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Vier Schweizer Olympia-Limits in einem 800m-Rennen

RunUp.eu gibt einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse bei den nationalen Meisterschaften in unseren Nachbarländern und in den großen Nationen.
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Mit dem zu Ende gehenden Qualifikationszeitraum für die Olympischen Spiele von Paris 2024 fanden am vergangenen Wochenende in den meisten wichtigen Leichtathletik-Nationen der nördlichen Hemisphäre die nationalen Meisterschaften statt. RunUp gibt einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse in unseren Nachbarländern und in den großen Nationen.

Pellaud gewinnt historisches Rennen

Herausragende Erfolge von grandiosen Könnern zieren freilich die Schweizer Laufgeschichte und die Schweizer Leichtathletik erlebte bei den Europameisterschaften in Rom die erfolgreichsten Tage ihrer Geschichte. Doch was sich am Sonntag bei den nationalen Titelkämpfen in der zentralschweizer Kleinstadt Winterthur in einer Laufdisziplin abspielte, ist an qualitativer Dichte in der Schweizer Leichtathletik-Geschichte einzigartig. Nicht weniger als vier Olympia-Limits produzierte das 800m-Finale der Frauen und stellte die Schweizer 800m-Welt dabei etwas auf den Kopf. Denn der Zieleinlauf war in dieser Reihenfolge nicht zwingend vorhersehbar.

Sieg im Spurt gegen Werro

Rachel Pellaud bringt eine außergewöhnliche Lebensgeschichte mit in den Laufsport. 1995 in ärmlichsten Verhältnissen auf Mauritius geboren, gab ihre leibliche Mutter sie aus finanziellen Gründen zur Adoption frei. Eine mit einem Schweizer verheiratete Frau aus Mauritius nahm das Baby mit in die Schweiz. Ende 2022 entschied die Leichtathletin, vom 400m-Langsprint in den 800m-Lauf zu wechseln und ihre Karriere nahm Fahrt auf.

Sukzessive verbesserte sich die 29-Jährige, die am Bielersee lebt, steigerte sich zum Saisonfinale beim Heimspiel in Bellinzona erstmals unter zwei Minuten und qualifizierte sich für die EM in Rom, bei der sie im Vorlauf allerdings disqualifiziert wurde. Nun gelang ihr in Winterthur ein famoses Rennen, in dessen Schlussphase sie sogar die favorisierte Audrey Werro überholte und in einer Zeit von 1:58,60 Minuten triumphierte. Für Werro, die im Frühling verletzt war und daher die EM in Rom verpasste, war der Lauf zu einer Zeit von 1:58,67 Minuten der zweitschnellste ihrer Karriere. Dennoch verpasste die zweifache U20-Euopameister den Titel.

Qual der Wahl für Swiss Athletics

Noch überraschender war der dritte Platz von Valentina Rosamilia, wie Pellaud eine On-Athletin, in einer Zeit von 1:58,69 Minuten. Die ehemalige Junioren-EM und -WM-Medaillengewinnerin war davor noch nie unter zwei Minuten geblieben. Dadurch blieb EM-Finalistin Lore Hoffmann lediglich der vierte Platz. Auch die 27-Jährige blieb im viertschnellsten Rennen ihrer Laufbahn in 1:59,26 Minuten um 0,04 Sekunden unter dem Olympia-Limit, verpasste aber die Medaillenränge. Der Schweizer Leichtathletik-Verband (Swiss Athletics) steht nun vor einer brisanten Entscheidung, möglicherweise verpasst die Erfahrenste aus diesem Quartett überraschend die Spiele. Denn in der „Road to Paris“ ist Hoffmann mit ihrer Leistung beim letztjährigen Meeting in Bellinzona gelistet, dort war sie einen Wimpernschlag langsamer als Rosamilia gestern bei den Schweizer Meisterschaften.

Zwei Titel für Farken

Mit zwei Titeln über 800m und über 1.500m hätten die 124. Deutschen Meisterschaften in Braunschweig für Robert Farken kaum besser laufen können. In einem stressigen Programm inklusive Vorläufe gewann Farken im 800m-Lauf in einer Zeit von 1:48,90 Minuten mit fast einer Sekunde Vorsprung auf Luis Oberbeck und im 1.500m-Lauf in einer Zeit von 3:37,91 Minuten hauchdünn vor Marius Probst. Eine Fabelleistung lieferte Frederik Ruppert als Sieger des 3.000m-Hindernislaufs in Meisterschaftsrekordzeit von 8:16,98 Minuten ab. Damit verbesserte er seine ohnehin schon sehr gute Platzierung in der „Road to Paris“ de facto zum sicheren Olympia-Startplatz.

Lachendes und weinendes Auge bei Hering

Eine Art Lebenszeichen gelang Christina Hering im 800m-Lauf der Frauen. Die 29-Jährige feierte den neunten Gewinn des deutschen Meistertitels, war aber zum ersten Mal seit langer Zeit als Außenseiterin ins Rennen gegangen. In einer Zeit von 2:02,70 Minuten behielt Hering überraschend die Oberhand gegenüber Majtie Kolberg, die bei der EM erst im Halbfinale unter 1:59 Minuten und dann im Finale zu Platz fünf gelaufen war.

Doch Hering konnte sich nicht wirklich freuen, schließlich forderte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) eine Leistungsbestätigung von 2:01,00 Minuten für eine Olympia-Nominierung, die sie aufgrund ihrer bisher nicht so geglückten Saison auch im strömenden Regen und auf der entsprechend nassen Bahn von Braunschweig schuldig blieb. „Ich bin total traurig“, sagte die Siegerin, die im Ziel in Tränen ausbrach. „Ich bin schon sehr froh, dass ich gewonnen habe. Aber das kann mich natürlich nicht trösten. Es ist so bitter, die nächsten Tage werden bestimmt sehr hart.“

Im 3.000m-Hindernislauf kam es zur sportlichen Auseinandersetzung der drei EM-Teilnehmerinnen von Rom. Gesa Krause musste sich in einer Zeit von 9:46,12 Minuten überraschend Olivia Gürth (9:45,01) geschlagen geben, Lea Meyer komplettierte das Stockerl. Hanna Klein lief überlegen zum 5.000m-Titel in 15:11,83 Minuten.

