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Der Jüngste im Team hat letztendlich für das rot-weiß-rote Halbmarathonteam die Kohlen aus dem Feuer geholt. Mit seiner Unbekümmertheit und Risikobereitschaft agierte der 19-jährige Timo Hinterndorfer mitten in der großen Verfolgergruppe Seite an Seite mit den Europameistern Richard Ringer und Tadesse Abraham und war als 32. der Beste eines ansonsten unter Wert geschlagenen, österreichischen Teams. Das italienische dominierte den EM-Halbmarathon auf heimischem Boden mit fünf Läufern in den Top-Ten und einem Doppelsieg mit Yemaneberhan Crippa und Pietro Riva vor dem Deutschen Amanal Petros.
Eigentlich wollte Timo Hinterndorfer (DSG Wien) es im Gespräch mit RunUp.eu gar nicht so hervorheben und lieber über seine Leistung reden. Aber, es sei schon „cool“ gewesen, bei seinem ersten EM-Auftritt bei den Erwachsenen als bester Österreicher ins Ziel zu kommen. Platz 32 in einem Feld von 64 Gestarteten fiel am Ende in die Wertung mit einer Zeit von 1:04:27 Stunden, beides unter den Vorzeichen in Ordnung und im Vergleich zu seinen Landsleuten und auch einem Teil der internationalen Konkurrenz durchaus beachtlich. Schließlich war der Wiener, der am 7. Juli seinen 20. Geburtstag feiern wird, der mit Abstand jüngste Teilnehmer im Feld. Von allen anderen ist nur der ungarische Marathonmeister Levente Szemerei, der hinter Hinterndorfer ins Ziel kam, ebenfalls im neuen Jahrtausend geboren. Nicht von ungefähr betonte das heimische Nachwuchstalent, dass es für ihn auch darum ging, Erfahrung für die Zukunft zu sammeln.
Timo Hinterndorfer wählte einen mutigen Ansatz und warf sich ohne Scheu ins Feld der Besten Europas. Im Nachhinein musste er etwas verlegen lachen, aber bei der Zwischenzeit nach fünf Kilometern, jenem Teil mit den engen Kurven und dem Kopfsteinpflaster, lag der 19-Jährige als einziger Österreicher in der großen Spitzengruppe, nur sechs Sekunden hinter den vorne kontrollierenden Italienern. Seine Zwischenzeit bei Kilometer zehn von 29:49 Minuten lag gerade einmal 20 Sekunden über seinem eigenen ÖLV-U23-Rekord im 10km-Straßenlauf, den er bei seinem letzten Vorbereitungsrennen Ende Mai in Manchester aufgestellt hat.
Zu diesem Zeitpunkt lohnte sich für Hinterndorfer nicht nur ein schneller Blick auf die architektonischen Schönheiten der „Ewigen Stadt“, sondern auch einer in seinen Rückspiegel. Denn Marathon-Europameister Richard Ringer und der letzte Halbmarathon-Europameister, Tadesse Abraham, lagen zu diesem Zeitpunkt einige Sekunden hinter dem Österreicher. Während der Deutsche ihn noch überholen sollte, blieb der Schweizer Routinier, mehr als doppelt so alt wie Hinterndorfer, den ganzen Wettkampf über hinter ihm.
Denn auch wenn der Wiener diese Pace nicht ganz halten konnte, er zog ein ordentliches Tempo bis zum Ziel durch und musste nur einzelne Kontrahenten passieren lassen. „Das war schon sehr cool in diesem Umfeld zu laufen. Ich finde, es ist keine schlechte Platzierung herausgekommen und die Zeit ist für die Bedingungen auch ok. Daher bin ich grundsätzlich zufrieden, mit der ganzen Euphorie rund um diese große Bühne, mit dem Stress im Umfeld war es eine gute Leistung“, analysierte der 19-Jährige recht reif und nüchtern. Es sei schwierig gewesen, im Rennen eine konstante Pace zu finden, in der Gruppe war es immer wieder unrhythmisch. „Aber, das ist halt ein ganz anderes Umfeld und ein ganz anderes Niveau, als ich es bisher gewohnt war.“
Als eines der größten Nachwuchstalente im heimischen Laufsport hat Hinterndorfer die Aufnahme als Heeressportler geschafft. Die finanziellen und zeitökonomischen Möglichkeiten, professionell seine Laufkarriere aufzubauen, sind somit wie schon in der Schulzeit gegeben. Trotz der starken Leistungen im Halbmarathon – der gegenwärtig sich selbst trainierende Hinterndorfer gewann im Frühling die Halbmarathonläufe sowohl im Rahmen des Linz Marathon als auch des Vienna City Marathon – liebäugelt er mit der Bahnleichtathletik. Im Juli geht es ins Trainingslager nach St. Moritz, um die zweite Saisonhälfte im August und September vorzubereiten – mit dem Ziel seinen ersten 5.000m-Lauf unter 14 Minuten zu laufen.
