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Weltmeister gegen Weltrekordhalter – so lautete das Duell um den Sieg beim Kopenhagen Halbmarathon. Sabastian Sawe hatte das deutlich bessere Finale und fügte Weltrekordläufer Jacob Kiplimo eine seltene Niederlage zu. Mit Jakob Ingebrigtsen mischte sich ein Laufpromi spontan ins Halbmarathonfeld und versprach am Ende eines Wochenendes, an dem sich der Norweger auffallend entspannt gab, nicht so bald wieder in einem Wettkampf so weit laufen zu wollen.
Die allerletzten Schritte des Wettkampfs, entlang der unheimlich langen Zielgeraden, überzeugten: Sabastian Sawe ist die Nummer eins im Halbmarathon 2024! In einer Zeit von 58:05 Minuten unterbot er seine eigenen Weltjahresbestleistung vom Prag Halbmarathon im April um 19 Sekunden. „Ich bin sehr dankbar, ich hatte ein wirklich gutes Rennen und bin sehr glücklich, der Sieger des Kopenhagen Halbmarathons 2024 zu sein.“ Ein Erfolg, der dem 29-jährigen Weltmeister von Riga 2023 in seiner Vita noch gefehlt hat. Außerhalb von Valencia, wo es für ihn noch nicht zum großen Glück gereicht hat, hat der Kenianer alle seine Halbmarathon-Starts in einen Sieg verwandelt.
Wie die versammelte, prominente Elite des Rennens hatte sich der Kenianer durchaus erhofft, dass sich das Rennen noch schneller entwickeln würde – auch wenn Sawe letztendlich mit einer persönlichen Bestleistung nach Hause fährt. Insgeheim hatte der Veranstalter mit seinem starken Elitefeld spekuliert, bei guten Laufbedingungen mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen in die Nähe des Weltrekords zu laufen. Doch die Zeit von 57:31 Minuten wurde früh aus den Augen verloren, auch aufgrund leichten Gegenwinds in der Anfangsphase.
Der Streckenrekord geriet erst dank einer schnellen Schlussphase wieder in Sicht-, aber nicht in Reichweite: 2019 hatte Geoffrey Kamworor in der dänischen Hauptstadt in einer Zeit von 58:01 Minuten gewonnen. Die Halbmarathons in Lissabon, Valencia und Ras Al Khaimah (RAK Halbmarathon) bleiben somit die einzigen weltweit mit Siegerzeiten unter 58 Minuten.
Auch Kiplimo selbst konnte keinen Coup nicht realisieren. Der 23-jährige Ugander hatte eine eindrucksvolle Halbmarathon-Statistik mit nach Kopenhagen gebracht: Nur 2020 beim Halbmarathon in Valencia, als Kibiwott Kandie den damaligen Weltrekord aufstellte, konnte er auf dieser Distanz nicht gewinnen – es passierte nun ein zweites Mal. Überhaupt war der Weltmeister-Vorgänger von Sawe seit fast vier Jahren in Straßenläufen ungeschlagen, eine längere Siegesserie kann er nur im Crosslauf aufweisen, wo er gar zweifacher Weltmeister ist.
In Kopenhagen sprachen die schnelleren Beine für Sawe, eine taktisch schlechte Entscheidung gegen Kiplimo. Am Beginn eines Fahrbahnteilers aufgrund einer Serie von länglichen Verkehrsinseln orientierte sich Sawe in Laufrichtung rechts, Kiplimo mit Isaia Lasoi im Rücken links. Der 23-Jährige behielt nicht die Nerven, dort bis zur Wiedereinmündung wenige Meter vor der Ziellinie zu bleiben, und querte auf einer der mit Kopfsteinpflaster gestalteten Inseln. Letztendlich waren das überflüssige Meter und vor allem ein unnötiger Rhythmusbrecher.
