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Weiterhin Milliardenverluste für und rund um Laufevents
Als die in den letzten Jahren und Jahrzehnten so erfolgreiche Veranstaltungsszene im Laufsport im Frühsommer über die wirtschaftlichen Verluste aufgrund der Absagen, die wegen der Pandemie notwendig waren, stöhnten und die Politik in vielen Ländern mehr oder minder effektiv, mehr…
Als die in den letzten Jahren und Jahrzehnten so erfolgreiche Veranstaltungsszene im Laufsport im Frühsommer über die wirtschaftlichen Verluste aufgrund der Absagen, die wegen der Pandemie notwendig waren, stöhnten und die Politik in vielen Ländern mehr oder minder effektiv, mehr oder minder schnell und in größerem oder kleinerem Umfang Wirtschaftshilfen anbot, gab es noch die Hoffnung auf einen Laufherbst, der einen Hauch Normalität versprüht. Das kam anders, mit der kürzlichen Absage des Athen Marathon sind nun alle großen Marathon- und Laufveranstaltungen in Europa abgesagt worden. Mit einer Ausnahme: Der Moskau Marathon ging Ende September mit rund 20.000 Aktiven über diverse Distanzen über die Bühne. Kleinere Laufveranstaltungen, die reduzierte Starterfelder in Kauf nahmen, sorgen europaweit dafür, dass im Laufherbst 2020 nicht kompletter Stillstand herrscht: Ob in Helsinki, Schlesien, Monza oder Kosice – und bei Kärnten Läuft, dem Jedermannlauf oder dem Kärnten Marathon, um drei österreichische Beispiele anzuführen. Es sind zarte, aber für den organisierten Laufsport bedeutende Signale, Laufen als Gesundheitssport und die Vorbildwirkung von engagierten Laufveranstaltern zu betonen.
Noch drastischer als in Europa sieht es für die Laufveranstaltungen auf anderen Kontinenten aus: Weder in den USA noch in Asien wird überhaupt daran gedacht, momentan Laufevents durchzuführen. Die neuesten Absagenwellen umfassen längst das Frühjahr 2021, Verschiebungen von der ersten in die zweite Jahreshälfte werden angefangen bei den Marathons in Wien und Linz, London und Tokio immer häufiger. Der nachvollziehbare Grund: Abschwächung der zu befürchtenden, wirtschaftlichen Verluste. Denn alle tragen einen Rucksack mit sich: Die in die nächsten Jahren transferierten Startgelder der heurigen Ausgabe (in Österreich mittels der bekannten Gutscheinlösung) bedeuten – zwar planbare aber dennoch schmerzvolle – fehlende Einnahmen in hohem Ausmaß für die Events 2021.
Milliardenverlust im japanischen Laufsport ab jetzt
Dramatisch werden die Zahlen des wirtschaftlichen Verlusts, wenn man den wirtschaftlichen Wert von großen Marathon- und Laufevents berücksichtigt. Bzw. den nun ausbleibenden wirtschaftlichen Wert. Eine kürzlich von Katsuhiro Miyamoto, Professor für Wirtschaft an der Kansai University in Japan, veröffentlichte Studie kommt zu einer Schätzung, dass die Absage oder Verschiebung von 2020 auf 2021 von insgesamt 460 Marathon- und Straßenläufen mit mindestens 2.000 Teilnehmern alleine in Japan einen wirtschaftlichen Verlust von 710 Milliarden Yen (das entspricht rund 5,7 Milliarden Euro) verursacht hat. Die Hitliste wird angeführt vom Tokio Marathon, Asiens einziger World Marathon Major, mit einem wirtschaftlichen Verlust in Höhe von 29 Milliarden Yen (das entspricht rund 232 Millionen Euro), gefolgt vom Osaka Marathon (rund 144 Mio. Euro) und dem Kobe Marathon (rund 56 Mio. Euro). Die Studie berücksichtigt keine Events, die im Zeitraum zwischen Februar und September 2020 abgesagt worden sind, sondern all jene, die seither bis ins Frühjahr 2021 abgesagt oder verschoben wurden. Dabei muss beachtet werden, dass die Laufsaison in Japan ihren Höhepunkt in den Wintermonaten hat (von Oktober bis März). Im Falle des Tokio Marathon nahm Miyamoto an, dass er im Frühjahr 2021 erneut als reines Eliterennen stattfinden würde. Und nicht wie seit heute bekannt, in den Herbst verschoben (siehe RunAustria-Meldung). Generell betont der Wissenschafter insbesondere die negativen Folgen für die regionale Wirtschaft. Genau dieser Effekt, in positivem Ausmaß, habe regionale Wirtschaftssysteme revitalisiert, als Anfang der 2000er die Laufevents in Japan boomten.
„Wir brauchen jetzt Klarheit“
In Deutschland beteiligen sich ein Großteil der Laufevents und prominenten Läuferinnen und Läufer am Aufruf zur Teilnahme an einer von den German Road Races gestarteten Petition „Rettet unsere Läufe“, die allerdings schleppend anläuft. Den Profisportlern ist bewusst, dass sie von einer breiten Läufermasse und starken Events profitieren. Mit der Petition soll Druck auf die Politik ausgeübt werden, entsprechende finanzielle Ausgleichszahlungen anzubieten.