Doch Straßenläufe haben es dem jungen Athleten angetan. „In meiner näheren Zukunft sehe ich einen bunten Mix zwischen Bahn und Straße. Im Sommer möchte ich den Fokus auf die Bahn legen, 2025 steht mit der U23-EM eine wichtige Veranstaltung für mich an. Aber, ich habe auch die Straßenlauf-EM im April im Visier.“
So gut der EM-Halbmarathon für Hinterndorfer lief, blieben seine vier Teamkollegen doch weit von ihren besten Leistungen entfernt. Das spiegelt sich auch in Rang neun in der Nationenwertung wieder, für eine Top-Sechs-Platzierung fehlte doch einiges.
Geburtstagskind Andreas Vojta war mit einer Zeit von 1:05:38 Stunden und Rang 42 der zweitbeste Österreicher im Rennen. „In Relation zu meinen Ansprüchen und der Bestleistung war das Tempo nicht ganz so schnell, aber ich fühle, dass ich jene Pace kontrolliert durchgezogen habe, das heute möglich war. Ich sehe kein Szenario, in dem ich heute viel schneller laufen hätte können. Für die Schwüle finde ich die Zeiten an der Spitze sehr beeindruckend, wahrscheinlich bin ich zurzeit nicht in der besten Form meines Lebens“, analysierte der Routinier seinen EM-Auftritt.
Nach zuletzt negativen Erfahrungen mit Hitzerennen freute sich der 35-Jährige besonders, dass sich gestern Vormittag eine Wolkendecke über den Himmel über Rom gezogen hat und damit die Bedingungen bei 23°C Lufttemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 68% erträglich geblieben sind. Vojta war schon zum siebten Mal bei Europameisterschaften am Start, auf der vierten verschiedenen Distanz.
Nach einer suboptimalen Vorbereitung im Training komplettierte Peter Herzog (Union Salzburg LA) als drittbester Österreicher das Teamergebnis mit Platz 49 und einer Zeit von 1:06:07 Stunden. Der Salzburger war bereits mit niedriger Erwartungshaltung in die italienische Hauptstadt gereist und konnte daher mit seinem Abschneiden gut leben. „In den letzten Wochen habe ich ganz deutlich gespürt, dass ich kein Profi mehr bin und welche negativen Folgen das bedeutet. Das hatte natürlich Auswirkungen auf alles. Heute musste ich mich rein auf das verlassen, was mir an Talent naturgegeben ist.“ Und so gelang ähnlich wie bei Vojta eine versöhnliche Bilanz des EM-Wochenendes.
Aus etlichen inspirierenden Begegnungen am Event-Wochenende, aus der Atmosphäre und auch aus dem Wettkampf kann der 36-Jährige einen Motivationsschub mitnehmen, mit dem er nun einen koordinierten Marathon-Aufbau im Sommer angehen möchte. „Das Aufwärmen im Marmor-Stadion war gewaltig, der Zieleinlauf in der Arena ebenfalls mega“, so Herzog, der im Herbst noch einmal im Marathon angreifen möchte.
Deutlich unter den Erwartungen blieben Mario Bauernfeind und Dominik Stadlmann (beide KUS ÖBV Pro Team), die sich mit Leistungen von 1:08:03 Stunden und 1:09:03 Stunden auf die Position 54 und 57 von 57 Finishern platzierten. Bauernfeind berichtete bei seinem EM-Debüt von einem einzigen Kampf: „Es war von Anfang an nicht gut. Ich habe keinen guten Rhythmus gefunden und früh gewusst, dass es heute nichts wird.“ „Ich habe schon die ganze Saison nicht abgeliefert, was ich mir vorgenommen habe“, sagte Stadlmann, ebenfalls im Gespräch mit RunUp-Senior Editor Andreas Maier. Gestern bremsten ihn Atemprobleme aus, davor musste er sich aus einem mentalen Loch nach dem missglückten Marathon-Debüt in Linz hieven.