17-Jährige Gill düpiert Reekie

Bei den britischen Meisterschaften in Manchester wurde im Vorfeld intensiv über Athleten diskutiert, die gar nicht da waren. Jake Wightman, Weltmeister von 2022, hat aufgrund einer Wadenverletzung seinen Start bei den Trials zurückgezogen und damit schlechte Karten auf eine Olympia-Nominierung. Im Gegensatz zum US-Verband vergibt der britische Verband nur zwei Fix-Tickets über die Trials, um für die dritte Nominierung gegebenenfalls Entscheidungsfreiheit zu haben. Als Weltmeister hat Josh Kerr laut britischen Regularien einen Fixplatz und der Schotte ließ die Meisterschaften ebenfalls sausen, was die Chancen für Wightman gegen null sinken lässt. Denn Neil Gourley gewann in 3:37,67 Minuten den Titel vor George Mills, beide haben das Olympia-Limit geknackt. Kerr übrigens bestritt in Manchester den 800m-Lauf und verschuldete im Kampf um die Goldmedaille einen spektakulären Sturz im Duell mit Elliot Giles entlang der Zielgerade.

Am Wochenende dominierte auch eine junge anwesende Läuferin die Schlagzeilen mit. Phoebe Gill, zarte 17 Jahre alt, gab ihre nächste sehenswerte Talentprobe ab. In Abwesenheit der über 400m schwer geschlagenen Keely Hodgkinson lief sie in einer Zeit von 1:58,66 Minuten zum Titel vor Jemma Reekie. Auf der längeren Mittelstrecke musste sich Olympia-Medaillengewinnerin Laura Muir als Zweite hinter Georgia Bell (4:10,69) einordnen.

Weitere Meisterschaftsnews

🇳🇴 Drei Tage lang hat Filippa Asserson Ingebrigtsen dem norwegischen Laufstar die Show gestohlen. Dann packte Jakob Ingebrigtsen, der für die Geburt seiner Tochter aus dem Höhentrainingslager in St. Moritz in die Heimat gereist war, die Laufschuhe und startete bei den praktischerweise in seiner Heimatstadt Sandnes ausgerichteten norwegischen Meisterschaften, wo er die Titel über 1.500m, übrigens bei fürchterlichen Bedingungen mit Stadionrekord von 3:34,03 Minuten, und 5.000m holte. Für den 5.000m-Start machte der Verband sogar eine Ausnahme: Ingebrigtsen war nämlich gar nicht genannt. Tochter Filippa war laut norwegischen Medien live mit dabei.

🇫🇷 Einen überraschenden Zieleinlauf produzierte das 800m-Rennen bei den französischen Meisterschaften in Angers. Charlotte Pizzo holte in einer Zeit von 1:59,93 Minuten den Titel vor EM-Medaillengewinnerin Anais Bourgoin. Die EM-Vierte Léna Kandissounon blieb noch weiter zurück und musste sich mit Platz fünf hinter Routinier Rénelle Lamote zufrieden geben.

Bei den Männern schlug Europameister Gabriel Tual Benjamin Robert in einer Zeit von 1:43,99 Minuten mit exakt einer Sekunde Vorsprung. Europameisterin Alice Finot ist nun auch französische Meisterin im 3.000m-Hindernislauf. Ihr Pendant bei den Männern, Alexis Miellet, und der EM-Silbermedaillengewinner Djilali Bedrani mussten sich dagegen mit den Rängen drei und vier zufrieden geben. Nicolas-Marie Daru gewann in 8:24,37 Minuten knapp vor Louis Gilavert.

🇨🇦 Eine Sensation schaffte Jazz Shukla bei den kanadischen Meisterschaften in Montréal, die mit einer kräftigen Steigerung auf eine Zeit von 1:58,20 Minuten den 800m-Titel bei den Frauen gewann. Damit hat die 25-Jährige, die bisher einmal knapp unter zwei Minuten geblieben war, auch das Olympia-Ticket in der Tasche. 800m-Weltmeister Marco Arop wurde seiner Favoritenrolle auch gerecht und siegte deutlich in 1:43,71 Minuten. Erstmals seit fünf Jahren ist Mohamed Ahmed wieder kanadischer Meister im 5.000m-Lauf. In dieser Disziplin hat der 33-Jährige bereits Olympia-Silber und WM-Bronze gewonnen.

🇪🇸 Überwiegend Favoritensiege gab es bei den Laufentscheidungen im Rahmen der spanischen Meisterschaften in La Nucia. Vize-Europameister Mohamed Attaoui gewann in einer Zeit von 1:45,03 Minuten den 800m-Lauf der Männer vor Adrian Ben und Ex-Europameister Mariano Garcia.

🇮🇹 Doppel-Europameisterin Nadia Battocletti ist ihrer Favoritenrolle im 5.000m-Lauf der italienischen Meisterschaften in La Spezia gerecht geworden. Sie siegte in einer Zeit von 15:24,69 Minuten mit deutlichem Vorsprung. Im 1.500m-Lauf der Männer setzte sich Federico Riva gegen EM-Medaillengewinner Pietro Arese durch, der tags zuvor dafür den 5.000m-Lauf gewonnen hat.

Autor: Thomas Kofler
Bild: Pixabay

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