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Emmanuel Wanyonyi gelang in einem denkwürdigen 800m-Finale die Revanche gegen Marco Arop, der ihn im WM-Finale von Budapest knapp geschlagen hatte. In einer phänomenalen Entscheidung gab eine Hundertstelsekunde den Ausschlag zugunsten des Kenianers, beide liefen nur knapp über Weltrekordniveau. Dem Weltjahresschnellsten Djamel Sedjati blieb nur die Bronzemedaille, Hallen-Weltmeister Bryce Hoppel ging trotz eines deutlichen US-Rekords leer aus. Zwölf Jahre nach dem irren Weltrekordlauf von David Rudisha im Olympiastadion von London erlebte der 800m-Lauf ein nächstes grandioses Olympisches Highlight.
Mit der fünft- und sechsschnellsten 800m-Zeit der Geschichte setzte der 800m-Lauf der Männer ein echtes Highlight in den Tagen von Paris 2024. Nicht nur aufgrund des fantastischen Niveaus war dieses Duell eines, das in die Geschichte einging. Der Endspurt war ein hochdramatischer und faszinierender, er hätte in beide Richtungen ausgehen können. Das Publikum im neuerlich ausverkauften Stade de France verschönerte den historischen Sportmoment mit lauten Anfeuerungen. Mit letzter Kraft hielt sich der kenianische Youngster vorne und setzte damit eine eindrucksvolle Serie fort. Nach Wilfred Bungei (2008), David Rudisha (2012 und 2016) und Emmanuel Korir (2020) ging Olympisches 800m-Gold zum fünften Mal in Serie an Kenia.
„Es war ein hartes Rennen. Ich fühlte einen unheimlichen Druck, weil ich wusste, dass es von vorne laufend sehr schwierig sein würde, Sedjati zu schlagen. Mir war bewusst, dass ich dafür sehr schnell laufen werden und damit vom ersten Schritt bis zur Zielgerade von vorne Vollgas geben werden müsste. Das war wahrlich nicht einfach für mich“, kommentierte der Sieger.
Im neuerlichen Duell gegen Marco Arop, gegen den Wanyonyi schon 2023 eine Reihe fulminanter sportlicher Auseinandersetzungen bestritten hatte, meinte der junge Kenianer, dass ihm nun die größere Erfahrung geholfen hätte, seinen Kontrahenten dieses Mal auf den letzten Metern hinter sich zu halten – im Gegensatz zu Budapest 2023. Der Frontrun, den Wanyonyi vergoldete, erinnerte an Rudishas Auftritt in London 2012 und war tatsächlich fast von derselben Güte. Nur 0,28 Sekunden fehlten auf den Weltrekord.
„Es hätte kein besseres Rennen werden können“, war auch der Silbermedaillengewinner zufrieden, obwohl er durch die Überholmanöver mehr Wegstrecke als der Sieger zurücklegen musste. „Ich habe alles reingelegt. Natürlich ist es ein bisschen bitter-süß für mich, weil ich natürlich Gold gewinnen wollte. Ich wusste, dass hier mehrere Leute 1:41er-Zeiten laufen können. Ich hab auf meinen Endspurt vertraut. Ich muss erst auf mich wirken lassen, was mir da gelungen ist.“
Arop verbesserte seinen kanadischen Rekord um sage und schreibe 1,65 Sekunden, es war seine erste wirkliche Leistung im absoluten Weltklassebereich. Die Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften vor einem Jahr errang er in einem Rennen, wo ihm eine um drei Sekunden langsamere Zeit genügte. Kanadas letzte Olympische Medaille im 800m-Lauf hatte ein gewisser Bill Crothers vor 60 Jahren gewonnen. Sedjatis Bronzemedaille ist die erste für Algerien in dieser Disziplin seit Taoufik Makhloufi, der 2016 in Rio Zweiter hinter Rudisha war.
Es war die Entscheidung schlecht hin auf den Laufdistanzen auf der schnellen lavendel-farbenen Laufbahn im Stade de France. Das hatte sich im Laufe der Saison mit den beiden Wunderrennen von Paris und Monaco in der Diamond League angekündigt. Der 800m-Lauf der Männer ist auf einem Level, das bisher nur Sebastian Coe, Wilson Kipketer und David Rudisha, die jeweils eine Ära geprägt haben, erreicht haben.
Aber in der Neuzeit ist es nicht ein dominanter Läufer, sondern gleich eine Reihe von Wundertätern lief in den vergangenen Wochen unter 1:42 Minuten. Zehn Läufer sind es nun, die eine Bestleistung unter 1:42 Minuten aufweisen können – die Hälfte hat ihre Bestleistung im Sommer 2024 erzielt. Und so war es kein Wunder, dass das Rennen nach dem Startschuss in Paris in Vollgas über die Bühne ging.
