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„Wir haben exzellente Europameisterschaften erlebt, großartige sportliche Leistungen, unglaubliche Emotionen und wunderbare Geschichten. Neue Europameister wurden gekrönt und neue Stars für die Zukunft geboren“, lobte Svein Arne Hansen, Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes am Tag nach den Europameisterschaften 2016 in Amsterdam.…
„Wir haben exzellente Europameisterschaften erlebt, großartige sportliche Leistungen, unglaubliche Emotionen und wunderbare Geschichten. Neue Europameister wurden gekrönt und neue Stars für die Zukunft geboren“, lobte Svein Arne Hansen, Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes am Tag nach den Europameisterschaften 2016 in Amsterdam. Das alte Olympisch Stadion von Amsterdam verlieh der Veranstaltung einen besonderen Charme, die Stimmung im Stadion war durchgehend hervorragend, auch wenn vor allem in den Vormittagssessions viele Sitze leer blieben. „Das war eine unvergessliche Atmosphäre hier“, hob auch Hansen hervor.
In der europäischen Leichtathletik haben in den Tagen in der holländischen Hauptstadt einige Ereignisse und Entscheidungen für glückliche Gesichter gesorgt. Die Einbeziehung des Publikums im brooks 10K-Publikumslauf und die Installierung der Halbmarathon-Bewerbe auf einer Strecke vor tausenden Zuschauer mitten durch das Stadtzentrum Amsterdams waren äußerst gelungene Innovationen. Auch die Ausgliederung der Siegerehrungen vor das Stadion mit entsprechender Inszenierung und die Verlegung der Speerwurf- und Diskuswurf-Qualifikationswettkämpfe vom Olympiastadion auf den Museumplein, einen der Hotspots der besonders bei jungen Menschen unheimlich beliebten Stadt, wurde sehr gut angenommen. Eine grandiose Kulisse und ein neues Publikum, die Leichtathletik ging einen Schritt auf die Bevölkerung zu und diese nahm diese Geste an. „Die Kontinentalverbände sind genauso wie der Weltverband gefordert, die Attraktivität von Leichtathletik-Meisterschaften zu erhöhen. Hier in Amsterdam sind Maßnahmen umgesetzt worden, die unserem Sport gut tun. Ganz klar!“, zeigte sich EA-Präsident Hansen zufrieden.
Aus sportlicher Sicht betraten die Europameisterschaften 2016 Neuland. Erstmals gewann Polen den Medaillenspiegel und war damit die erfolgreiche Nation dieser Titelkämpfe. Sechs Goldmedaillen, fünf Silbermedaillen und eine Bronzemedaille gingen an das seit Jahren aufstrebende osteuropäische Land. Auffallend ist dabei, dass vor allen Dingen die Herren sehr erfolgreich waren. Mit insgesamt jeweils 16 Medaillen belegten Deutschland und Großbritannien dahinter die Ränge zwei und drei. Bei Deutschland ging der Großteil der Medaillen auf das Konto der Damen. Gastgeber Niederlande folgte hinter der hautsächlich durch eingekaufte Kenianer vertretenen Türkei auf Rang fünf, weiters reihten sich die iberischen Nationen Spanien und Portugal noch vor einem Schwergewicht der europäischen Leichtathletik ein, nämlich Frankreich. In der Nationenwertung, die Top-8-Platzierungen registriert und mit Punkten belohnt, lag Großbritannien trotz des Verzichts auf mehrere Stars deutlich vor Deutschland und Polen.
Neben den zahlreichen, überlegenen türkischen Athleten erlebte Amsterdam im Laufbereich auch einige Überraschungen. Zum Beispiel der frenetische Schlusssprint der Ukrainerin Nataliya Pryshchepa im 800m-Lauf der Damen oder der Sieg von Angelika Cichocka im 1.500m-Lauf der Damen. Den polnischen Sieg im Medaillenspiegel sicherten Adam Kszczot und Marcin Lewandowski im 800m-Lauf der Herren ab. Die spannendste Entscheidung gab es im 5.000m-Lauf, wo die ersten Drei nur durch die Winzigkeit von sechs Tausendstelsekunden getrennt waren und der viertplatzierte Henrik Ingebrigtsen den Sieg nur um eine Hundertstelsekunde verpasste.
Ganz besonders durch den großartigen Triumph im Halbmarathon der Herren durch Tadesse Abraham, der noch kombiniert wurde mit Gold in der Teamwertung, aber auch die drei weiteren Bronzemedaillen zog Swiss Athletics ein überwiegend positives Fazit der Europameisterschaften 2016. „Wir verfügen über ein junges Team und haben noch viele Leute in der Hinterhand“, blickt der Leistungssportchef des Schweizer Leichtathletikverbands Peter Haas nach Rang elf im Medaillenspiegel und der besten EM-Bilanz der Schweizer Leichtathletik-Geschichte bereits voraus. Die deutsche Leichtathletik konnte sich erneut auf seine starken Werferinnen und Werfer verlassen, holte jedoch auch Medaillen im Sprint- und Laufbereich. Besonders herausragend war hierbei der überragende Auftritt von Gesa Felicitas Krause, die das Feld in Grund und Boden lief und nur knapp am deutschen Landesrekord vorbei schrammte.
