
Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
„Bittersüß“ bezeichnete Raphael Pallitsch in einer ersten Reaktion seinen Auftritt im gestrigen Vorlauf. Ein mutiges und auf der taktischen Ebene konzeptionell geplantes Rennen führte ihn letztendlich auf den vierten Platz. Weil sich aber nur die ersten Drei pro Vorlauf für das Finale am Freitagabend qualifizierten, überwog beim Burgenländer auch am Tag nach dem Aus die Enttäuschung auf emotionaler Ebene.
Nah dran – und doch nicht im Finale. Raphael Pallitsch (Union St. Pölten) hat seine Leistung im dritten von drei Vorläufen über 1.500m im Rahmen der Hallen-Europameisterschaften am Donnerstagabend in Apeldoorn gebracht und sein großes Ziel, den Sprung ins Finale zu schaffen, dennoch knapp verpasst. Platz vier in einer Zeit von 3:40,96 Minuten waren in einem anspruchsvollen Feld mit starken Gegnern am Ende zu wenig. „Ich bin schon sehr enttäuscht und traurig. Der Wunsch, das Finale zu erreichen, war kein einfacher Stehsatz, sondern ich habe es mir wirklich vorgenommen“, wirkte er im Gespräch mit RunUp.eu geknickt.
Seine negative Emotionslage wurde lediglich vom statistischen Resultat hervorgerufen, nicht von seiner sportlichen Leistung. „Ich war super in Form, hab als Athlet und Trainer im Vorfeld alles richtig gemacht, war mental und körperlich da und hab taktisch ein gutes Rennen gezeigt“, bilanzierte er. Wenn man am Ende des Tages trotz eines aktiven Laufs bei drei Finalplätzen Vierter wird, sei das „bitter und nicht zufriedenstellend!“
Der 35-Jährige ging mit einem klaren Plan und einer explizit vorbereiteten Strategie in den Wettkampf. Er entschied, sich aus den Positionskämpfen der Startphase herauszuhalten und nahm vor dem Belgier Pieter Sisk die vorletzte Position im Feld ein. Daher konnte er in dieser Anfangsphase, die vorne von Lokalmatador Noah Baltus und Samuel Pihlström bestimmt wurde, etwas Energie sparen, die beim Vorstoß Anfangs der zweiten Rennhälfte entwich. Genau zum Zeitpunkt, den er sich vorgenommen hatte, nämlich drei Runden vor Schluss, gelangte der Österreicher auf der Außenbahn nach vorne und nahm kurz die dritte und dann die zweite Position, seitlich versetzt neben dem Schweden ein. Im engen Feld fand er keine Lücke, um auf die Innenbahn zurückkehren zu können.
Im Rücken Pallitschs hatten sich die beiden Favoriten dieses Vorlaufs, Azzedine Habz und Neil Gourley, formiert. Das Duo arbeitete sich anfangs der letzten Runde an Pallitsch vorbei und ließ ihm keine Chance mehr zum Konter. Der Österreicher versuchte auf den letzten Metern alles aus sich herauszuholen, doch auch Pihlström blieb außer Reichweite. Der Schwede verteidigte den dritten Platz in einer Zeit von 3:40,52 Minuten – und damit um 0,44 Sekunden gegen Pallitsch. „Vom Gefühl her war ich noch näher am dritten Platz dran, als es die reine Zeit aussagt“, spürte der Österreicher. Den Schlüssel zu seinen Ungunsten sah er darin, dass ihn seine Attacke im dritten Rennviertel nicht ganz an die Spitze geführt hat. „Ich bin einfach nicht ganz nach vorne gekommen. Ich habe es vehement versucht, aber Pihlström hat jede meiner Angriffe pariert“, schilderte er. Daher müsse er erstens anerkennen, dass der Schwede es taktisch aus seiner Sicht „sehr gut gemacht“ habe und zweitens, dass die Drei vor ihm letztendlich einfach stärker waren als er selbst.
