Im rot-weiß-roten Athletenteam, in dem nur drei Nachwuchsathletinnen stehen, befinden sich mit Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA), Emil Bezecny (Leichtathletik Akademie Eisenstadt), Timo Hinterndorfer (DSG Wien) und Elias Lachkovics vier Läufer und mit Tabea Schmid (ULC Riverside Mödling) eine Läuferin. Das Quintett ist mit unterschiedlichen Ausgangspositionen nach Israel gereist, Kamenschak gehört zur europäischen Elite seiner Altersklasse.
Glänzende Medaillenchancen für Kamenschak
Kevin Kamenschak hat sich gleich auf drei Distanzen für die Junioren-EM qualifiziert. Für den 3.000m-Lauf hat er bereits aus Gründen der Terminkollision mit dem 1.500m-Vorlauf auf seinen Start verzichtet, dort wäre er auf Rang sieben der Meldeliste nach Saisonbestleistungen gereiht gewesen und auf Platz drei laut persönlichen Bestleistungen hinter Supertalent Niels Laros aus den Niederlanden und Nicholas Griggs aus Irland. Diese beiden sind auch die Bestgereihten bei Kamenschaks chronologisch erstem Start in dieser Woche, dem Vorlauf über 1.500m am Montagabend. In seiner Spezialdisziplin ist der 19-jährige Oberösterreicher hinter den beiden auf Platz drei der Meldeliste gereiht und kann damit mit Recht um eine Medaille kämpfen.
Laros und Griggs sind mit ihren statistischen Werten freilich in einer anderen Leistungskategorie anzusiedeln. Der Holländer, der 15 Monate jünger ist als Kamenschak, hat in diesem Kalenderjahr den holländischen 1.500m-Rekord in der Allgemeinen Klasse egalisiert (3:32,89) und wird als „neuer Jakob Ingebrigtsen“ bezeichnet („Es ist ziemlich cool, mit ihm verglichen zu werden. Aber eines Tages werde ich ihn versuchen zu besiegen!“), der allerdings im Alter von fast 18 Jahren bereits Europameister der Allgemeinen Klasse wurde. Kurzum: Laros ist der haushohe Favorit. Griggs, der eine beeindruckende persönliche Bestleistung von 3:36,09 Minuten aufweisen kann, verzichtet auf ein Antreten im 1.500m-Lauf und konzentriert sich wohl auf die längeren Distanzen mit der Hoffnung, in Abwesenheit von Laros im 3.000m-Lauf Gold zu gewinnen. Im Kampf um die 1.500m-Medaillen dürfte das für Kamenschak gewiss kein Nachteil sein.
Vorbereitung in St. Moritz
Kamenschak hat im Juni einen durchaus beachtlichen Wettkampfblock mit Starts bei internationalen Meetings absolviert. Danach reiste er gemeinsam mit seinem Trainer Andreas Prem nach St. Moritz, wo er in Juli ein vierwöchiges Trainingslager in der Höhenlage der Schweizer Alpen absolviert hat, ehe in der Heimat das Final Tuning erfolgte. Daher war der Oberösterreicher weder bei den U23-Meisterschaften noch bei den Staatsmeisterschaften der Allgemeinen Klassee im Einsatz. Wie der Presseaussendung des ÖLV zu entnehmen ist, verlief das Trainingslager zufriedenstellend. Im intensiven Wettkampfprogramm von Jerusalem fällt Kamenschaks zweiter Start auf den 5.000m-Lauf, wo der Linzer nach seinem ÖLV-Juniorenrekord von 13:40,82 Minuten bei der Vienna Night Track der auf Nummer zwei Gelistete hinter Laros ist.
Kamenschak ist am Montagabend um 19:10 Uhr (MEZ) im zweiten von zwei Vorläufen im Einsatz und geht damit Laros, der in den ersten Vorlauf gelost wurde, aus dem Weg. Falls der Österreicher den allgemeinen Erwartungen entsprechend die Vorrunde übersteht, steht am Mittwoch in der Früh um 8:25 Uhr (MEZ) das Finale auf dem Programm. Das Finale im 5.000m-Lauf ist für Donnerstagabend um 19:20 Uhr (MEZ) geplant.
