Enter your email address below and subscribe to our newsletter

Viel versprechende Lauftalente aus Ozeanien

Cameron Myers, Claudia Hollingsworth und Peyton Craig sind Australiens Laufzukunft, auch Richtung Olympia 2032. Neuseeland hat ebenfalls sein Lauf-Wunderkind, Sam Ruthe.
Weiterlesen

Share your love

Das 17-jährige Sprint-Wunderkind Gout Gout ist in der Leichtathletik-Welt in aller Munde, doch die ozeanische Leichtathletik hat auch im Laufsektor einige hochspannende Talente zu bieten. Die meisten waren am vergangenen Samstag beim Maurie Plant Meet in Melbourne, dem wichtigsten Meeting der australischen Sommersaison, am Start. Ein Blick auf eine Generation aus Ozeanien, die die Zukunft im Laufsport mitgestalten und das Erbe zahlreicher Mittelstreckenlegenden aus Australien und Neuseeland aufgreifen könnte.

Fachleute erinnern sich zwangsläufig zurückversetzt in die Mitte des letzten Jahrzehnts, als Insider*innen und Laufplattformen von Wunderleistungen eines norwegischen Teenagers zu berichten begannen. Heute ist Jakob Ingebrigtsen ein Weltstar des Sports, zweifacher Olympiasieger, zweifacher Weltmeister, zweifacher Hallen-Weltmeister – die EM-Medaillen aus unterschiedlichen Disziplinen können unroutinierte Mathematiker*innen kaum noch addieren. Im Quervergleich mit dem, was Sam Ruthe und Cameron Myers im vergleichbaren Alter leisten, wirken die Leistungen des jungen Ingebrigtsen gar nicht mehr so sensationell.

Laufen im Blut

Sam Ruthe ist am 12. April 2009 geboren. Ein solcher Jahrgang dürfte in der Berichterstattung über Spitzensport normalerweise im Jahr 2025 kaum eine Rolle spielen. 15 Jahre alt ist der Neuseeländer, der aus der Kleinstadt Tauranga City stammt, die den leistungsstärksten Hafen des Inselstaats hat und an der Nordküste der Nordinsel liegt. Seine Großeltern nahmen an Olympischen Spielen teil. Der aus Großbritannien stammende Trevor Wright gewann EM-Silber im Marathon 1971 in München und belegte beim London Marathon und beim New York City Marathon jeweils einmal den dritten Platz. Rosemary Stirling, eine in Neuseeland geborene Athletin zweier aus Großbritannien Stammender, gewann vier EM-Medaillen insgesamt und holte bei den Commonwealth Games 1970 in Edinburgh Gold über 800m. Fast drei Jahrzehnte verbrachte sie in England, ehe sie gemeinsam mit ihren Mann nach Neuseeland zurückkehrte. Auch Ruthes Eltern waren beide Läufer auf nationalem Level.

Schneller als Ingebrigtsen mit 15

Ruthe hat viel Talent geerbt. Als 15-Jähriger brach er etliche neuseeländische Rekorde der Jugendaltersklassen. Im Jänner lief er in Whanganui eine Meile in 4:01,72 Minuten, nicht einmal annähernd war jemals ein 15-Jähriger so schnell. Am 1. Februar wurde er in Hastings neuseeländischer Meister im 3.000m-Lauf, wohlgemerkt der Allgemeinen Klasse, und stellte einen Altersrekord über diese Distanz auf (7:56,18). Nie war ein neuseeländischer Meister in der Leichtathletik jünger.

