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Der Europäische Leichtathletik-Verband (European Athletics) hat im April 2023 die Entscheidung getroffen, den Marathon und Halbmarathon (bisher im Wechsel) aus dem traditionellen EM-Programm zu nehmen und dafür eigene Straßenlauf-Europameisterschaften durchzuführen. Starke Pro und Contras treffen aufeinander, besonders die Straßenlauf-Szene ist tendenziell nicht glücklich über diese Entscheidung. Denn die großen Marathons und Halbmarathons in Europa stehen in Konkurrenzsituation zur Straßenlauf-EM. Österreich wird in Belgien durch Timo Hinterndorfer vertreten.
Timo Hinterndorfer (DSG Wien) ist am morgigen Samstag Teil des EM-Halbmarathons und trägt damit zum zweiten Mal bei internationalen Meisterschaften das Nationaldress in der Allgemeinen Klasse. Im Juni 2024 war er Bester des österreichischen Teams beim Halbmarathon der Leichtathletik-Europameisterschaften in Rom. „Ich freue mich, wieder für eine EM nominiert worden zu sein. Die Stimmung wird sicher super sein, weil wir ja gemeinsam mit dem Feld der Freizeitläufer unterwegs sein werden. Ich fühle mich gut vorbereitet, meine Trainingsleistungen waren durchgehend besser als im letzten Jahr. Deshalb möchte ich mich auch besser platzieren als in Rom“, setzt sich der Österreicher durchaus hohe Ziele.
Geburtstag: 7. Juli 2004
Halbmarathon-Bestleistung: 1:03:05 Stunden (Wien 2024)
Besondere Erfolge:
Platz beim EM-Halbmarathon in Rom 2024
Siege bei den Halbmarathons in Linz und Wien 2024
In der Vorbereitung absolvierte der 20-Jährige einen guten 10km-Lauf in Valencia und einen guten 5km-Lauf in Monaco, wurde Staatsmeister im 10.000m-Lauf und überzeugte bei den schwierigen Bedingungen des Vienna 5K vor einer Woche (siehe RunUp.eu-Bericht). Die Halbmarathonstrecke weist 56 Höhenmeter auf und ist aufgrund eines signifikanten Anstiegs nicht ganz flach, dafür ist die Wetterprognose gut. „Ich glaube, dass das Feld mir liegen wird und daher setze ich mir das Ziel, meine Bestzeit zu unterbieten. Auch wenn der unangenehme Anstieg sicher weh tun wird“, so Hinterndorfer. 58 Läufer sind für das Eliterennen im Halbmarathon der Männer gemeldet, Hinterndorfer liegt mit seiner Bestleistung im Mittelfeld.
Die Eigenständigkeit der Straßenlauf-EM erlaubt die leichtere Integration von Hobby*läuferinnen in die EM-Bewerbe, so wie es zum Beispiel bereits die Organisatoren der Leichtathletik-Weltmeisterschaften von Budapest und der Olympischen Spiele von Paris 2024 (Marathon pour tous) versucht haben. In Leuven gelingt das, rund 28.000 Hobbyläufer*innen haben sich für die drei Bewerbe angemeldet, darunter beachtliche 12.000, die den Marathon laufen wollen.
Europas beste Läufer kommen nicht im Kollektiv zur Straßenlauf-EM. Die Platzierung mitten in der heißen Phase der europäischen Straßenlaufsaison mag einerseits für die Bahnathlet*innen, die sich zwischen Hallen- und Freiluftsaison in einer üblichen Periode der Trainingslager befinden, fallweise günstig sein. Für viele Straßenlauf-Spezialist*innen, die Richtung Marathon denken, ist sie dagegen denkbar ungünstig. Sie konzentrieren sich verständlicherweise auf einen lukrativeren Startplatz bei einer der Traditionsveranstaltungen.
