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Tokio Marathon: Die Elite unter sich

Aus Angst vor einem flächendeckenden Import des Coronavirus hat der Tokio Marathon vor zwei Wochen die Türen für rund 38.000 Eliteläuferinnen und -läufer nicht nur aus China, sondern aus der ganzen Welt versperrt. Damit brauchen sich die restlichen knapp 300.000…

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Aus Angst vor einem flächendeckenden Import des Coronavirus hat der Tokio Marathon vor zwei Wochen die Türen für rund 38.000 Eliteläuferinnen und -läufer nicht nur aus China, sondern aus der ganzen Welt versperrt. Damit brauchen sich die restlichen knapp 300.000 Bewerber für einen Startplatz, die aus Kapazitätsgründen keine Startzusage erhalten haben, nicht allzu sehr ärgern, wenn sie die Eliterennen des Tokio Marathon am kommenden Sonntag verfolgen. Für 2021 ist eine neuerliche Bewerbung vorerst wenig sinnvoll, denn alle 2020 Verhinderten bekommen einen vorerst reservierten Startplatz für 2021, der bei Überweisung der neuerlichen Startgebühr automatisch schlagend wird. Die diesjährige Nenngebühr wird wie in der Szene üblich nicht zurückgezahlt, übrigens auch keine Spendenbeiträge. Medaillen werden nicht verschickt, T-Shirts schon.
 
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Dass in letzter Konsequenz auch das Eliterennen abgesagt wird, stand übrigens nie zur Disposition und hätte aus sportlichen Gründen so kurz vor den Olympischen Spielen nicht mit den Intentionen des Veranstalters und des Japanischen Leichtathletik-Verbandes (JAAF) harmoniert. Nie zuvor waren die Elitefelder des Tokio Marathon so stark besetzt wie in diesem Jahr. Und bei den Männern ist die heimische Elite am Start, die einen besonderen Spannungsbogen spannt. Wer einen neuen japanischen Rekord aufstellt, bekommt den aktuell von Suguru Osako besetzten, dritten Startplatz bei den Olympischen Spielen vor heimischem Publikum in Sapporo. So bleibt beim Jahres-Auftakt der World Marathon Majors (WMM) heuer nicht nur generell die Elite unter sich, die eingeladene Elite hat auch echte elitäre Qualität. Getrennt vom Massenrennen in einem untypischen Rahmen.
 

© Adobe Stock / beeboys
Vorjahressieger in Favoritenrolle

Zwar liegt der Streckenrekord von Wilson Kipsang nun schon drei Jahre zurück, dennoch erlebte der Tokio Marathon im Vorjahr eine Sternstunde. Bei strömendem Regen stürmte Birhanu Legese zu einer Siegerzeit von 2:04:48 Stunden und legte zwei Minuten zwischen sich und den zweitplatzierten Bedan Karoki sowie fast vier Minuten zwischen sich und den drittplatzierten Dickson Chumba. Der 25-jährige Äthiopier ist auch heuer der klare Favorit und versucht als erster Läufer überhaupt in der 14-jährigen Veranstaltungsgeschichte, zwei Tokio Marathons in Folge zu gewinnen. Ein halbes Jahr nach seinem Vorjahrestriumph brillierte er in Berlin in einer persönlichen Bestleistung von 2:02:48 Stunden und siegte nur deshalb nicht, weil ein überragender Kenenisa Bekele ihn noch abfing und letztendlich fast Weltrekord gelaufen ist. Trotz dieser Gala ist Legeses Startplatz bei den Olympischen Spielen 2020 aufgrund der unheimlichen Dichte in Äthiopien keinesfalls gesichert, weswegen er wohl noch ein weiteres Statement braucht. Ein neuerlicher Sieg bei einem World Marathon Major wäre so eines.
 

Prominente Kenianer jagen favorisierte Äthiopier

Drei Läufer mit Bestleistungen unter 2:04 und fünf weitere mit Bestleistungen unter 2:05 Stunden bilden ein leistungsstarkes Feld, das Legeses Weg zum Sieg steinig gestalten will. Angeführt wird die Meldeliste von vier Äthiopiern: Legese, Getaneh Mollah, Sieger des Dubai Marathon 2019 in einer Streckenrekordzeit von 2:03:34 Stunden, Sisay Lemma, in Berlin 2019 hinter Legese Dritter in 2:03:36 Stunden, und Asefa Mengstu. Nichtsdestotrotz ist auch der Erzrivale aus Kenia mit starken Läufern vertreten. Dickson Chumba hat den Tokio Marathon in den Jahren 2014 und 2018 gewonnen und ist damit Rekordhalter des bislang einigen World Marathon Majors auf asiatischem Boden. Titus Ekiru glänzte in Vergangenheit mehrfach beim schwierigen Honolulu Marathon und beim Mailand Marathon 2019, den er in der schnellsten je auf italienischem Boden gelaufenen Zeit von 2:04:46 Stunden gewann. Amos Kipruto kommt mit dem Selbstbewusstsein einer WM-Medaille von Doha (Bronze) und der bereits erfolgten Olympia-Nominierung durch den Kenianischen Leichtathletik-Verband (Athletics Kenya) nach Tokio und ist trotz seiner Bestleistung von 2:05:43 Stunden einer der Kandidaten auf eine vordere Platzierung. Der 27-Jährige erwartet ein schnelles Rennen und hofft, selbst den Streckenrekord (2:03:59) angreifen zu können. Renndirektor Tadaaki Hayano kündigte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz angesichts der guten Wetterprognose gleich eine Zeit unter 2:03 Stunden an. Bedan Karoki, der jahrelang in Japan gelebt hat, ist zwar nur die Nummer zehn auf der Meldeliste, zeigte aber 2019 in Tokio (2.) und Chicago (4.) starke Leistungen. Ekiru und Karoki sind die kenianischen Reserveläufer für Olympia. Der ursprünglich angekündigte, ehemalige Weltmeister Geoffrey Kirui befindet sich dagegen nicht mehr auf der Startliste.
 