Es folgte der nationale Meistertitel im 1.500m-Lauf, sensationell zeitgleich mit seinem Trainingspartner Samuel Tanner. Der Ex-aequo-Sieg war ein Novum in der neuseeländischen Laufhistorie. Wenige Wochen zuvor hatte er Ingebrigtsens Bestleistung als 15-Jähriger um über eine Sekunde unterboten. Und nicht einmal einen Monat vor seinem 16. Geburtstag rannte Ruthe in Auckland die erste sub-4-Meile ever eines 15-jährigen: 3:58,35 Minuten. Der bisher jüngste war Ingebritgtsen 2017, als 16-Jähriger, der bisher zweitjüngste, Cameron Myers. Wie wichtig Ruthe dieses Ziel war, äußerte er nachher in einem Interview mit der britischen Nachrichtenagentur Reuters und zeigt auch die Tatsache, dass sein Trainingspartner Tanner ihm als Tempomacher zur Verfügung stand.

Neuseeländischer U18-Rekord in Melbourne

Sam Ruthe, wilde, jugendliche Frisur mit hellen Haaren, lachte an der Startlinie sichtlich glücklich, als die TV-Kamera passierte. Als ob es für einen 15-Jährigen Normalität wäre, auf einem solchen Niveau in einem solchen Feld zu laufen. Das Maurie Plant Meet ist der Auftakt zur World Athletics Continental Tour Gold (A-Meeting), die zweithöchste Meetingkategorie hinter der Wanda Diamond League. Neben Ruthe standen Leute wie Peter Bol, Olympia-Vierter im 800m-Lauf von Tokio, und Oliver Hoare, Commonwealth Champion 2022 im 1.500m-Lauf. Das Meilenrennen war der australischen Legende John Landy gewidmet, ein würdiger Rahmen für ein denkwürdiges Rennen.

Ruthe erreichte als Wettkampf-Siebter ein wichtiges Ziel: Seine neue Bestleistung von 3:40,12 Minuten ist neuseeländischer U18-Rekord, in der neuseeländischen U20-Bestleistung liegt nur noch Samuel Tanner vor ihm – auch kein Nick Willis, der später in seiner Karriere zwei Olympia-Medaillen gewinnen sollte.

Myers: Australiens Zukunftshoffnung

Der Star des ungewohnt kühlen Abends im mit 10.000 Zuschauer*innen restlos ausverkauften Lakeside Stadium im Albert Park der australischen Metropole war aber Cameron Myers, keine drei Jahre älter als Ruthe. Der 18-Jährige dominierte das Rennen derartig, dass seine taktische Herangehensweise berechtigterweise mit dem Jakob-Ingebrigtsen-Style verglichen werden kann. Sofort puschte er vor Hoare an die Position hinter dem Pacemaker, stieß diesen entschlossen ins Infield, als er ihm zu langsam wurde, er attackierte von vorne in der vorletzten Kurve und lag auf der Gegengerade des letzten Umlaufs schon deutlich in Führung. Hoare und der zu diesem Zeitpunkt weit abgeschlagene Bol hatten keine Chance mehr.

Das Ergebnis des 1.500m-Laufs in Melbourne
1. Cameron Myers (AUS) 3:34,98 Minuten
2. Adam Spencer (AUS) 3:35,52 Minuten
3. Jude Thomas (AUS) 3:36,48 Minuten
4. Oliver Hoare (AUS) 3:36,48 Minuten
5. Samuel Tanner (NZL) 3:36,67 Minuten
6. Peter Bol (AUS) 3:37,29 Minuten
7. Sam Ruthe (NZL) 3:40,12 Minuten
8. Jack Anstey (AUS) 3:40,38 Minuten

Myers, fast kahl rasierter Kopf und entschlossene Miene, vollendete sein Werk in einer Zeit von 3:34,98 Minuten, die siebtschnellste Zeit seiner Karriere. Ausgerechnet Adam Spencer, der bei der Olympia-Nominierung für Paris den Vorzug gegenüber Myers bekommen hatte, weil er diesen bei den australischen Meisterschaften 2024 klar besiegt hatte, kam ihm auf der Zielgerade noch nahe, musste sich dieses Mal aber mit Platz zwei zufrieden geben. „Da der Wind ein Faktor war, hab ich trotz des Frontruns versucht, Energie zu konservieren“, kommentierte der Junior.