Lasoi kam Kiplimo übrigens mit den letzten Schritten noch einmal bis auf eine Sekunde nahe und schob sich mit einer deutlichen persönlichen Bestleistung von 58:10 Minuten auf Position elf der ewigen Weltbestenliste, wo Sawe nun Neunter ist. Der 24-jährige Lasoi war heuer bereits Dritter beim RAK Halbmarathon. Dieses Trio entschied das Rennen in der Schlussphase, bereits davor wurde das Elitefeld recht früh ausgesiebt. Titelverteidiger Edwin Cheserek kam in 59:32 Minuten als Fünfter ins Ziel.
Im Rennen der Frauen feierte Margaret Kipkemboi in einer Zeit von 1:05:11 Stunden einen großen Sieg. Die 31-jährige Kenianerin, Vize-Weltmeisterin in dieser Disziplin, verpasste den Kopenhagener Streckenrekord von Tsehay Gemechu aus dem Jahr 2021 nur um drei Sekunden. Die Olympia-Vierte im 10.000m- und -Fünfte im 5.000m-Lauf, die bereits Halbmarathon-Siege in Barcelona und Valencia nachweisen konnte, setzte sich vor ihren Landsfrauen Judy Kemboi (1:05:43) und Cahterine Reline (1:06:09) durch.
Für eine großartige europäische Leistung sorgte die diesjährige Halbmarathon-Europameisterin Karoline Bjerkeli Grövdal, die ihre vor einem Jahr an gleicher Stelle aufgestellte persönliche Bestleistung auf eine Zeit von 1:06:55 Stunden verbesserte und zum insgesamt siebten Mal in einem Halbmarathon unter 1:10 Stunden blieb. Die 34-jährige landete damit exakt in jenem Bereich, den sie vor Rennbeginn im Interview im offiziellen Livestream angekündigt hatte. Nach einigen Tagen Ruhe nach den Olympischen Spielen fühlte sie bereit und gut in Form für den Kopenhagen Halbmarathon. Zum norwegischen Halbmarathonrekord von Ingrid Kristiansen, der seit 1987 steht, fehlen ihr noch 15 Sekunden.
Dafür gab es einen anderen Halbmarathonrekord für ein skandinavisches Land. Alisa Vainio verbesserte als Zwölfte den finnischen Rekord von Camilla Richardsson um knapp eine halbe Minute auf eine Zeit von 1:09:30 Stunden. Dänische Meisterin wurde Sara Schou in einer Zeit von 1:13:18 Stunden. Bei den Männern krönte sich Jacob Simonsen in 1:02:18 Stunden zum dritten Mal in Folge zum nationalen Champion.
Der Kopenhagen Halbmarathon gehört zu den wichtigsten Halbmarathonläufen der Welt und ist auch Teil der europäischen Super Half Serie. Der diesjährige Event feierte einen neuen Teilnehmer*innenrekord: 29.991 Startplätze wurden verkauft. 28.006, davon knapp 17.000 Männer, erschienen an der Startlinie, 27.778 kamen ins Ziel.
Kopenhagen ist im Jahr 2026 der übernächste Ausrichter der Straßenlauf-Weltmeisterschaften. Laut eines Berichts der Plattform „Politico“ hat der dänische Sport aber noch höhere Ziele: Kopenhagen soll sich für die Austragung der Olympischen Spiele 2036 interessieren.
Die Schlagzeilen musste die internationale Halbmarathon-Elite in Kopenhagen mit Jakob Ingebrigtsen teilen. Der Norweger trat trotz der dänischen Halbmarathon-Meisterschaften als Publikumsliebling auf, lobte die lauten Anfeuerungen der Zuschauer, bezeichnete die dänische Hauptstadt im Interview mit dem Veranstalter nach dem Rennen als wunderbaren Ort und die dänische Bevölkerung als Bruder- und Schwestervolk seiner Landsleute. Bereits Tage vor dem Rennen kursierten Gerüchte, der Olympiasieger im 5.000m-Lauf könnte den Halbmarathon in der dänischen Hauptstadt bestreiten – wohl etwas weniger ernsthaft als sein großer Bruder Hendrik vor einem Jahr, der damals aber aufgeben musste.