Interessante Ausgangsposition für Abdi

Das internationale Elitefeld wird komplettiert vom Äthiopier Hayle Lemi, zuletzt überzeugender Zweiter beim Toronto Waterfront Marathon, Asienrekordhalter El Hassan El Abbassi, zuletzt Siebter bei den Weltmeisterschaften, und Bashir Abdi. Der Belgier, einziger europäischer Beitrag an der Spitze des Tokio Marathon 2020, blickt auf eine geniale Saison zurück. Beim London Marathon und beim Chicago Marathon verbesserte er jeweils den belgischen Landesrekord und ist bei einer Zeit von 2:06:14 Stunden angelangt. Angesichts der erwartbaren Rennstrategie, die auf eine japanische Rekordzeit von unter 2:05:50 Stunden ausgelegt sein wird, könnte der 31-jährige Trainingskollege von Eliud Kipchoge etwas Risiko im Angangstempo nehmen müssen, das aber im positiven Fall eine gute Plattform für eine weitere Verbesserung bieten könnte.
 

Der Traum von Olympia

Shogo Nakamura und Yuma Hattori haben sich beim großen japanischen Ausscheidungsrennen im September für die Olympischen Heimspiele qualifiziert, Suguru Osako hat sein Olympia-Ticket unter Vorbehalt. Denn um eine Hintertür aufzumachen und zusätzliche Spannung in der diesjährigen japanischen Marathonsaison zu lukrieren, hat sich der japanische Verband etwas ausgedacht, dass Osako diesen Status noch verlieren könnte. Wenn nämlich jemand eine schnellere Zeit läuft als die schnellste Qualifikationszeit für das Ausscheidungsrennen, die gleichbedeutend ist mit dem japanischen Rekord. Auch diesen hält Osako und zwar in einer Zeit von 2:05:50 Stunden. Das ehemalige Mitglied des Nike Oregon Projects könnte also sinngemäß seinen Platz im japanischen Olympia-Team selbst verteidigen, indem er als bester Japaner ins Ziel kommt – egal ob mit oder ohne neuen Rekord.
 

Geld wichtiger als Ehre?

Spannend ist die Ausgangsposition deshalb, weil Osako, der vor fünf Wochen beim Dubai Marathon einen Testlauf von 25 Kilometern absolviert hat, und Yuta Shitara als die besten japanischen Marathonläufer der Gegenwart gelten. Doch da Osako beim Marathon Grand Championship nicht in Höchstform war und Shitara mit einer wenig zielführenden, fahrlässigen Offensivtaktik mit Zitronen gehandelt hat, bekommt der Tokio Marathon 2020 dieses grandiose Duell auf dem Silbertablett serviert. Shitara, der als Generalprobe einen Halbmarathon in 1:00:49 Stunden aufweisen kann (Marugame), ist ganz und gar kein typischer Japaner, spuckt regelmäßig große Töne, die die Grenze zur Arroganz hin und wieder überschreiten, aber auch Nährboden für geniale sportliche Auftritte sind. Daher backt er vorsorglich keine kleinen Brötchen und redet gar nicht über den japanischen Rekord: „Wenn ich nicht eine 2:04er Zeit laufe, verdiene ich nicht, an den Olympischen Spielen teilzunehmen.“ Sein Coach Satoshi Ogawa hält die Ankündigung in einem Beitrag auf der Website „JapanRunningNews“ einen Ausdruck seines großen Selbstvertrauens aufgrund des Wintertrainings. Im November hatte Shitara noch getönt, dass ihn die Olympischen Spiele eher sekundär interessieren, er primär die 100 Millionen Yen (das entspricht rund 830.000 Euro) Prämie für die Verbesserung des japanischen Rekords im Auge habe.
Als Dritter der Lokalmatadoren liebäugelt auch der 48 Kilo leichte Hiroto Inoue, der bei einer Bestleistung von 2:06:54 Stunden hält, mit einer Chance auf einen neuen japanischen Rekord. Bei den Trials hatte er mit Rang 22 ein sportliches Debakel erlebt. Vergessen und vorbei…
 
 
Tokio Marathon
Abbott World Marathon Majors

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