Viele Laufveranstalter werfen daher sorgenvolle Blicke Richtung Zukunft, denn die Perspektive des Laufjahres 2021, insbesondere des ersten Halbjahres, bleibt unsicher. Veranstalter, die mit finanziellen Verlusten angeschlagen aus dem Jahr 2020 herausgehen, können sich weitere Ausfälle im Folgejahr nicht leisten, was die Befürchtungen einer Pleitewelle als Damoklesschwert über den Laufsport schweben lässt. Jürgen Lock, Geschäftsführer der SCC-Events und damit auch Hauptverantwortlicher für den Berlin Marathon, fordert: „Wir müssen mit Hilfe von Experten jetzt Szenarien entwickeln und folglich Rahmenbedingungen schaffen, damit Klarheit herrscht, wie wir 2021 unsere Veranstaltungen durchführen können. Es muss dabei um Hygienekonzepte für Teilnehmer, aber auch Regeln für Zuschauer gehen.“ Und er gibt zu bedenken: „Eine weitere Kostenexplosion, wie wir sie seit Jahren im Bereich der Sicherheit bei Großveranstaltungen haben, können wir uns mit der teuren Umsetzung von Hygienevorschriften nicht mehr leisten. Hier bedarf es Augenmaß und Mitverantwortung durch den Staat. Die Politik muss sich schnellstmöglich mit dem Thema befassen und wir erwarten, dass man den Veranstaltungsbereich differenzierter analysiert. Denn die derzeitigen Schwierigkeiten und Interessen sind breit und vielfältig.“ Komme man auf keinen grünen Zweig und der Berlin Marathon 2021 würde erneut ausfallen müssen, fordert Lock Ausfallsgelder von staatlicher Seite. (Quelle: Website des DLV am 21.09.2020, Auszüge aus einem Interview).
Enge Zusammenarbeit mit lokalen Behörden
Erste positiv bewertete Hygienekonzepte wie beispielsweise jenes des letztlich trotzdem abgesagten Hamburg Marathon oder jenes des erfolgreich durchgeführten Jedermannlauf in Salzburg geben Hoffnung, dass mit richtigen Vorbereitungen und klugen Maßnahmen der Spielraum des Möglichen vergrößert werden kann. Auch im Sinne eines Vertrauensvorschusses für Veranstalter, die sich intensiv mit der Gesundheitssituation auseinandersetzen und sinnvolle Maßnahmen umsetzen. Außerdem gibt Hoffnung, dass Wissenschaft und Medizin das ohnehin von Beginn an präsente Wissen der geringen Infektionsgefahr bei allen Krankheiten, aber insbesondere bei COVID-19, im Freien, selbst bei Sport in der Gruppe zuletzt verstärkt betonen.
Essentiell wird eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Veranstaltern und lokalen Behörden mit beidseitigen Schritten aufeinander zu. Nur so können kurz- und mittelfristige Konzepte zum Handling der Verwaltung innerhalb der Datenschutzrichtlinien, Dienstleistungen, Transport & Logistik, auch unter Einsatz kreativer Ideen und digitaler Technologie optimiert und gleichzeitig Sicherheitsmaßnahmen praktikabel umgesetzt werden. Und im Idealfall sind die sinnvollsten Maßnahmen daraus längerlebig als die Pandemie, weil sie einen prinzipiellen Fortschritt in der Veranstaltungsorganisation bedeuten.
Frauenlauf-Studie: Geringer Kontakt bei Laufevents
Im Rahmen des 1. Women’s Distance Run am 26. September im Wiener Prater, einem vom Österreichischen Frauenlauf organisierten Event mit zwei Läufen à 99 Teilnehmerinnen, wurde mithilfe des „Community Distance Marker“ die durchschnittliche Kontaktintensität zwischen Teilnehmerinnen an Laufevents gemessen. An die 90% der Kontakte dauerten weniger als 30 Sekunden und liegen daher meilenweit unter der allgemein gültigen, kritischen Schwelle zu einer „erfolgreichen“ Infektion im Kontakt mit einer infizierten Person von 15 Minuten im Freien. Durchschnittlich dauerten die direkten Kontakte 18 Sekunden lang an, durchschnittlich stand jede Läuferin mit weniger als zwei anderen in engem Kontakt. „Aus unserer Sicht ist ein massives Ungleichgewicht gegenüber Passivveranstaltungen entstanden“, schimpft Andreas Schnabl. Ilse Dippmann ergänzte: „Wir haben gesehen, dass es bei Laufveranstaltungen nur zu kurzen Kontakten kommt und wir diese durch unsere Maßnahmen auch noch deutlich reduzieren können.“ Erkenntnisse und Fakten, die die Hoffnung beim Österreichischen Frauenlauf und allen weiteren heimischen Laufveranstaltern heben, dass Laufevents auch in ihrer Definition als Massenevents aus einem detaillierten Perspektivwinkel betrachtet und entsprechende Möglichkeiten zugelassen werden.
Und zwar ohne „Bubble“, die aktuell im Spitzensport, nicht nur im US-Sport, bei der Tour de France, Tennis Grand Slams oder beim London Marathon und beim NN World Record Day gezwungener Maßen in Mode kommt, um Berufssportlern die Ausübung ihrer Tätigkeit und eine vernünftige Vorbereitung auf kommende sportliche Ziele, allen voran den Olympischen Spielen von Tokio, zu ermöglichen. Laufsport im Freizeitbereich als wirksame Maßnahme für die gesellschaftliche Gesundheit beschreibt Freiheit, nicht Freiheitsentzug. So muss es auch in Zeiten einer Pandemie sein.
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