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Weil Laufen gut tut

Jede Krise kennt Gewinner und Verlierer. Kurzzeitig schien die Sportartikelbranche auf der ungünstigen Seite, doch im Laufe des Jahres 2020 federte der, überwiegend online, gut laufende Verkauf vieles ab. Laufen verspricht offensichtlich wirtschaftlichen Erfolg und viele Unternehmen entwickeln passende Strategien. Ein gemeinsamer Nenner: Laufen für das psychische Wohlbefinden.

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Jede Krise kennt Gewinner und Verlierer. Kurzzeitig schien die Sportartikelbranche auf der ungünstigen Seite, doch im Laufe des Jahres 2020 federte der, überwiegend online, gut laufende Verkauf vieles ab. Laufen verspricht offensichtlich wirtschaftlichen Erfolg und viele Unternehmen entwickeln passende Strategien. Ein gemeinsamer Nenner: Laufen für das psychische Wohlbefinden.

Oft sind es plakative Erinnerungsmomente, die haften bleiben. Radgeschäfte, die wegen Überforderung keine Reparaturwünsche mehr annahmen. Oder die Nachfrage von Interessenten wegen Lieferengpässen nicht stillen konnten. Menschen lernten ihren Drahtesel lieben. Unabhängig der Motivation, auch das ist eine der Konsequenzen der Gesundheitskrise. Das Geschäft mit dem Laufen, in der Sportartikelbranche fast ausschließlich unter „Running“ bekannt, begann zu boomen, weil das Laufen einen Aufschwung erfuhr. Einer Umfrage der World Federation of the Sporting Good Industry (WFSGI) im Frühling 2020 ergab, dass sieben von zehn befragte Hersteller, Markenvertreter und Händler die Sparte Running & Outdoor als eines der attraktivsten Segmente für die Zeit nach der Pandemie einschätzen. Übrigens vielfach mit dem Zusatz, dass umweltfreundliche Produkte bald im Trend sein werden. Eine ähnlich hohe Trefferquote erzielte in der Befragung sonst nur – genau – das Radfahren.

Beobachtungen zufolge, wie etwa Strava-Aufzeichnungen, sind insbesondere Frauen für die gesteigerten Laufaktivität im Jahr 2020 verantwortlich.

Die kurzzeitige Untergangsstimmung durch die Lahmlegung des stationären Verkaufs im Fachhandel, einbrechende Umsätze und wegfallende Werbeflächen durch die Verschiebung aller bedeutenden, internationalen Sportereignisse im Sommer 2020 wich rasch einer optimistischen Grundstimmung. Chancen erkennen und Chancen nutzen, das war die Devise. Einerseits kristallisierte sich schnell heraus, dass mehr gelaufen wird. Der Strava-Report von 2020 zeigt, dass in den meisten europäischen Ländern im Pandemie-Frühling ein Anstieg der Laufaktivität bei Usern zu verzeichnen war, in Großbritannien sogar um 82%. Ausnahmen bildeten etwa Spanien und Italien, wo die Regierungen echte Lockdowns über die Bevölkerung verhängt hatten. Doch auch dort war der Anstieg der Laufaktivität nach Beendigung der Lockdowns höher als der Einbruch dadurch. Andererseits waren Menschen bereit, Geld in die Hand zu nehmen, um sich die richtige Ausrüstung für ihre sportliche Bewegungszeit zu besorgen. Was zu regelmäßig ausverkauften Online-Shops und positiven Geschäftsberichten bei den Firmen zu Jahresende führte. So vermeldete etwa Puma unlängst in einer Pressemeldung eine deutliche Umsatzsteigerung im vierten Quartal 2020, als die gesellschaftlichen Einschränkungen wieder drastischer wurden. Mit Rückenwind plant Puma eine Offensive im Laufsektor und setzt bei seinen neuen Laufschuhen auf Läuferinnen. Vier neue Modelle verfügen über einen Damenleisten, speziell für den weiblichen Fuß entwickelt. Deutschlands Hindernislauf-Europameisterin Gesa Krause ist nur eines der prominenten weiblichen Aushängeschilder des Unternehmens aus der Leichtathletik, die Werbeeffekte auch in der Welt der sozialen Medien multiplizieren sollen. Beobachtungen zufolge, wie etwa Strava-Aufzeichnungen, sind insbesondere Frauen für die gesteigerten Laufaktivität im Jahr 2020 verantwortlich. Eine Altersgruppe sticht auffällig hervor: Junge Läuferinnen zwischen 18 und 29 Jahren liefen um 45% mehr als noch vor der Pandemie.