Hinterdorfer über 3.000m im Vorlauf raus
Die längeren Laufstrecken nehmen zwei weitere österreichische Athleten in Angriff, Emil Bezecny verzichtet trotz Qualifikation auf den 3.000m-Lauf und konzentriert sich voll auf den 5.000m-Lauf. Timo Hinterndorfer absolviert das Doppel. Im Vorlauf über 3.000m scheiterte der 19-Jährige am heutigen frühen Morgen allerdings im ersten Vorlauf, den er als Zehnter in einer Zeit von 8:38,37 Minuten beendete. Die Top-Acht eines jeden der beiden Vorläufe bestreiten das Finale am Mittwochabend, auf den Achten fehlten Hinterndorfer viereinhalb Sekunden. Im deutlich schnelleren zweiten Lauf erzielte Emmanuouil-Georgios Sgouros in 8:20,39 Minuten die schnellste Vorlaufzeit.
In der Meldeliste für den 3.000m-Lauf lag Hinterndorfer im hinteren Feld, im 5.000m-Lauf ist er genauso wie Bezecny etwas besser platziert. Einen schweren Stand dürfte auch Tabea Schmid haben, die sich im letzten Moment überhaupt qualifizieren konnte und im 3.000m-Lauf der Mädchen, der am Mittwoch um 8:05 Uhr (MEZ) über die Bühne gehen wird, als Außenseiterin ins Rennen geht. Mit Agate Caune und Sofia Thögersen sind zwei europäische Toptalente in dieser Disziplin am Start. Mit derselben Ausgangsposition geht Elias Lachkovics in den 800m-Vorlauf, der am Dienstag am frühen Abend angesetzt ist (ab 17:20 Uhr MEZ).
Erste U20-EM in Israel
Neben Kamenschak hofft das österreichische Nationalteam insbesondere mit Hürdensprinter Enzo Diessl (SU Leibniz) auf eine Spitzenplatzierung, mit seinem ÖLV-Juniorenrekord führt der Junioren-WM-Fünfte von 2022 sogar die Meldeliste an. Auch Zehnkämpfer Matthias Lasch (TGW Zehnkampf Union) kämpft um Edelmetall – beachtlich gute Aussichten also für die kleine rot-weiß-rote Delegation.
Die Junioren-Europameisterschaften werden zum 27. Mal ausgetragen. Etliche der über 1.000 Athletinnen und Athleten kennen den Austragungsort, das Givat Ram Stadion in Jerusalem, bereits bestens von den U18-Europameisterschaften, die im vergangenen Sommer in der israelischen Hauptstadt stattgefunden haben. Ein bekanntes Kriterium ist also auch die sommerliche Hitze im Staat am östlichen Mittelmeer, welches trotz seiner Lage in Asien seit Jahrzehnten den europäischen Sportverbänden angehört, was politischen Entwicklungen zugrunde liegt.
Jerusalem ist für den ursprünglich angedachten, rumänischen Gastgeber Cluj-Napoca eingesprungen. Dafür bedankte sich EA-Präsident Dobromir Karamarinov ausgiebig und findet: „Wir sind bereit, die besten U20-Europameisterschaften aller Zeiten zu produzieren. Es wird ein historisches Event.“ Weder in Rumänien noch in Israel haben bisher Titelkämpfe dieser Art stattgefunden, in zwei Jahren ist die finnische Stadt Tampere Gastgeber. In diesem Jahr haben sich 1.159 Athletinnen und Athleten aus 44 Nationen qualifiziert.