Schließlich hatte der 23-Jährige am Freitagabend in Brüssel noch Bedeutendes zu erledigen: nämlich die Diamond-League-Saison 2024 siegreich zu beenden. Das gelang (siehe RunUp.eu-Bericht), gleichzeitig sprach er zaghaft, aber öffentlich über Kopenhagen-Vorhaben. Am Samstag gönnte er den anwesenden Medienvertreter*innen in relaxtem Zustand einen Auftritt in der dänischen Hauptstadt und bremste die Erwartungshaltung, die ihm nicht alle abkauften. Klar, der Star war nicht als Unterhaltungskünstler nach Kopenhagen gekommen, sondern mit konkreten Hintergedanken: Am Sonntagmorgen ging er das Rennen tatsächlich als ernsthaften Test an. Ingebrigtsen wollte sich nicht beweisen, wie schnell er einen Halbmarathon absolvieren könnte. Er hatte sich überhaupt nicht gezielt darauf vorbereitet, der Fokus lag stets auf der Bahnsaison.
Seine Zielzeit von 1:03:13 Stunden hat keine Bedeutung. Er wollte ernsthaft lernen, welches Tempo im Halbmarathon gefordert ist. Er setzte sich in die Spitzengruppe, was zu einer Kuriosität führte. Denn einer der Tempomacher war Berihu Aregawi, am Freitag Diamond-League-Gesamtsieger im 5.000m-Lauf – nicht einmal eine Stunde später gewann Ingebrigtsen den 1.500m-Lauf. Er half mit, dass der Skandinavier bei der Zwischenzeit den norwegischen 10km-Straßenlauf-Rekord von Zerei Kbrom um zwölf Sekunden auf eine Zeit von 27:27 Minuten verbesserte. Dann blieb Ingebrigtsen abrupt stehen, atmete ein paarmal tief durch, und nahm das Rennen im Jogging-Schritt gemächlich wieder auf, blieb noch einmal stehen, stützte die Arme in die Hüfte und auf die Knie, startete wieder, ehe er später das Tempo noch einmal erhöhte. Irgendwie ein Auftritt, der das norwegische Ausnahmetalent von einer menschlichen Seite zeigte. Und bestätigte: Wunder, wie in diesem Falle einen Halbmarathon unter einer Stunde aus dem Nichts, gibt es auch von Wunderläufern höchstselten.
Danach war der Grad der Erschöpfung weit fortgeschritten. Ingebrigtsen sagte nach dem Rennen, er wäre ausgestiegen, hätten ihn die vielen Tausenden Zuschauer in Kopenhagen, die ihn namentlich antrieben, nicht zum Durchlaufen animiert. In den nächsten zwei Jahren wolle er keinen weiteren Halbmarathon mehr probieren, lächelte er in die Kamera und betonte, welch hohes Leistungsniveau in dieser Disziplin gefordert sei, um an der Weltspitze mitzulaufen. Für die Straßenlauf-WM in Kopenhagen, übrigens am Wochenende des 26. Geburtstag des Ausnahmekönners, käme eher eine kürzere Distanz in Frage. Dann verabschiedete er sich in den, nach einer langen Saison, wohlverdienten Urlaub, in dem Zeit mit seinem zweieinhalb Monate alten Töchterchen wohl Priorität haben dürfte.
Dennoch könnte der Kopenhagen Halbmarathon 2024 einen Blick in die zukünftige Karriere des Norwegers bieten: In einem Porträt in der britischen Tageszeitung „The Times“ im März 2024 sagte der Norweger: „Ich bin ein Halbmarathon-Mann. Da bin ich am besten. Ich bin ein Ausdauer-Athlet, eigentlich sind die 1.500m meine schlechteste Distanz.“ Diese Aussagen stützen frühere Aussagen seines ehemaligen Trainers und Vaters Gjert und lassen vermuten, dass er irgendwann die Bewerbsskala Richtung Straßenlauf klettern mag.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © CPH Half / Sparta Billeder