Emmanuel Wanyonyi ging sofort an die Spitze und nahm die Europäer Gabriel Tual und Max Burgin in Schlepptau. Er führte das Feld nach 50,3 Sekunden in die zweite Runde. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Frage, in wie weit Weltmeister Marco Arop, im laufenden Kalenderjahr noch ohne Spitzenergebnis, aber durchaus mit Spitzenzeiten im Vergleich zu seiner bisherigen Bestleistung, reaktionsfähig sein würde. Auf Platz acht nahm er die letzte Runde in Angriff, acht Zehntelsekunden hinter seinem Erzrivalen.
Doch der 25-Jährige holte auf, arbeitete sich bis zur Kurve auf Platz vier vor und setzte seine Aufholjagd fort. Eingangs der Zielgerade zündete der Spurt, Wanyonyi innen, Arop auf Bahn zwei. Es war ganz, ganz eng, der 20-Jährige hatte die Nase ganz knapp vorne: 1:41,19 Minuten gegen 1:42,20 Minuten, Arop hatte für die zweite Runde gerade einmal 50 Sekunden gebraucht. Im Alter von 20 Jahren und neun Tagen ist Wanyonyi der jüngste 800m-Olympiasieger der Geschichte. Kurz zusammengefasst: Ein sagenhaftes Duell, das nach Fortsetzung schreit!
Sagenhaft auch, was dahinter passierte. Djamel Sedjati, aufgrund der Vorleistungen Favorit, lief zum dritten Mal binnen drei Wochen unter 1:42 Minuten und verpasste seine persönliche Bestleistung haarscharf. Es blieb ihm Bronze in 1:41,50 Minuten. Nie zuvor in der Geschichte dieser Disziplin waren die Leistungen für den zweiten, den dritten, den vierten, den sechsten und siebten Platz so gut wie in diesem Rennen.
Die Olympischen Leichtathletik-Bewerbe werden mit Ausnahme der Geh- und Marathonbewerbe im Stade de France in Saint-Denis in der Metropolregion von Paris ausgerichtet. Charakteristisch ist die in pink gehaltene Laufbahn. Die Wettbewerbe werden von einem bemerkenswerten Zuschaueraufkommen und großartiger Atmosphäre im Stadion begleitet.
Alle Ergebnisse findest du auf der offiziellen Website:
Deshalb führte der starke Endspurt von Hoppel, der den bisherigen US-Rekord von Donavan Brazier bei dessen WM-Titel 2019 in Doha um knapp sieben Zehntelsekunden verbesserte und seine eigene Bestzeit gar um über eine Sekunde, nur zum undankbaren vierten Platz. „Es ist einfach nur bitter, mit einer solchen Leistung ohne Medaille dazustehen“, klagte der 26-Jährige gegenüber „Let’sRun.com“. Der Franzose Gabriel Tual ging aufs Ganze und lag noch bis ausgangs der letzten Kurve auf der zweiten Position, am Ende blieb ihm in 1:42,14 Minuten knapp hinter dem Spanier Mohamed Attaoui Rang sechs.
Der Brite Max Burgin kämpfte auch tapfer, war am Ende aber chancenlos. Sein Finaleinzug ist dennoch ein Erfolg, nach Jahren der Verletzungen ist der achte Platz hinter Tshepiso Masalela ein wichtiges Signal vom ehemals gehypten Supertalent aus Großbritannien. Im Alter von 22 Jahren hat er nun endlich sein erstes globales Finale bestritten.
Wenn ein Finale derartige Wunderzeiten produziert und auch im Vorfeld der Spiele zwei Rennen verblüfften, ist die logische Annahme, dass auch Vor- und Halbfinallläufe auf höchstem Niveau über die Bühne gingen. In den drei Halbfinalläufen scheiterten u.a. der hoch eingeschätzte Kenianer Wycliffe Kinyamal oder der Olympia-Fünfte im 1.500m-Lauf, Hobbs Kessler, aber auch etliche schnelle Europäer.
Das Highlight war der dritte Halbfinale, den Wanyonyi zu einer Siegerzeit von 1:43,32 Minuten zog. Hoppel wurde Zweiter, Burgin mit persönlicher Bestleistung von 1:43,50 Minuten und Attaoui profitierten von der Zeitregel, während dem Belgier Eliott Crestan eine Zeit von 1:43,72 Minuten nicht zum Finaleinzug reichte. Bereits in den Hoffnungsläufen im Anschluss an die Vorläufe blieben mit Slimane Moula aus Algerien, dem Olympia-Finalisten von Tokio, Adrian Ben aus Spanien und Lokalmator Benjamin Robert prominente Läufer hängen.
Eine Erkenntnis bzgl. der Hoffnungsläufe verdichtete sich: Ihre Sieger hatten im Halbfinale keine Chance und platzierten sich abgeschlagen, die Mehrbelastung ist trotz des spannenden Formats eben ein gewaltiger Nachteil.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © Dan Vernon for World Athletics
Stimmen: vgl. olympics.com