Nicht von ungefähr sind die 10km-Läufe in der Dichte und in der Qualität besser besetzt als die längeren Distanzen. Einer der Topstars des Events ist Nadia Battocletti, die in den letzten Jahren auf der Bahn und im Crosslauf auf europäischer Ebene alles gewonnen hat und bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille im 10.000m-Lauf holte. Sie ist die Favoritin im 10km-Lauf. Auch der Marathon der Männer ist dank des starken israelischen Nationalteams, dem ehemaligen Europarekordhalter Kaan Kigen Özbilen und Frankreichs Topmann Nicholas Navarro an der Spitze sehr gut besetzt, allerdings bilden nur 43 Läufer das Elitefeld.
Bei den Frauen sind es gar nur 27, klare Favoritin in einer nicht schlecht besetzten Spitze Lonah Chemtai Salpeter aus Isreal. Aleksandra Lisowska, Europameisterin von München 2022, musste kurzfristig absagen. Spanien stellt das mit Abstand stärkste Aufgebot für die Nationenwertung. Auch der Halbmarathonlauf der Männer ist dank Jimmy Gressier, einem der stärksten europäischen Läufer dieses Kalenderjahres, gut besetzt, dagegen fehlen dem Halbmarathonlauf der Frauen mit 45 Starterinnen die großen Namen. Esther Pfeiffer könnte, sofern sie den Berliner Halbmarathon vom Wochenende gut weggesteckt hat, die besten Chancen auf eine deutsche Einzel-Medaille an diesem Wochenende haben.
Die erste Straßenlauf-EM findet in Leuven, einer historischen Universitätsstadt in der Nähe von Brüssel statt. Leuven hat eine der ältesten und renommiertesten Universitäten Europas, sie feiert neuer ihren 600. Geburtstag. Alle Bewerbe starten und enden in Leuven, nur die Marathonläufe erhalten ihren Startschuss in Brüssel. Damit ist die Marathon-Strecke nicht bestenlistentauglich, da es sich um eine Punkt-zu-Punkt-Strecke handelt.
338 Athletinnen und Athleten aus 46 Nationen wurden von ihren Verbänden nominiert. Medaillen gibt es in sechs Einzelbewerben sowie jeweils in der dazugehörigen Nationenwertung, für die jeweils die drei besten Zeiten pro Nation addiert werden.
Eine spannende Geschichte kann der Brite Ben Connor erzählen, der sein Land bei der Straßenlauf-EM repräsentieren hätte sollen. Der 32-Jährige ist mit einer Halbmarathon-Bestleistung von unter 1:01 Stunden und einer 10km-Bestleistung auf Höhe des österreichischen Rekords sicher kein No-Name in der Szene. Als er erfuhr, dass der britische Verband von ihm verlangte, über 1.000 Euro für die Teilnahme inklusive Serviceleistungen wie Nächtigung, Reise, Outfit und Betreuung selbst aufzubringen, zog er seinen Halbmarathon-Start frustriert zurück und läuft laut „Athletics Weekly“ anstattdessen zeitlich beim Newport Marathon Festival. UK Athletics dementierte nicht, setzte die Kosten, die von den Athlet*innen verlangt würden, aber deutlich niedriger an. (vgl. Runner’s World UK)
Die Bedeutung, die nationale Verbände der Straßenlauf-EM schenken, divergiert beträchtlich und äußert sich in geografischen Unterschieden. Südeuropäische Mitgliedsländer schicken deutlich stärkere Nationalteams als nordeuropäische, vielleicht auch, weil klimatisch bedingt die Straßenlauf-Frühjahrssaison im Mittelmeerraum schon am Abklingen ist. So stellen Italien und Frankreich die prominentesten Delegationen für die Straßenlauf-EM 2025, auch Spanien und – im Marathon – Israel schicken starke Teams. Dagegen nur die Zweitbesetzung kommt, wie so oft bei Europameisterschaften, aus Großbritannien.