Es ist jedenfalls der größte Wettkampfsieg in der noch jungen Karriere des australischen Toptalents, das im vergangenen Sommer bereits durch Europa tourte und Ende August nur haarscharf die Goldmedaille bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Lima verpasste. Geradezu sensationell waren seine Indoor-Leistungen im Februar in den USA, gekrönt vom dritten Platz bei den Millrose Games in New York in einer Zeit von 3:47,48 Minuten (siehe RunUp.eu-Bericht). Es ist ein neuer Meilen-Juniorenrekord!

Der Auftritt in Melbourne war der erste seither für Myers, er knüpfte sowohl mit Unbekümmertheit als auch mit Stärke an die Leistungen der Hallensaison an. Myers führt sämtliche australische Bestenlisten zwischen 1.500m und 3.000m im Juniorenbereich an.

Sechs Kontinente, 249 Meetings

Die World Athletics Continental Tour 2025 umfasst 249 Leichtathletik-Meetings rund um den Erdball und bezieht alle Kontinente ein. Erstmals ist auch ein Meeting in Indien mit im Programm. Zwölf Meetings haben das Gold-Label, der Auftakt zu dieser Premiumserie innerhalb der Continental Tour ging am vergangenen Wochenende in Melbourne über die Bühne und findet ihre Fortsetzung am 12. April in Gaborone in Botswana, ihr Finale am 7. September in Peking.

Die europäischen Stationen sind das Boris Hanzekovic Memorial in Zagreb, normalerweise im September angesetzt, heuer bereits Ende Mai, das Irena Szewinska Memorial in Bydgoszcz, die FBK Games in Hengelo, die Paavo Nurmi Games in Turku, das Golden-Spike-Meeting in Ostrava und das Gyulai Istvan Memorial in Budapest.

Mit dem Raiffeisen Austrian Open in Eisenstadt hat Österreich am 23. Juli ein Silber-Meeting in der World Athletics Continental Tour. Das Meeting in der burgenländischen Hauptstadt hat somit dieselbe Wertigkeit wie etwa das ISTAF in Berlin oder die traditionsreichen Meetings in Luzern, Bellinzona und Rovereto. Ein österreichisches Bronzemeeting ist das Liese Prokop Memorial am 19. Juni, die Track Night Vienna fünf Tage vorher wird als Challenger-Meeting geführt.

2024 nahmen laut World Athletics 20.443 Athlet*innen aus 193 verschiedenen Ländern an Meetings der World Athletics Continental Tour teil. Die elf Meetings der Gold-Tour kamen auf 1.480 Athlet*innen aus 105 Ländern.

Das weibliche Pendant: Claudia Hollingsworth

Das australische Toptalent im Laufbereich der Frauen heißt Claudia Hollingsworth. Die bald 20-Jährige war wie Myers im vergangenen Jahr Silbermedaillengewinnerin bei den Junioren-Weltmeisterschaften und zwar im 800m-Lauf. In Melbourne bestritt sie den 1.500m-Lauf und gewann ihn in einer Zeit von 4:05,97 Minuten, ein neuer Meetingrekord. „Beim Aufwärmen war ich noch nervös, aber der Wettkampf lief richtig glatt!“, sagte sie nachher.

Die statistische Zahl ist keine Besonderheit und liegt auch drei Sekunden über ihrem Bestwert, aber die Konkurrenz, die Hollingsworth hinter sich ließ, ließ sich schon sehen. Sarah Billings, mit der sich Österreichs Caroline Bredlinger im Hallen-WM-Vorlauf von Nanjing duelliert hatte, die ehemalige 1.500m-Landesrekordhalterin Linden Hall und Abbey Caldwell, Mitglied der Crosslauf-WM-Bronzestaffel Australiens bei der Heim-WM 2023, liefen hinter der Siegerin auf den Positionen zwei bis vier ins Ziel.