Losglück konnte man Raphael Pallitsch auch nicht gerade attestieren. Der Österreicher wurde in einen Lauf mit Azzedine Habz, Neil Gourley und Samuel Pihlström gewählt und genau diese drei Athleten nahmen am Ende die drei Positionen vor dem Österreicher ein – und damit jene Positionen, die ein Final-Ticket bedeuteten. Der Franzose lief in diesem Winter die zweitschnellste Zeit in Europa hinter Jakob Ingebrigtsen und liegt auch in der Europarangliste auf Position zwei – noch vor Olympia-Silbermedaillengewinner Josh Kerr, der bei der Hallen-EM fehlt. Gourley ist der stärkste Brite in Apeldoorn, hat 2023 bei der letzten Hallen-EM in Istanbul Silber gewonnen und liegt auf Rang sechs der Europarangliste, auf Rang fünf in der Qualifikationsliste für Apeldoorn.
In beiden Listen nur knapp vor Pallitsch liegt Pihlström, doch der Schwede hat in den vergangenen Wochen eine bemerkenswerte Wettkampfqualität nachgewiesen. Er hat nämlich die Gesamtwertung der World Athletics Indoor Tour gewonnen. Wenngleich Ingebrigtsen, die stärksten Afrikaner und Amerikaner die Gesamtwertung der Hallensaison nicht zu ihrem Ziel erklärten, ist das ein beachtlicher Erfolg für den 23-Jährigen. Er gewann das 1.500m-Rennen in Karlsruhe und belegte sowohl in Ostrava (Meile) als auch in Torun Platz drei. In direkten Duellen mit Pallitsch stellte der Schwede gestern, nur Hallenrennen berücksichtigend, auf 3:0.
„Dadurch dass die Hallensaison so kurz ist, sind die Qualifikationsleistungen sehr aktuell und ein verlässlicher Indikator dafür, wer in Superform zum Großereignis kommt“, betont Pallitsch. Dass er alle drei, Gourley, Habz und Pihlström, bei seinem phänomenalen EM-Finale in Rom hinter sich lassen konnte, ist in diesem Fall eine bittersüße Erinnerung an die zurückliegenden kontinentalen Meisterschaften.
Nach den letzten Resultaten ist es wahrlich keine Schande, gegen diese drei Athleten den Kürzeren zu ziehen. Eher das Ausbleiben einer Überraschung. Dass dieses Mal lediglich neun Plätze für den Finallauf vorgesehen sind anstatt zwölf wie in den letzten Jahren, ist eine bittere Note für Pallitschs Abschneiden. Diese Neustrukturierung ist auch eine Folge dessen, dass der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) im letzten Jahr den Aufstieg über die Zeitregel abgeschafft hat.
Der Österreicher wies völlig zurecht auch auf das hervorragende Niveau in seiner Disziplin hin. Nur wenige aus der europäischen Spitze haben zudem auf die Hallen-Europameisterschaften verzichtet. Letztendlich fehlten lediglich ein bis zwei starke Briten, die beiden holländischen Olympia-Finalisten Niels Laros und Stefan Nillessen sowie der Norweger Narve Gilje Nordas, die in Apeldoorn über 3.000m an den Start gehen werden, und der italienische EM-Medaillengewinner Pietro Arese, der die komplette Hallensaison ausgelassen hat. (Ergänzung: Nordas ist krankheitsbedingt nicht nach Apeldoorn angereist, Anm. d. Red.)
Gourley, Habz und Pihlström gehören somit zu den acht Herausforderern im Finale des Top-Favoriten und Titelverteidigers Jakob Ingebrigtsen. Der Norweger gewann den ersten der drei Vorläufe souverän in einer Zeit von 3:37,49 Minuten und erzielte die schnellste Zeit aller im Vorlauf Beteiligten. Der Franzose Louis Gilavert und der Belgier Ruben Verheyden liefen hinter ihm ins Ziel. Aus dem zweiten Vorlauf qualifizierten sich der Portugiese Isaac Nader, der Franzose Paul Anselmini und der Deutsche Robert Farken, der sich hauchdünn vor dem Spanier Mohamed Attaoui ins Ziel rettete, für das Finale. Damit stellt Frankreich ein ganzes Drittel des neunköpfigen Finalfelds. Der zweite Deutsche im Feld, Marius Probst, hatte im ersten Vorlauf keine Chance.
