Neunte. Auch die Russin ist seit zwei Jahren wegen Dopings gesperrt.
Nicht einmal vier Jahre ist dieses denkwürdige Rennen unter Olympischen Ringen her und hat längst einen Eintrag in das Kapitel der traurigsten Entscheidungen in der Sportgeschichte sicher. Von den 13 im Finallauf startberechtigten Läuferinnen sind seither nur sieben nicht des Dopings überführt und nicht gesperrt: Maryam Yussuf Jamal aus dem Bahrain, die US-Amerikanerin Shannon Rowbury und Morgan Uceny, die im Olympia-Finale zu Sturz kam, die Slowakin Lucia Klocova, die Britinnen Lisa Dobriskey und Laura Weightman sowie die Kenianerin Hellen Obriri – für sie gilt die Unschuldsvermutung und über ihnen hängt der Hoffnungsschimmer, dass unangenehme Neuigkeiten dieses „Rennen der Schande“ von London nicht noch weiter beschmutzen. Denn dieser Finallauf steht bereits jetzt wie ein Mahnmal der dunklen, jungen Vergangenheit der Leichtathletik, verbunden mit der Hoffnung, dass die Anti-Doping-Offensiven in diversen Ländern einen Säuberungsprozess initiieren und damit zukünftig solch drastische Einträge in das dunkle Kapitel der Sportgeschichte verhindern.
Zwischen Zorn und Hoffnung
In der Liste der nicht des Doping überführten Athletinnen hätte die US-Amerikanerin Shannon Rowbury die Silbermedaille gewonnen. „Diese Betrüger haben Läuferinnen wie mich beraubt!“, schimpft die WM-Medaillengewinnerin von Berlin 2009 in einer Video-Botschaft via social media, nachdem mit Aregawi und Bulut zwei weitere ihrer Konkurrentinnen von London ins Doping-Netz gegangen sind. Auch wenn Rowbury vielleicht nie eine Olympia-Medaille gewinnen wird (möglicherweise bekommt sie nachträglich noch eine von 2012) und sie erst recht nie mehr das emotionale Erlebnis im Olympiastadion von London zurückerhalten wird, kann sie den ganzen Dopingfällen sogar etwas Positives abgewinnen: „Dass immer mehr Athletinnen überführt werden, zeigt mir, dass meine beste Leistung genug sein kann, Erfolg zu haben. Deswegen gehe ich auch morgen wieder mit einem Lächeln und voller Motivation auf die Laufbahn, um mich so gut wie möglich auf Rio vorzubereiten.“ Ihre Landsfrau Alysia Montano wurde bei den Olympischen Spielen von London Fünfte im 800m-Lauf, vor ihr platzierten sich zwei Russinnen, die mittlerweile gesperrt sind und des Dopings überführt. „Ich kann keinem vertrauen. Ich kann nur hoffen, dass alles in Ordnung ist, wenn ich an der Startlinie stehe. Das ist alles, was ich tun kann“, formuliert sie die Verzweiflung, die abertausende Läuferinnen und Läufer weltweit spüren.
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