Hollingsworth, die von Australiens Lauflegende Craig Mottram trainiert wird, glänzte im Verlaufe der australischen Sommersaison Mitte März bei der Sydney Track Classic mit einer Leistung von 1:59,30 Minuten im 800m-Lauf. Es ist die fünftschnellste 800m-Zeit des Jahres bisher, außerhalb der Halle war nur ihre Landsfrau Bendere Oboya neun Tage vorher, ebenfalls in Sydney, einen Tick schneller gelaufen.

Maurie Plant Meet 2025

Australiens Leichtathletik im Hoch

Myers und Hollingsworth sind zwei prominente Beispiele vieler junger Leichtathletik-Talente aus „Down Under“. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften von Lima 2024 gewann Athletics Australia 14 Medaillen, nur die USA war noch erfolgreicher. Bei den Leichtathletik-Bewerben der Olympische Spiele 2024 gewann die von Stabhochsprung-Goldmedaillengewinnerin Nina Kennedy angeführte Nationalmannschaft der „Aussies“ sieben Medaillen, die viertmeisten hinter den USA, Kenia und Großbritannien – darunter die Silbermedaille von Jessica Hull, Australiens Mittelstreckenstar bei den Frauen. Mit den Olympischen Spielen von 2032 im heimischen Brisbane am Horizont nimmt die australische Presse den Aufschwung der australischen Leichtathletik wohlwollend zur Kenntnis, insbesondere die Erfolge der Youngsters.

Weitere Laufhighlights der australischen Sommersaison

Zu den weiteren starken Leistungen der australischen Läufer*innen zählt der zweite Platz der australischen Rekordhalterin Georgia Griffith im 3.000m-Lauf beim Maurie Plant Meet. Die 28-Jährige schob sich mit einer Zeit von 8:35,10 Minuten zwischen die beiden Äthiopierinnen Fantaye Belayneh, Afrikameisterin über 5.000m, und Senayet Getachew, 2023 Junioren-Weltmeisterin im Crosslauf. Außerdem der 5.000m-Sieg von Ky Robinson in einer Zeit von 13:13,17 Minuten. Der 23-Jährige hatte bei der Hallen-WM die historische Bronzemedaille für Australien im 3.000m-Lauf gewonnen, als er mit den Weltklasseläufern Jakob Ingebrigtsen und Berihu Aregawi zur Siegerehrung durfte.

Tags darauf fand im Lakeside Stadium von Melbourne noch ein weiteres Meeting statt, eines der Continental Tour Bronze. Den 800m-Lauf der Männer gewann Peyton Craig in einer Zeit von 1:46,45 Minuten. Am Tag zuvor feierte der ebenfalls von Mottram betreute Athlet seinen 20. Geburtstag. Seit seiner Bestleistung von 1:44,11 Minuten ist er australischer Junioren-Rekordhalter und nur einen Hauch entfernt vom australischen Rekordhalter Joseph Deng.

Bei der Sydney Track Classic Mitte März glänzte nicht nur Claudia Hollingsworth mit ihrem 800m-Sieg in 1:59,30 Minuten, sondern auch Peter Bol, der das Männerrennen mit einer Zeit von 1:44,86 Minuten gewann. Georgia Griffith und Jude Thomas sicherten sich in der Olympia-Stadt von 2000 die australischen Meistertitel im 3.000m-Lauf.

Traditioneller Start der australischen Sommersaison war das Meeting Zatopek 10 in Melbourne noch vor Weihnachten. Inkludiert waren, ebenfalls traditionell, die australischen Meisterschaften im 10.000m-Lauf, in diesem Jahr gewonnen von Rose Davies in 32:21,71 Minuten – vor Lauren Ryan und Leanne Pompeani – sowie Jack Rayner in 28:26,12 Minuten – vor Sam Clifford und Oliver Chignell.

Abgeschlossen wird die australische Wettkampfsaison der Leichtathletik mit den australischen Meisterschaften, die in guter einer Woche in Perth, der Metropole an der Westküste, über die Bühne gehen.

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Pixabay

Share your love