Der australische Bundesstaat Victoria hat weniger als drei Jahre vor der geplanten Durchführung die Organisation der Commonwealth Games 2026 zurückgelegt. Der Premierminister des Bundesstaates rund um die Metropole Melbourne, Daniel Andrews, erklärte am Dienstag den drastischen Schritt mit den hohen Kosten. Statt der ursprünglichen Budgetplanung von rund 1,6 Milliarden Euro sei man nun bei geschätzten Kosten in Höhe von rund 4,2 Milliarden Euro für die Durchführung des zwölftägigen, alle vier Jahre wiederkommenden Sportfests angelangt, berichtet die französische Sportzeitung „L’Équipe“. „Die Kosten übersteigen den erwartbaren Nutzen um mehr als das Doppelte“, so Andrews, das sei für die Steuerzahler nicht zumutbar. Er sprach in einem in sozialen Netzwerken verfügbaren Video von einer „nicht schwierigen Entscheidung“.
Ersatzort gesucht
Aktuell steht die generelle Austragung der Commonwealth Games 2026 laut des zuständigen Verbandes (Commonwealth Games Federation) in der Schwebe. Man sei „höchst enttäuscht“ und versuche eine Lösung zu finden, heißt es in einem Statement. Alle anderen australischen Bundesstaaten sagten in einem ersten Schritt eine kurzfristige Übernahme der Spiele bereits ab, das Canadian Running Magazine berichtet aber über leichtes Interesse in Syndey und Adelaide. Beide Städte waren davor im inner-australischen Bewerbungsprozess hinter der Austragung in mehreren Städten in Victoria zurückgeblieben.
Es ist nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren, dass die Commonwealth Games vor Improvisation stehen. Die südafrikanische Metropole Durban sollte die Commonwealth Games 2022 ausrichten, 2017 wurde Durban die Ausrichtung entzogen, weil der lokale Organisator die Finanzierung der Commonwealth Games nicht nachweisen konnte. Die Commonwealth Games sind für viele Sportlerinnen und Sportler, die nicht zur Weltklasse in beliebten Sportarten wie zum Beispiel der Leichtathletik gehören, der größte sportliche Traum, außerdem ist es eine der Ausnahmegelegenheiten für viele Briten unter schottischer, walisischer, nordirischer oder englischer Flagge zu starten. Im Programm der Commonwealth Games befinden sich einige Sportarten, die nicht olympisch, in Nationen, die ehemals dem britischen Commonwealth angehörten, aber sehr beliebt sind – und in denen die Commonwealth Games ein absolutes Highlight sind.
Britische Medienberichte signalisieren ein Interesse Londons, die Commonwealth Games 2026 eventuell zu übernehmen. Ein Sprecher von Bürgermeister Sadiq Khan bestätigen Überlegungen für entsprechende Gespräche. Auch aus Schottland gebe es laut BBC Interesse. Als Ausrichter der Commonwealth Games 2022 wäre in Birmingham die Infrastruktur bereits vorhanden, allerdings ist die mittelenglische Millionenstadt 2026 bereits Ausrichter eines Sport-Großereignisses und zwar der Multisport-EM inklusive der Leichtathletik.
Commonwealth Australia enttäuscht
Commonwealth Games Australia, der zuständige Nationalverband, ärgerte sich, dass es nur wenige Stunden vor der Pressekonferenz von Andrews über den Schritt informiert wurde und es keine Zeit für Diskussionen und Kommunikation gegeben habe. In einem offiziellen Statement bezeichnete Craig Phillips, Geschäftsführer von Commonwealth Games Australia, die Kostenkalkulationen von Andrews als übertrieben. Sie sei weder mit Commonwealth Games Australia noch mit der Commonwealth Games Federation abgesprochen, worüber sich insgesondere die CGF erbost und schockiert zeigte. Die Entscheidung der politischen Führung des Bundeslandes ignoriere auch die bisherigen Bemühungen des Organisationskomitees und die getätigten Kosten in der Event-Vorbereitung, unter anderem beim Stadionbau in Melbourne. Abschließend schreibt Phillips: „Die Regierung von Victoria hat das Standing Melbournes und Victorias als Hauptstadt des globalen Sports auf das Spiel gesetzt.“
Die Commonwealth Games, die im globalen Sport eine wesentlich geringere Bedeutung haben als Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele, aber das drittgrößte Multisport-Event der Welt hinter den Olympischen Spielen und den Asienspielen sind, sind damit mit Herausforderungen konfrontiert, die viele Sportgroßveranstaltungen haben – die hohen Organisationskosten bei limitiertem wirtschaftlichen Wert. Bereits jetzt gibt es nur wenige dem Commonwealth angehörige Nationen, die ein solches Großevent überhaupt durchzuführen in der Lage sind: außerhalb Großbritanniens sind Australien und der mögliche Gastgeber 2030, Kanada, zwei der wenigen. Daher wurden die Commonwealth Games bereits zum dritten Mal im laufenden Jahrhundert nach Australien vergeben, die kommende Auflage steht nun aber in den Sternen.
Commonwealth Games Federation
Commonwealth Games Australia