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WM 2017: 800m-Lauf der Herren, Vorschau: Ein offenes Rennen

Nick Willis Meinung ist im internationalen Laufsport immer gefragt. Der neuseeländische Routinier nimmt nämlich selten ein Blatt vor den Mund und äußert sich auch zu kritischen Themen meist direkt. Mit dem 800m-Lauf hat der zweifache Medaillengewinner im 1.500m-Lauf wenig am…

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Nick Willis Meinung ist im internationalen Laufsport immer gefragt. Der neuseeländische Routinier nimmt nämlich selten ein Blatt vor den Mund und äußert sich auch zu kritischen Themen meist direkt. Mit dem 800m-Lauf hat der zweifache Medaillengewinner im 1.500m-Lauf wenig am Hut, hätte er nicht gestern nach den Halbfinalläufen von London einen geistreichen Tweet abgesetzt. „Es ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Peter Snell mit seiner Leistung 1962 im 800m-Finalfeld von London der Favorit wäre.“ Peter Snell, dreifacher Olympiasieger Anfang der 60er Jahre (davon zweimal über 800m), hat riesige Verdienste für den 800m-Lauf erreicht. Denn er hat die Disziplin nachhaltig verändert und wurde berechtigt in die Hall of Fame der IAAF aufgenommen. Dass bei der WM in London dank der verletzungsbedingten Abwesenheit David Rudishas kein Superstar am Start ist, ist ein offenes Geheimnis. Und es liegt an den 800m-Finalteilnehmern, den drohenden Verruf eines Rennens ohne Favoriten abzublocken.
Bewerb: 800m-Lauf der Herren
Startzeit: Dienstag, 8. August um 21:35 Uhr (22:35 Uhr Ortszeit)
Olympiasieger 2016: David Rudisha (Kenia)
Weltmeister 2015: David Rudisha (Kenia) *
Rekord-Weltmeister: Wilson Kipketer (Dänemark) (drei WM-Titel)
Erfolgreichste Nation: Kenia (sechs WM-Titel)
WM-Rekord: Billy Konchellah (Kenia) in 1:43,06 Minuten (Rom 1987)
Weltjahresbestleistung: Emmanuel Korir (Kenia) in 1:43,10 Minuten (Monaco) **
Favorit: Nijel Amos (Botswana)
* wegen Verletzung nicht bei der WM
** im Halbfinale ausgeschieden
 

European Athletics via Getty Images © Ian McNichol
Zwei Europäer mit Medaillenchancen: Adam Kszczot und Pierre Ambroise Bosse. @European Athletics via Getty Images / Ian McNichol
Überraschungen im Vorfeld

Es ist auch nicht neu, dass der 800m-Lauf anfällig für Überraschungen ist. Die harte Selektion der acht Finalteilnehmer aus einem 24-köpfigen Finalfeld ist schon so manchem Star zum Verhängnis geworden. London ist nicht anders, von den Top-Vier der Weltjahresbestenliste ist nur mehr Nijel Amos dabei. Der 23-Jährige aus Botswana stieg mit der schlechtesten Halbfinalzeit auf. Dagegen scheiterten Emmanuel Korir und Donavan Brazier, Clayton Murphy hat sich bei den US-Trials erst gar nicht qualifiziert. Mit Ferguson Rotich, Asbel Kiprop (in London nur über 1.500m am Start), Antoine Gakeme und Isaiah Harris fehlen vier weitere Athleten aus den Top-Ten der Weltjahresbestenliste, weil sie das Halbfinale nicht überstanden haben. Will also niemand 800m-Weltmeister werden?

Bürde des Favoriten für Amos

Ganz so drastisch ist es natürlich nicht. Und im „Rennen ohne Favoriten“ gibt es tatsächlich einen Favorit. Nijel Amos, dreifacher Sieger in der Diamond League. Die achtbeste Halbfinalzeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er kontrolliert ins Finale gelaufen ist. Will er dort gewinnen, muss er sich aber mit einer anderen Taktik ins Gefecht werden als bei den bisherigen WM-Auftritten. Das gilt sowohl für London als auch für Peking 2015. Läuft er von vorne, erreicht sein Top-Level und zwingt der Konkurrenz sein Tempo auf, ist es schwer vorstellbar, dass der 23-Jährige zu schlagen ist. Er ist der einzige im Feld, der in diesem Jahr unter 1:44 Stunden gelaufen ist. Bereits achtmal musste man in der WM-Geschichte aber eine 1:43er Zeit anbieten, um Weltmeister zu werden.

Europäische Medaillenchance

Dennoch bringt das gelichtete Starterfeld neue Szenarien ins Spiel. Adam Kszczot, Vize-Weltmeister von Peking, ist ein Meister seiner taktischen Vorliebe. Sind die ersten 550 Meter nicht zu schnell, hat der Pole eine große Chance, erster europäischer Weltmeister über 800m seit dem Sensationscup des Schweizer André Bucher in Edmonton 2001 zu werden. Denn seinem langen Schlussspurt ist schwer zu widerstehen. Ein weiterer Medaillenkandidat ist nach einem überzeugenden Halbfinale Brandon McBride, laut eigener Aussage in der besten physischen Verfassung seines Lebens. Der kanadische Meister lief von vorne eine Halbfinalzeit von 1:45,53 Minuten.

Kenianische Hoffnungen auf Bett

Die kenianischen Hoffnungen liegen auf den Schultern ihres jüngsten, Kipyegon Bett. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten überzeugte der 19-Jährige mit der schnellsten Halbfinalleistung. Der Auftritt von 60.000 Zuschauern im Olympiastadion von London wird für ihn eine nervliche Belastung – ein so großes Rennen hat der Junioren-Weltmeister noch nie bestritten. Neben Amos und Bett steht mit dem äthiopischen Ex-Weltmeister Mohammed Aman noch ein dritter Afrikaner im Finalfeld.
Ein nicht zu unterschätzender Außenseiter Franzose Pierre Ambroise Bosse, der aufgrund einer Verletzung erst spät in die Saison eingestiegen ist, in London aber bisher einen guten Eindruck hinterließ. Läuft er befreit auf, hat auch er eine Chance auf eine Medaille. Sein fünfter Platz bei der WM in Peking ist das bisherige französische WM-Topergebnis in dieser Disziplin. Der Franzose und Kszczot sind übrigens die beiden einzigen WM-Finalisten, die auch im WM-Finale von Peking dabei waren. Mit der Finalteilnahme bereits weit mehr erreicht als erwartet haben der Brasilianer Thiago André, der heuer in seiner Heimat erstmals unter 1:45 Minuten gelaufen ist, und der britische Lokalmatador Kyle Langford. André knüpft an eine alte Tradition der Brasilianer an, die bei den ersten drei Weltmeisterschaften jeweils eine 800m-Medaille gewannen.
 
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