Die Probandinnen und Probanden konnten besser mit Stress umgehen (+29%) und effektiver in einen Entspannungsmodus gelangen (+18%).

Auch ASICS setzt einen Läuferinnen-Schwerpunkt und betont zusätzlich das Thema seelische Balance durch sportliche Bewegung. Körper und Geist im Gleichgewicht, ganz nach der Botschaft des eigenen Firmennamens: Anima Sana In Corpore Sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Beim japanischen Sportartikelhersteller freut man sich über eine Steigerung des Marktanteils im Laufbusiness in den fünf größten europäischen Staaten. In der strategischen Ausrichtung des Jahres 2021 formuliert ASICS ein Statement an die breite Masse der Hobbyläufer und betont die Auswirkungen regelmäßiger Bewegung auf die psychische Gesundheit. Laufen als nachhaltiger Stimmungsheber. Authentisiert wird die Botschaft dank eigener Forschungsaktivitäten gemeinsam mit dem King’s College in London. In einer von Dr. Brendon Stubbs geleiteten Studie wurden Messungen in den Gehirnbahnen, die dafür bekannt sind, die emotionalen und kognitiven Elemente des mentalen Wohlbefindens zu beeinflussen, durchgeführt. Die Erkenntnis daraus: Nach einer Bewegungseinheit erlebten die Probandinnen und Probanden im Allgemeinen einen emotionalen Aufschwung, konnten besser mit Stress umgehen (+29%) und effektiver in einen Entspannungsmodus gelangen (+18%). In anschließenden Befragungen berichteten die Studienteilnehmer von einem bemerkbaren Rückgang negativer Emotionen sowie von einer erhöhten Anzahl durchdachter Entscheidungen.

Der Sportartikelmarkt macht aktuell das intensiv, was er aufgrund der Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage immer tun sollte: Er analysiert die Bedürfnisse der (potenziellen) Kundinnen und Kunden. Es ist keine Überraschung, dass etliche Sportmarken, unter anderem jene exemplarisch in diesem Artikel genannten, gezielt das psychische Wohlbefinden ansprechen. Besonders unter dem Gesichtspunkt, dass sportlich aktive Menschen statistisch tendenziell weniger von schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken betroffen sind, häufig aber das volle Ausmaß der Maßnahmenpakete der gesellschaftlichen Pandemiebekämpfungsstrategie mittragen müssen. Das bringt Bedrückung, Belastung und Dauerstress mit sich, während sie Entspannungsstrategien und -mechanismen schwieriger umsetzen lassen. Laufen ist erwiesenermaßen eine perfekt geeignete Aktivität zum Gegensteuern. Auf körperlicher Ebene zur Verbesserung der Gesundheit, aber eben auch auf mentaler Ebene. Und diese Chance haben im Spätfrühling und Sommer 2020 offenbar viele Europäer erkannt. ASICS war einer der ersten Sportartikelhersteller, der bereits vergangenen Sommer auf Basis einer unabhängigen Umfrage unter 3.000 Läuferinnen und Läufern in sechs der größten europäischen Länder feststellte, dass der Laufboom nachhaltig sein könnte. Diese Tendenz begründete sich durch das Freiheitsgefühl beim Laufen, den meditativen Charakter, den Kopf frei zu bekommen oder das Steigern der Laune.

