Jacob Kiplimo und Jakob Ingebrigtsen haben sich beim 3.000m-Lauf im Rahmen des Wanda Diamond-League-Meetings in Rom das erhofft hochklassige Duell um den Sieg geliefert und gemeinsam ein historisches Ergebnis kreiert. Das Supertalent aus Uganda siegte in einer Zeit von 7:26,64 Minuten vor dem Supertalent aus Norwegen, der eine Zeit von 7:27,05 Minuten erzielte. Die beiden 19-Jähigen liegen mit ihren neuen Landesrekorden nun in den Top Ten der ewigen Bestenliste des 3.000m-Laufs des Leichtahtletik-Weltverbandes (World Athletics). Zusätzlich gelangen auch dem starken Australier Stewart McSweyn und dem Italiener Yemaneberhan Crippa neue Landesrekorde.
Hohes Tempo, spannendes Rennen
Die letzte Europastation der deutlich verkürzte Diamond-League-Saison 2020 sollte letztlich unter dem gewaltigen Eindruck stehen, dass Armand Duplantis mit der Verbesserung des Uraltrekords von Sergey Bubka im Stabhochsprung eine der großen Leichtathletik-Leistungen der Geschichte übertrumpfte. Das Meeting im aufgrund von COVID-19 verwaisten Stadio Olimpico der italienischen Hauptstadt war allerdings noch nicht einmal eine halbe Stunde alt, als der 3.000m-Lauf für einen echten Höhepunkt sorgte. Von Beginn an war ordentlich Zug im Rennen, Tempomacher Sean Tobin absolvierte den ersten Kilometer in einer Zeit von 2:29,55 Minuten. Weiterhin hielt die immer kleiner werdende Spitzengruppe ein Tempo von unter einer Minute pro 400m-Runde im Schnitt und sauste in einer Geschwindigkeit von an die 24km/h durchs Oval.
Nach dem Ausstieg der irischen Lokomotive übernahm Stewart McSweyn, der sich im Spätsommer 2020 in bärenstarker Verfassung und mit einer großen Portion Selbstvertrauen präsentiert, die Führung. Jakob Ingebrigtsen und Yemaneberhan Crippa überholten Matthew Ramsden und bildeten gemeinsam mit dem achtsam laufenden Jacob Kiplimo die vierköpfige Spitzengruppe. Der Lokalmatador konnte das Tempo bald nicht mehr halten und musste das Rennen als Solist mit verbissenem Gesichtsausdruck vollenden. Erinnerungen an Ostrava wurden wach, als er in ähnlichem Stil einen italienischen Rekord im 5.000m-Lauf markierte. Und auch dieses Mal lohnte sich die Mühe. Als Vierter steigerte der 23-Jährige den italienischen Landesrekord von Gennaro Di Napoli aus dem Jahr 1996 um gut eine Sekunde auf eine Zeit von 7:38,27 Minuten. Ein Stimmungshöhepunkt bei der Golden Gala Pietro Mennea. „Ziel erreicht!“, freute sich der junge Italiener am Ende einer aus seiner Sicht traumhaften Saison.
Letzte Wende kurz vor dem Ziel
Eineinhalb Runden vor der Zielankunft eröffnete Ingebrigtsen den Showdown und zog an Kiplimo vorbei. Kurz vor Ertönen des Glockentons für die letzte Runde schnappte sich der Norweger auch McSweyn und versuchte auf der letzten Runde zu beschleunigen. Kiplimo folgte seinem Hauptkontrahenten auf Schritt und Tritt, hielt mit der letzten dynamischen Schrittfolge Ingebrigtsens eingangs der Zielgerade mit und setzte 25 Meter vor dem Ziel zum alles entscheidenden Überholmanöver an. Es war ein hochspannendes Duell zwischen dem Weltjahresbesten im 5.000m-Lauf und dem neuen Europarekordhalter im 1.500m-Lauf, genau in der Schnittstelle beider Disziplinen. Die Siegerzeit von 7:26,64 Minuten führte ihn auf Rang acht der ewigen Bestenliste und ist die schnellste Leistung über diese Distanz seit 13 Jahren – außerdem neuer Diamond-League-Rekord und neue Weltjahresbestleistung. „Ich bin im siebten Himmel. Ein fantastisches Rennen, eine so schnelle Zeit habe ich nicht erwartet“, jubelte der Jungspunt, der zuletzt im norditalienischen Brescia trainiert hat, bevor er nun in seine Heimat zurückkehrt. Dort wird er als neuer Landesrekordhalter empfangen. Diesen hat bisher nicht sein berühmter Landsmann und 5.000m-Weltrekordhalter Joshua Cheptegei, sondern Moses Kipsiro (7:30,95, gelaufen 2009) gehalten.