Nach den Hallen-Weltmeisterschaften fehlte der russische Leichtathletik-Verband das zweite Mal in Folge aufgrund der Suspendierung bei einem internationalen Großereignis. Damit konnte die europäische Leichtathletik, die voll hinter der Entscheidung des Leichtathletik-Weltverbandes steht, ein Zeichen gegen das flächendeckende Doping in Russland setzen, auch wenn dieser Ausschluss der russischen Leichtathleten im größten Land der Welt nicht positiv aufgenommen wurde. Allerdings übertönen die Bemühungen Russlands, ein Team zu Olympia zu schicken, die Diskussionen über den EM-Ausschluss.
Eine Russin war dennoch am Start, Whistleblowerin Yuliya Stepanova. Leider konnte die europäische Leichtathletik diese großartige Plattform für eine positive Botschaft nur teilweise nutzen, auch weil das Stadion nicht mitmachte und die Russin, die unter der neutralen Flagge von European Athletics startete, angeschlagen in ihren Vorlauf ging. „Das war ein historischer Moment, eine goldene Gelegenheit, die European Athletics mit dem Start von Stepanova genützt hat“, freute sich IAAF-Präsident Sebastian Coe. „Ich hoffe, ich konnte andere Athleten inspirieren. Wenn man das Richtige macht, findet man auf der Welt Leute, die einen unterstützen“, so die 30-Jährige, die aus Russland geflüchtet und in den USA untergetaucht ist.
Doch nicht alles, was in den Tagen von Amsterdam die Diskussionen anregte, wurde positiv bilanziert. Der größte Streitpunkt ist ein leidiges Thema, das die Leichtathletik schon seit Jahren verfolgt, aber selten so drastisch ins Gewicht fiel wie in Amsterdam: die Nationentransfer. Teilweise gingen türkische Erfolge auf das Konto von Athleten, die erst seit wenigen Wochen überhaupt für die Türkei startberechtigt sind und erst seit einer kurzen Zeit überhaupt einen offiziellen Wohnsitz in der Türkei aufweisen. Ob dieser überhaupt existiert oder genutzt wird, ist ohnehin fraglich. Dennoch ist eines klar: Die großen türkischen Erfolge mit zwölf Medaillen, davon vier in Gold, gingen größtenteils auf Athleten zurück, die aus Kenia stammen und mit nötiger finanzieller Motivationshilfe in den türkischen Verband gelotst wurden. Dass diese Athleten, die vor allem im Langstreckenlauf dominant auftraten, bei ihren ur-europäischen Konkurrenten auf keine Freude stoßen, liegt auf der Hand. „Uns sind hier ein bisschen die Hände gebunden, weil das ist Sache der IAAF und des Councils. Aber ich werde beim nächsten Treffen dieses Thema sicherlich ansprechen“, so Hansen in einem Statement und fordert: „Wir müssen zuerst erörtern, in welchen Fällen ein Flüchtlingsstatus tatsächlich vorhanden ist, um solche raschen Nationenwechsel zu tolerieren. Die europäische Leichtathletik muss in Zukunft ein Auge drauf werfen.“
Eine essentielle Unterscheidung muss gemacht werden, denn nationale Vermischungen und Anträge auf Staatszugehörigkeiten sind in der modernen Entwicklung der Globalisierung naturgemäß angestiegen. Es gilt zu erörtern, welche Fälle als „normal“ einstufbar sind und welche als „ökonomisch motiviert“. Gelungene Beispiele der Integration bei der EM erfolgreicher Läufer gibt es genug. Etwa die Vize-Europameisterin Sifan Hassan, die der Armut in Äthiopien entfloh und 2009 in die Niederlande kam. Erst in ihrer neuen Heimat begann sie mit Laufsport und ist seit Ende 2013 für die Niederlande startberechtigt. Sie ist in ihrer neuen Heimat voll integriert wie auch der neuen Halbmarathon-Europameister Tadesse Abraham, der seit 2004 in der Schweiz lebt und mit einer Schweizerin verheiratet ist. Unglaubliche zehn Jahre lang musste er warten, bis ihm die Schweizer Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Demgegenüber stehen hektische Nationentransfers in die Türkei, wo Integration und Identifikation mit dem neuen Verband und dessen Land kleingeschrieben werden. Der obligatorische Kuss des Halbmonds auf der Brust des Nationaltrikots, der bei der EM des öfteren zu sehen war, stellt ein Stück Zynismus dar. In dieser Thematik ist die Leichtathletik-Welt schon seit langer Zeit gefordert, auf europäischer Ebene jetzt sicherlich mehr denn je. Dass mit dem türkischen Verband hier ein Verband an den Pranger gestellt wird, der in Vergangenheit gerade beim Thema Doping oft negative Schlagzeilen schrieb und ähnlich wie Russland auch kriminelle Beziehungen zur alten IAAF-Spitze pflegte, verleiht der Diskussion nicht unbedingt gemäßigte Emotionen.
Europameisterschaften 2016 in Amsterdam