Laufen verringert Stress, hebt Wohlgefühl und Entspannung.

Der Zeitgeist trifft die Spielwiese von Brooks. Seit einiger Zeit widmen sich gezielte Kampagnen dem Vergnügen, der Entspannung und dem geistigen Potenzial beim Laufen. Unter wissenschaftlicher Begleitung liefert Brooks Running Fakten: Laufen verringert Stress, hebt Wohlgefühl und Entspannung. Das leitet zu Rahmenbedingungen im Gehirn, die Kreativität begünstigen. Vier von fünf Befragte erklärten, beim Laufen schon mindestens einmal neue Ideen entwickelt zu haben, die Veränderungen im Privat- oder Berufsleben zur Folge hatten oder laufenden Schrittes entscheidende Lösungen plötzlich vor Augen sahen. Brooks bricht die Erkenntnisse auf den Begriff „Runfulness“ herunter – das Gefühl einer Stimmung nach dem Laufen voller Inspiration und Ideenreichtum.

Ein wichtiges Thema im gegenwärtigen Kontext bleibt aber natürlich auch die physische Gesundheit. Die Pandemie hat die Scheinwerfer auf sportliche Bewegung als Förderer einer guten Gesundheit gelenkt und potenziell bei vielen das Bewusstsein dafür nachhaltig gestärkt. Laut firmeninternen Daten des Forschungsteams von Polar haben sich Bewegungsverhalten und Schlafgewohnheiten der User im Jahr 2020 im Direktvergleich mit 2019 verbessert. Ein wesentlicher Faktor: die Steigerung der sportlichen Bewegungszeit im Freien mit dem Laufen als bevorzugte Aktivität. Das Interesse, Laufen mit digitalen Möglichkeiten zu ergänzen, war bereits vor der Pandemie deutlich steigend. Nun beobachtet das finnische Unternehmen ein verstärktes Verlangen nach Daten zur Beobachtung des eigenen Körpers und zur Analyse des Lebensstils im Rahmen einer höheren Achtsamkeit auf Gesundheit. Vielleicht, so mutmaßt Polar in einem Blogbeitrag vom 21. Jänner auf der eigenen Website, hat sich unsere Lebensweise aufgrund der gegenwärtigen Erfahrungen für immer verändert. Vielleicht.

Das Potenzial, dass ein effektiv arbeitendes Gesundheitssystem mitprofitieren kann, ist gegeben. Sammeln Menschen laufend Daten ihres Körpers, bilden sie die Basis für eine genauere Analyse in medizinischen Diagnosen. Zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Gesundheit, der Sterblichkeitsursache Nummer eins. Ein wesentlicher Profit wäre allerdings, wenn sich mehr Menschen regelmäßig bewegen, ihre körperliche Fitness steigern und damit das Gesundheitssystem seltener oder im medizinisch weniger schlimmen Ausmaß belasten.

Obwohl sich die Sportartikelbranche auf wissenschaftliche Untersuchungen stützt, die eine repräsentativer, die andere weniger, und damit für ihre Zukunftsstrategien Wissen generiert, bevor dies aufwändige, wissenschaftliche Arbeiten aus verschiedenen Fachdisziplinen mit vielleicht stärkerer Aussagekraft tun – also mit Daten aus ihrer Zielgruppe agieren und nicht mit auf die Gesamtgesellschaft ummünzbare – muss man realistisch sein: Der Markt ist fähig, Veränderungen mitzubestimmen. Zumindest sektoral ihre Zielgruppe und potenzielle Zielgruppe betreffend. Vielleicht interessieren sich durch die Erfahrungen aus der Pandemie bald auch Menschen außerhalb der bisherigen Zielgruppe für Innovationen, Tools und Produkte sowie Botschaften aus Kampagnen für die Lauf-Community. Etwa um das Bedürfnis, nach besserer körperlicher und psychischer Gesundheit zu stillen.

Autor: Thomas Kofler
Bilder: Salzburg Marathon | Alexander Schwarz

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