Die deutsche Marathon- und Halbmarathon-Elite verzichtet de facto komplett. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat ein siebenköpfiges Team im Einsatz, sechs Athletinnen und Athleten laufen den 10km-Lauf. Der Schweizer Verband (Swiss Athletics) nominierte ein sechsköpfiges Team, alle Athletinnen und Athleten treten im 10km-Lauf an. Fabienne Schlumpf wäre für den Halbmarathon vorgesehen gewesen, fällt aber wegen einer Fußverletzung aus.
European Athletics hat die Straßenlauf-WM von World Athletics, das 2023 mit ihrer Premiere die bereits bestehenden Halbmarathon-Weltmeisterschaften ersetztee – also eine bereits bestehende Meisterschaft, als Vorbild genommen. Deren Erstaustragung in Riga mit dem Halbmarathon, dem 5km-Lauf und der Straßenmeile gelang, der Marathon ist aber weiterhin im Programm der Weltmeisterschaften, das nächste Mal im September in Tokio.
Die Tücke dieser Veranstaltungsidee zeigt sich im Jahr 2025. Durch die Spätaustraung der Weltmeisterschaften in Tokio – aus klimatischen Gründen – rückte die WM der Ende September geplanten Straßenlauf-WM in San Diego nahe. Doppelstars wären unmöglich gewesen. Der Österreichische Leichtathletik-Verband (ÖLV) entschied schon im November letzten Jahres, die WM in Kalifornien nicht zu beschicken.
Das ist seit einigen Wochen das kleinste Problem von World Athletics. Denn World Athletics hat San Diego die Austragung entzogen und sucht händeringend nach einem Ersatzaustragungsort, mit der Wahrscheinlichkeit eines späteren Termins im Jahr. Da konkrete Gründe in den beschwichtigten Statements beider Seite keinen Platz fanden, ist der Raum für Spekulationen weit geöffnet: von schweren organisatorischen Mängeln in der Vorbereitung hin bis zu einer Überschätzung der Finanzierbarkeit – trotz eines potenten Hauptsponsors, der laut Quellen drei Millionen US-Dollar bereitstellte (das entspricht ca. 2,65 Millionen Euro).
Doch es gab auch andere Stimmen. Die ansässige Zeitung „Times of San Diego“ zitierte eine Quelle, die anonym blieben wollte: „San Diego war nicht das Problem. Das Modell funktioniert nicht. Wir sehen es bei den US Olympia-Trials im Marathon. Die Verbände erwarten, dass Gastgeberstädte Dutzende Millionen Dollars aufstellen und bieten keine Hilfe bei der Finanzierung an.“ Aus finanziellen Gründen verlor San Diego bereits einmal ein Großevent: Die World Beach Games im Jahr 2019, erinnerte die „Times of San Diego“.
In San Diego, wo das Organisationsteam des dortigen Marathons das OK bildete, träumte man von 50.000 Teilnehmer*innen in allen Bewerben inklusive jener für Freizeitläufer*innen, mit einem Anteil von zwei Drittel außerhalb der Metropolregion – und damit mit einem erheblichen Wirtschaftsfaktor für San Diego. Diese zahlungspflichtigen Anmeldungen hätten den Event mitfinanzieren sollen, das „Canadian Running Magazine“ berichtete Anfang März unter Berufung auf eine anonyme Quelle aber, dass sich die Anmeldetendenz in weit kleineren Dimensionen entwickelte.
Die Episode San Diego 2025 passt so ganz und gar nicht zu den Vorbereitungen der Straßenlauf-WM 2026. Diese findet, ab nun in geraden Jahren, in Kopenhagen statt und der dänische Veranstalter plant ein Event der Superlative. 65.000 Laufbegeisterte sollen im September 2026 in der dänischen Hauptstadt laufen und damit den größten Laufevent in der dänischen Geschichte bilden. Glaubwürdig scheint das: 2014 brachte Kopenhagen mit der Installierung eines Massenevents für alle die Halbmarathon-WM auf ein neues Niveau.
Die zweite Ausgabe der Straßenlauf-Europameisterschaften soll im April 2027 in Belgrad über die Bühne gehen.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © VCM / Jenia Symonds