Die Laufstars der Zukunft im Schaufenster
Jerusalem bietet die Bühne für einige der europäischen Toptalente im Laufbereich. Einer, der zurecht mit vielen Vorschusslorbeeren ins Rennen geht, ist Niels Laros, der bei der U18-Europameisterschaften im Vorjahr zweimal in gewaltiger Überlegenheit die Goldmedaille holen konnte. Dass dem Holländer, mit dem Kevin Kamenschak gut befreundet ist und im Trainingslager in den USA im Frühjahr auch trainiert hat, in dieser Saison ein weiterer Leistungssprung gelungen ist, zeigten zuletzt auch hervorragende Leistungen auf der Unterdistanz des 800m-Laufs, die vierte Disziplin (!) in der er in Jerusalem die Meldeliste anführt. Wie genau sein Wettkampfprogramm von Jerusalem aussehen soll, ließ sich Laros im Interview mit European Athletics nicht in die Karten blicken. Der Rohdiamant wird von Tomasz Lewandowski trainiert, Bruder und Langzeit-Coach des polnischen Mittelstreckenläufers Marcin Lewandowski.
Im 800m-Lauf der Mädchen ist Audrey Werro als Vize-Junioren-Weltmeisterin und Titelverteidigerin das Ass im Feld. Die Schweizerin hat in dieser Saison wie auch in der letzten die Marke von zwei Minuten bereits deutlich unterboten und hat sich für die Weltmeisterschaften in der Allgemeinen Klasse in Budapest qualifiziert. Dennoch hat die Schweizer Nummer eins in dieser Disziplin eine starke Kontrahentin um die Goldmedaille, die Britin Abigail Ives, die ebenfalls bereits unter zwei Minuten gelaufen ist. Im Vorfeld gab sich die Schweizerin unbeeindruckt selbstbewusst: „Ich werde das Rennen von vorne gestalten. Dann fühle ich mich freier und kann das machen, was ich will.“ Werro, die aus Fribourg stammt, unter Christiane Berset Nuoffer trainiert und laut eines Porträts auf der Website von European Athletics bereits mehrere Interessenten von US-Colleges abgewiesen hat, ist der Star der nicht weniger als 45 Athletinnen und Athleten umfassenden Delegation des Schweizer Leichtathletik-Verbandes (Swiss Athletics) – ein neuer Rekord für unser Nachbarland.
Zu den potenziellen Laufstars der Zukunft, die in Jerusalem um Gold kämpfen, gehört die gerade erst volljährige Dänin Sofia Thögersen, die Favoritin im 1.500m-Lauf ist, und die Lettin Agate Caune, die das Doppel im 3.000m- und 5.000m-Lauf in Angriff nimmt. Dieses Doppel-Gold gelang bisher nur Elvan Abeylegesse 2001 und Alina Reh 2015. Besonders über die längste Distanz ist eine deutliche Dominanz der Osteuropäerin, die am ersten Wettkampftag ihren 19. Geburtstag feiert, zu erwarten, die in dieser Disziplin bei den vergangenen Junioren-Weltmeisterschaften in Cali im Sommer 2022 lange Zeit der afrikanischen Konkurrenz Paroli bot und am Ende Vierte wurde – beide kenianischen Starterinnen kamen hinter ihr ins Ziel. Im 3.000m-Lauf war sie Sechste, zuletzt verbesserte Caune im Rahmen der Diamond League den lettischen 3.000m-Rekord der Allgemeinen Klasse. Bei den Team-Europameisterschaften erzielte sie als Siegerin des 5.000m in der untersten Liga im Alleingang die schnellere Zeit als alle Teilnehmerinnen in den höheren Ligen.
Traditionell auf europäischer Ebene eine Disziplin für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ist der 3.000m-Hindernislauf, wo Carolin Hinrichs und Adia Budde die einzigen Teilnehmerinnen sind, die schon unter zehn Minuten gelaufen sind. 105 deutsche Athletinnen und Athleten sind in den kommenden vier Tagen im Einsatz. Im 3.000m-Lauf der Mädchen startet Vanessa Mikitenko, die Tochter der deutschen Marathonlegende Irina Mikitenko.
Junioren-Europameisterschaften 2023 in Jerusalem
European Athletics
Österreichischer Leichtathletik-Verband