Der Halbmarathon durch die italienische Hauptstadt wurde zum Triumphzug der bis dato mit Abstand erfolgreichsten Nation bei diesen Titelkämpfen: Italien. Das starke italienische Team drückte vom ersten Kilometer an dem Rennen den Stempel auf und kontrollierte den Wettkampf. Auch in der entscheidenden Phase des Rennens diktierten die Italiener den Rhythmus. Als Pietro Riva und Maru Teferi eine kleine Lücke aufrissen, schien Yemaneberhan Crippa isoliert im Duell um die Medaillen gegen das deutsche Duo Amanal Petros und Samuel Fitwi. Doch das Duo schloss noch einmal auf, während Crippa für kurze Zeit seinen Kontrahenten die Initiative überließ. Auf den engen Wegen hinein auf das Gelände des Foto Italico fiel Fitwi aus der Spitzengruppe ab und Crippa attackierte erfolgreich.
Der 27-jährige in Äthiopien geborene und als Kleinkind adoptierte Italiener, der für diesen Halbmarathon-Auftritt auf die Titelverteidigung im 10.000m-Lauf verzichtete, zog durch und überquerte die Ziellinie unter dem Jubel der Zuschauer im Stadio Olimpico als Sieger in einer Zeit von 1:01:03 Stunden mit einem breiten Lächeln. „Ich war mir gar nicht sicher, ob es reichen würde. Ich war schon ziemlich müde auf dem letzten Kilometer, aber es war ein hartes Rennen. Als ich realisiert habe, dass ich gewinnen würde, war das eine gewaltige Emotion. Es ist für mich auch die Bestätigung, dass es richtig war, die Bahn zu verlassen und auf der Straße mein Glück zu versuchen“, kommentierte der neue Europameister.
Es wurde noch besser für den Gastgeber. Aus der letzten Stadionkurve heraus überholte Pietro Riva noch Amanal Petros, begleitet von einer unnötigen Geste, für die der Italiener verwarnt wurde, und gewann in 1:01:04 Stunden Silber. „Das ist definitiv der schönste Moment meiner Karriere!“, jubelte der 27-Jährige. Der 29-jährige Petros rettete die Bronzemedaille. „Ich war schon sehr, sehr müde, als wir im Stadion angekommen sind. Selbst diese tolle Atmosphäre konnte mir keine Energie mehr geben, um auf das Überholmanöver zu reagieren“, erzählte er später.
Mit der Medaille ging dennoch ein Traum für ihn in Erfüllung: „Ich bin sehr, sehr glücklich. Es ist so eine harte Arbeit im tagtäglichen Training. Aber ich bin auch froh, meiner Heimat etwas zurückzugeben. Ich bin vor 13 Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen, dort habe ich ein neues Zuhause gefunden. Ich wünschte, alle Menschen auf der Welt könnten Frieden und Freiheit finden so wie ich.“
Die Halbmarathonstrecke führte nach dem Start bei den Fori Imperiali direkt vor dem Kolosseum vorbei an zahlreichen der weltbekannten Sehenswürdigkeiten Roms. Im Mittelteil musste das Feld eine Schleife dreimal umrunden, ehe die Strecke auf das Foro Italico führte und erstmals seit 18 Jahren wieder zur Ziellinie im EM-Stadion.
In der Nationenwertung lag Italien, das fünf der sechs Läufer unter den besten Zehn platzierte, vor Israel und Deutschland. Neben Petros fielen die Leistung von Fitwi, der als Fünfter in 1:01:17 Stunden eine persönliche Bestleistung erzielte, und Filimon Abraham auf Platz 22 in die Wertung. Spannend: Mit Italien, Deutschland und Israel waren nur drei verschiedene Nationen in den Top-Ten vertreten!
Autor: Thomas Kofler
Titelbild: © SIP / Johannes Langer