Die zweite österreichische Läuferin bei diesen Titelkämpfen, Caroline Bredlinger (LT Bgld Eisenstadt), ging am Freitagvormittag in ihren Vorlauf über 800m. Das Los bescherte ihr mit der Schweizerin Lore Hoffmann und der Slowenin Anita Horvat zwei klare Favoritinnen auf die beiden Fixplätze pro Durchgang für das Halbfinale. Da ausgerechnet ihr Vorlauf, der zweite von fünf, in der Anfangsphase durch Bremsmanöver geprägt war und sich damit mit einer 400m-Zeit von 1:05,50 Minuten als mit Abstand langsamster entwickelte, hatte das Feld keine Chance auf zusätzliche Halbfinalplätze über die Zeitregel. So endete Bredlingers erste EM bei den Erwachsenen nach ihrem Vorlauf in einer Zeit von 2:08,90 Minuten als Vierte, in dem sie sich freilich aus ihrer Außenseiterinnenposition heraus achtbar schlug. „Ganz zufrieden bin ich nicht, der Lauf war im Großen und Ganzen gut“, zog die 23-Jährige ein zwiespältiges Fazit und sprach von einer wichtigen Erfahrung, zu sehen, dass sie auf diesem Level mithalten könne.
Die mehrfache Staatsmeisterin ging konservativ ins Rennen und nutzte die Renngestaltung, nach der zweiten Kurve sich nach vorne zu orientieren. Doch ihr fehlte der Mut, ganz vorne hineinzulaufen und die Tempogestaltung zu übernehmen. Da alle im Feld zögerten, entwickelte sich sekundenlang kein Rennen. Erst als Horvat kurz vor Halbzeit die erste Position übernahm, kam etwas Zug ins Geschehen. Die Österreicherin hatte ihre Position hinter der Slowenin gefunden und achtete akribisch darauf, diese Position auf der Innenbahn zuhalten. Als der Glockenton die letzte Runde ankündigte, setzte sich Hoffmann außen neben sie. Kurz lief Bredlinger direkt zwischen den beiden Favoritinnen, sie kam nicht an der Slowenin vorbei und musste sich vor der letzten Kurve hinter der Schweizerin einordnen.
„Durch die langsame erste Rennhälfte war die Kraft, nach vorne zu gehen zwar noch da. Ich wollte aber erst auf der Zielgerade attackieren und das war eine falsche Entscheidung. Ich war innen eingezwickt und es ging leider kein Loch auf“, schilderte Bredlinger aus dem Renngeschehen. Im Schlussspurt fehlten die Möglichkeiten, noch nach vorne zu kommen: Horvat (2:08,71) und Hoffmann (2:08,75) sicherten die Halbfinaltickets, außen spurtete noch die Britin Grace Vans Agnew vorbei auf Platz drei.
In den fünf Vorläufen, die aus dem Feld von 30 Qualifizierten zwölf Halbfinalistinnen machten, gab es durchaus bemerkenswerte Überraschungen. Die Deutsche Majtie Kolberg scheiterte im ersten Vorlauf, ein Rückschlag nach einer bisher sehr guten Hallensaison. In Vorlauf Nummer drei blieben Gabriela Gajanova, in Rom EM-Silbermedaillengewinnerin, und Léna Kandissounon, EM-Vierte von Rom, auf der Strecke. Und im letzten Vorlauf scheiterte die britische U23-Europameisterin Isabelle Boffey, die in Abwesenheit von Keely Hodgkinson und Jemma Reekie stärkste Britin im 800m-Lauf.
Sportlicher Höhepunkt der Vorläufe war die Leistung von Audrey Werro, die in einer Zeit von 2:00,92 Minuten einen neuen U23-Europarekord für die Halle aufstellte. Hinter ihr schaffte die französische Meisterin Clara Libermann eine persönliche Bestleistung von 2:01,00 Minuten.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © ÖLV / Sona Maleterova, Sona Maleterova for European Athletics, Dean Mouhtaropoulos/Getty Images