Ingebrigtsen pulverisierte den norwegischen Landesrekord seines Bruders Henrik und ist mit einer Leistung von 7:27,05 Minuten nun der zweitschnellste Europäer aller Zeiten. Die Verbesserung der persönlichen Bestleistung von über einer halben Minute ist irrelevant und einzig der Tatsache geschuldet, dass der 19-Jährige seit drei Jahren keinen Wettkampf über diese Distanz im freien bestritten hat. Nur der Belgier Mohammed Mourhit, ein später überführter EPO-Sünder, war bei seinem vor 20 Jahren aufgestellten Europarekord einen Hauch schneller als Ingebrigtsen in Rom, um 0,43 Sekunden. „Mein Ziel war es, die Marke von 7:30 Minuten zu brechen, das ist mir gelungen. Daher war das insgesamt eine von vielen schönen Erfahrungen in diesem Jahr“, so der Norweger, der seine internationale Saison mit diesem Rennen beendete und bereits seine Vorfreude auf die nächste Saison kommunizierte. Auch wenn McSweyn in den Kampf um den Sieg letztendlich nicht eingreifen konnte, war dieses Rennen ein weiteres Indiz, dass der 25-jährige Australier wie sein Landsmann Craig Mottram vor rund 15 Jahren die afrikanische Konkurrenz fordern kann. Den Landesrekord Mottrams verbesserte McSweyn in Rom um über vier Sekunden auf eine Zeit von 7:28,02 Minuten, gleichzeitig ozeanischer Kontinentalrekord. Von der schnellen Renngestaltung profitierten nicht nur die Top-Vier mit ihren Landesrekorden, sondern auch Mike Foppen, der den holländischen Landesrekord von Gert-Jan Liefers um gut zwei Sekunden verpasste, Isaac Kimeli, Osama Zoghlami und Pietro Riva mit persönlichen Bestzeiten.
Taktische Überlegenheit Reekies
Auch im 800m-Lauf der Frauen wurde ein schnelles Rennen erwartet, doch das schottische Duo Jemma Reekie und Laura Muir hatte wenige Tage nach dem pfeilschnellen Rennen von Bellinzona (siehe RunAustria-Bericht) aus taktischen Gründen kein Interesse daran. Reekie spannte sich mit Muir an ihrer Seite sofort an die Spitze der Gruppe, Bellinzona-Siegerin Hedda Hynne musste sich erst ihren Platz zwischen den beiden Britinnen erkämpfen. Reekie ging das Tempo der Tempomacherin nicht mit, die nach 59,35 Sekunden die erste Runde absolvierte. Das Feld folgte eine knappe Sekunde später, so dass sogar die US-Amerikanerin Kaela Edwards kurzzeitig die Führung übernahm.
Erst im letzten Viertel wurde das Rennen schlagartig schneller, so dass die Siegerin Jemma Reekie die zweite Runde deutlich schneller als die erste absolvierte. Erst drückte Muir 220 Meter vor dem Ziel aufs Gaspedal und setzte sich an die Spitze. Reekie folgte ihr und überholte sie außen in die Kurve. Hynne, fest auf Reekie fixiert, folgte ihr und gewann entlang der Zielgerade das Duell um Rang zwei, doch die Führende holte sie nicht wieder ein. Nur die U23-Europameisterin blieb in 1:59,76 Minuten unter zwei Minuten, feierte ihren zweiten Diamond-League-Saisonsieg nach Stockholm und freute sich über eine gelungene Revanche für Bellinzona. Dank eines guten Endspurts verbesserte sich Christina Hering auf Rang vier (2:00,75), Lore Hoffmann landete zwei Tage nach ihrem Husarenritt in Bellinzona auf Rang sieben (2:01,46). Sie befand sich trotz des nicht allzu schnellen Tempos frühzeitig im Hinterfeld. Es wäre kein Wunder, würde sie nach sechs Wettkämpfen binnen 14 Tagen etwas Müdigkeit verspüren.
Ergebnisse Diamond-League-Meeting in Rom 2020
3.000m-Lauf der Männer
1. Jacob Kiplimo (UGA) 7:26,64 Minuten * / **
2. Jakob Ingebrigtsen (NOR) 7:27,05 Minuten ***
3. Stewart McSweyn (AUS) 7:28,02 Minuten ****
4. Yemaneberhan Crippa (ITA) 7:38,27 Minuten *****
5. Mike Foppen (NED) 7:39,75 Minuten ******
6. Isaac Kimeli (BEL) 7:47,48 Minuten ******
7. Matthew Ramsden (AUS) 7:48.08 Minuten
8. Osama Zoghlami (ITA) 7:48,63 Minuten ******
9. Pietro Riva (ITA) 7:50,03 Minuten ******
10. Ryan Gregson (AUS) 7:54,80 Minuten
800m-Lauf der Frauen
1. Jemma Reekie (GBR) 1:59,76 Minuten
2. Hedda Hynne (NOR) 2:00,24 Minuten
3. Laura Muir (GBR) 2:00,49 Minuten
4. Christina Hering (GER) 2:00,75 Minuten
5. Kaela Edwards (USA) 2:00,79 Minuten
6. Alexandra Bell (GBR) 2:01,37 Minuten
7. Lore Hoffmann (SUI) 2:01,46 Minuten
8. Elena Bellò (ITA) 2:02,10 Minuten
9. Noélie Yarigo (BEN) 2:02,98 Minuten
10. Eleonora Vandi (ITA) 2:03,17 Minuten
* neuer Diamond-League-Rekord und neue Weltjahresbestleistung
** neuer ugandischer Landesrekord
*** neuer norwegischer Landesrekord
**** neuer australischer Landesrekord und ozeanischer Kontinentalrekord
***** neuer italienischer Landesrekord
****** neue persönliche Bestleistung
Golden Gala Pietro Mennea
Wanda Diamond League